MÜNCHEN. Die Corona-Infektionszahlen in Bayern steigen momentan stark an; mancherorts wäre der Schulstart im Regelbetrieb in der kommenden Woche gefährdet gewesen – wenn nicht das Landeskabinett unter Ministerpräsident Markus Söder (CSU) plötzlich die Grenzwerte für Hygiene- und Schutzmaßnahmen in den Schulen angehoben hätte. Aus vier Stufen, die Kultusminister Piazolo Ende Juli angekündigt hatte, wurden kurzerhand drei gemacht. Schließungen von ganzen Schulen, ursprünglich als Ultima Ratio geplant, sind nun gar nicht mehr vorgesehen.
Am 31. Juli trat Bayern Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) vor die Presse – und verkündete einen bundesweit einmaligen Vier-Stufen-Plan für das kommende Schuljahr (News4teachers berichtete). Stufe eins wäre der Normalbetrieb gewesen. Die Stufe zwei dann sollte bei mehr als 20 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt binnen sieben Tagen greifen – mit der Konsequenz, dass in den dortigen Schulen im Unterricht eine Maskenpflicht eingeführt worden wäre.
In etlichen Schulen hätte im Unterricht die Abstandsregel gegolten
Ab Stufe 3 (mehr als 35 Neuinfektionen) sollte auch wieder der Mindestabstand von 1,50 Metern gelten – dann hätten aus Platzgründen die meisten Klassen auf mehrere Klassenräume aufgeteilt werden müssen. Bei hohen Infektionszahlen in einer Region hätte in den dortigen Schulen auch eine Rückkehr zum Fernunterricht nötig sein können, wie Piazolo seinerzeit erklärte – Schulschließungen waren in der vierten und höchsten Stufe vorgesehen. Dieses Szenario sollte ab mehr als 50 Neuinfektionen greifen.
Würde es nach diesem Plan gehen, hätte für den Schulbeginn in Bayern in der kommenden Woche wohl mancherorts im Unterricht bereits die Abstandsregel von 1,50 Meter gegolten. In Ingolstadt wurden in den letzten sieben Tagen 40,2 Infektionen auf 100.000 Einwohner gemeldet, in Rosenheim 36,5. Ein schulischer Regelbetrieb wäre dort mit diesen Werten nicht möglich gewesen – Klassen hätten geteilt werden müssen. Auch in anderen bayerischen Städten und Landkreisen ist die Entwicklung bedenklich. München etwa meldet aktuell 29,9 Infektionen, der Landkreis Kehlheim 26,2.
Stufe 4 – Schließungen von ganzen Schulen – entfällt
Hintergrund: Eine Häufung von mehr als 35 Fällen gilt laut einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern als kritisch, spätestens bei mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche soll ein regionaler Lockdown in Betracht gezogen werden. Das ist der Grenzwert, ab dem Kommunen bundesweit als Risikogebiet gelten. Doch kurz bevor die Regelungen greifen konnten, hat der Ministerrat in München – der heute unter Söder getagt hat – den strikten Sicherheitskurs aufgeweicht und die Grenzwerte nach oben verschoben. Die Stufen wurden von vier auf drei zusammengestrichen. Jetzt gilt laut Staatsregierung:
- „Stufe 1: Sieben-Tage-Inzidenz unter 35 pro 100.000 Einwohner (Maßstab Kreis): Regelbetrieb unter Hygieneauflagen.
- Stufe 2: Sieben-Tage-Inzidenz 35 bis unter 50 pro 100.000 Einwohner (Maßstab Kreis): Verpflichtung zum Tragen einer geeigneten Mund-Nasen-Bedeckung für Schüler auch am Sitzplatz im Klassenzimmer ab Jahrgangstufe 5. Alternativ zum Tragen einer MNB während des Unterrichts an weiterführende Schulen: Gewährleistung des Mindestabstandes im Klassenzimmer von 1,5 Metern.
- Stufe 3: Sieben-Tage-Inzidenz ab 50 pro 100.000 Einwohner (Maßstab Kreis): Wiedereinführung des Mindestabstands von 1,5 Metern.“
Die bisherige Stufe 4, bei der Schulschließungen vorgesehen waren, entfällt. Stattdessen gilt eine grundsätzliche Einschränkung: „Bei den genannten Schwellenwerten handelt es sich um Richtkriterien, die den Entscheidungsträgern vor Ort als Orientierungshilfe bei ihrer Entscheidung dienen. Die letzte Entscheidung, ab wann welche Stufe greift, trifft das zuständige Gesundheitsamt in Abstimmung mit der Schulaufsicht.“ Anders ausgedrückt: Verbindlich ist das alles nicht.
Zum neuen Stufenplan erklärt das Kultusministerium gegenüber News4teachers: “Wir haben das Infektionsgeschehen über die Sommerferien intensiv beobachtet und aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse einbezogen.”
Ironischerweise will die KMK in dieser Woche einen Rahmenplan für den Corona-Schutz an Schulen verabschieden, der nach bayerischem Vorbild die ursprünglichen vier Stufen vorsieht (News4teachers berichtete ausführlich darüber – hier geht es hin). Allerdings sind die Länder als Träger der Schulpolitik frei, sich daran zu halten. Oder eben nicht.
Dafür hat das Kabinett in München die Maskenpflicht auch im Unterricht der weiterführenden Schulen bayernweit beschlossen – allerdings beschränkt auf die ersten beiden Wochen des Schuljahres. „Ziel ist, das Infektionsrisiko durch Reiserückkehrerinnen und -rückkehrer in den ersten Schultagen so weit wie möglich zu minimieren“, so heißt es. News4teachers
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