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Schulgipfel: Schuljahr droht zu platzen – Regelungen für Abschlüsse nötig

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DÜSSELDORF. Schule soll trotz Corona möglichst normal ablaufen, sagt die NRW-Landesregierung. In der Schule läuft schon lange nichts mehr normal, sagen hingegen Praktiker. Bei einem «Schul-Gipfel», den die Landtagsopposition veranstaltete, kam Vieles auf den Tisch, etwa: Abi, Lernstoff, Sportunterricht und Sitzenbleiben. Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hatte sich geweigert, an dem Gipfel teilzunehmen – der VBE auch.

Unklar ist, unter welchen Bedingungen Abschlussprüfungen stattfinden. Foto: Shutterstock

Vertreter von Schülern, Lehrern, Eltern und Opposition fordern von der nordrhein-westfälischen Regierung Klarheit über Leistungsanforderungen im Corona-Jahr. Das Abitur müsse angepasst werden, sagte Sophie Halley von der Landesschülervertretung (LSV) in Düsseldorf. «Es ist absolut nicht mehr realistisch, dass der Lehrplan in irgendeiner Weise eingehalten werden kann.» Dies erzeuge bei den Oberstufenschülern «den größten Druck». Vertreter von SPD, Grünen, Lehrergewerkschaften und Elternvereinen, die sich bei einem «Schul-Gipfel» ausgetauscht hatten, zeigten in ihren zentralen Anpassungswünschen große Einigkeit.

ABSCHLUSSPRÜFUNGEN: Der Aufgaben-Pool für zentrale Prüfungen müsste aus Sicht aller Akteure mindestens erweitert werden, damit Lehrkräfte Themen aussieben können, die coronabedingt gar nicht im Unterricht behandelt werden konnten. «Wir brauchen einen besonderen Rechtsrahmen für dieses Schuljahr», unterstrich die Schulexpertin der Grünen-Landtagsfraktion, Sigrid Beer. «Im Augenblick schwimmen alle.» Die Landesregierung müsse sich endlich für eine bundesweite Verständigung stark machen, forderte SPD-Fraktionsvize Jochen Ott. «Es ist wie immer im Beamten-Mikado: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren.» Alle hätten Angst, dafür verantwortlich gemacht zu werden, das Abitur-Niveau abzusenken.

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SITZENBLEIBER: Auch der Vorsitzende der Schulleitervereinigung NRW, Harald Willert, forderte einen einheitlichen Rechtsrahmen, um angemessen auf die Pandemie reagieren zu können. Normalität gebe es schon lange nicht mehr, stellte er fest. «Heute würde jede Nichtversetzung von jedem Verwaltungsgericht sofort aufgehoben werden, falls die Eltern das wollen.» Die üblichen Bildungsvoraussetzungen seien nicht mehr gegeben.

MEHR PLATZ SCHAFFEN. Unter den über 260 Teilnehmern des «Schul-Gipfels» aus rund 20 Verbänden herrsche Einigkeit, dass ein Mix aus Präsenz- und Digital-Unterricht in kleineren Gruppen – auch in außerschulischen Lernorten – zu ermöglichen sei, bilanzierte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty. Beer berichtete von zahlreichen Angeboten aus der Zivilgesellschaft. «Eine Kino-Kette sagt: “Wir haben 14.000 Plätze in Nordrhein-Westfalen. Wir stellen die gerne Schulen zur Verfügung.» Auch Lehramtsstudierende, denen coronabedingt Jobs weggebrochen seien, hätten Hilfe angeboten.

RAUS INS GRÜNE: In Zeiten, wo Schüler ständig hinter Masken büffeln müssen, ist aus Sicht der Landesschülervertretung auch über corona-konforme Bewegungsformen nachzudenken. Halleys Formel: «Eher Wanderungen und Fahrrad-Touren» als bei anstrengenden Übungen in stickigen Sporthallen zu schwitzen. Bei kopflastigeren Fächern – zum Beispiel Fremdsprachen oder Religion – wollen sie den stufenübergreifenden Unterricht zugunsten fester Gruppen aufbrechen, um mehr Infektionsschutz zu erreichen.

WECHSELUNTERRICHT: Die LSV spricht sich außerdem für einen tageweisen Wechsel der Schülergruppen im Präsenz- und Distanzunterricht aus. Um häusliche Gewalt nicht aus den Augen zu verlieren, wäre wochenweiser Wechsel nicht wünschenswert, erklärte Halley. «Der blaue Fleck soll nicht verheilen, bevor die Schülerin oder der Schüler wieder in der Klasse ist.» Außerdem seien mehr Schulsozialarbeiter nötig, um Schülern «Druck von den Schultern zu nehmen» und Lehrer zu entlasten.

BILDUNGSGERECHTIGKEIT: «Die Gleichung “Präsenzunterricht unter den jetzigen Bedingungen bedeutet Bildungsgerechtigkeit”, geht so nicht auf», sagte die Landesvorsitzende der GEW, Maike Finnern, zur Haltung der Landesregierung. «Kleine Lerngruppen sind mit gleichen Bildungschancen vereinbar.» Wichtig sei, mehrmals pro Woche mit Telefonaten, Videotelefonie, an Lernorten oder über Sozialarbeiter Kontakt zu halten.

REGIERUNG: Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) bekräftigte im Landtag, Wechselunterricht könne nicht generell ausgeschlossen werden, sei aber immer nur «zweitbeste Wahl». Erfreulich sei, dass derzeit trotz insgesamt hoher Infektionszahlen im Land fast 95 Prozent aller Schüler weiter im Klassenraum lernen könnten, sagte sie im Schulausschuss. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) twitterte: «Die Maßnahmen scheinen zu wirken. Das exponentielle Wachstum ist gebrochen. Aber noch sind die Inzidenzen nicht so, dass man von Entwarnung sprechen kann.»

MITMACHEN: Auch nach dem «Schul-Gipfel werden unter der Mail-Adresse «schule@machen-wir.de» Meinungen und Vorschläge gesammelt. SPD und Grüne wollen die Ergebnisse in der kommenden Woche ins Landtagsplenum einbringen.

Gebauer hatte bereits mehrfach erklärt, dass sie möglichst lange am Unterricht im Klassenzimmer festhalten will. Dagegen regt sich zunehmend Kritik. Oppositionsführer Thomas Kutschaty (SPD) betonte vor dem Gipfel: «Ich bin nicht mehr bereit zu akzeptieren, dass die Landesregierung unsere Kinder einem fortlaufenden Gesundheitsrisiko aussetzt, ohne einen Plan B dafür zu haben, wie ein sicherer Schulbetrieb in diesen Corona-Zeiten gewährleistet werden kann.»

Die Opposition aus SPD und Grünen forderte von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) schon länger einen Schulgipfel – vergeblich. Deshalb veranstaltete sie nun selbst einen – ohne Beteiligung der Landesregierung. Gebauer hatte die Teilnahme abgelehnt.

Kutschaty: «Der Ministerpräsident weigert sich, unseren Rat anzunehmen, obwohl in den Schulen deutlich mehr passieren muss. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, selbst zu einem Schulgipfel einzuladen und mit allen Beteiligten konstruktive und innovative Lösungen zu finden.» Auch der VBE nahm nicht an der Konferenz teil. Landeschef Stefan Behlau hatte seine Absage in der vergangenen Woche mit einer Absage an «Lagerbildung» verbunden. «Ein einseitig ausgerufener Schulgipfel wird bestehende Gräben eher vertiefen als zuzuschütten», meinte er. News4teacheres / mit Material der dpa

Sind wirklich doppelt so viele Lehrer nötig, um die Klassen zu halbieren? Lehrer erklären auf News4teachers: „Das ist eine Ausrede!“

 

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