SACHSEN. Das erste Bundesland, das nach dem Frühjahrs-Lockdown die Kitas und Schulen in den Regelbetrieb genommen hatte, muss sie nun als erstes Bundesland erneut schließen: Sachsen fährt wegen massenhafter Corona-Infektionen das öffentliche Leben herunter. Schulen, Kitas, Horte und viele Geschäfte sollen ab kommendem Montag geschlossen werden. Die GEW bedauerte, dass im Bildungsbereich nicht schon früher gegengesteuert wurde.
Die Infektionen seien sprunghaft angestiegen. Das Virus habe eine viel stärkere Kraft als im Frühjahr, die Menschen würden die Lage aber bei Weitem nicht so ernst nehmen, wie Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte. Geöffnet bleiben sollen nun erst einmal lediglich Lebensmittelgeschäfte und Geschäfte für den Grundbedarf.
„Die Staatsregierung hat trotz der deutlichen Warnsignale in den letzten Wochen sehr lange gewartet, weitere Schritte auch an Schulen und Kitas zur Eindämmung der Infektionszahlen in Sachsen zu gehen”, kritisierte Uschi Kruse, Vorsitzende der GEW Sachsen. „Die Schließung der Einrichtungen ist für die Kinder und Jugendlichen und auch für all die pädagogischen Fachkräfte und Lehrkräfte, die sich so sehr engagiert haben, höchst bedauerlich und hart. Angesichts der dramatischen Situation in Sachsen und auch in den Bildungseinrichtungen sind die jetzt ergriffenen Maßnahmen allerdings unvermeidlich und richtig.”
GEW: Wir brauchen eine Perspektive für die Kitas und Schulen über den 10. Januar hinaus
Weiter erklärte die Gewerkschafts-Chefin: “Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher haben sich in den letzten Wochen gewünscht, dass schneller und dafür gemäßigter z. B. mit Wechselunterricht sowie mit kleineren, festen Gruppen reagiert worden wäre, um die Infektionen zu minimieren. Dass nun derartige Einschnitte erforderlich geworden sind, zeigt auch, wie sehr eine Perspektive über den 10. Januar hinaus gebraucht wird. Zu weit gehende Versprechungen oder Agieren auf zu kurze Sicht sind nicht die richtigen Wege. Es gibt verschiedene Szenarien, auf die man sich vorbereiten kann.”
Sachsen hatte sich in den vergangenen Tagen zum bundesweit größten Hotspot der Pandemie entwickelt. Über das Wochenende stieg die Zahl der nachgewiesenen Infektionsfälle um 5810 auf insgesamt 71.320. Inzwischen sind 1298 Todesfälle zu beklagen. Die Landkreise Bautzen (500,7) und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (508) übersprangen nach Angaben des Robert Koch-Institutes wieder die Marke von 500 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen. Bundesweit hatte lediglich der Landkreis Regen in Niederbayern am Dienstag mit 578,7 einen höheren Inzidenzwert. Für ganz Sachsen wies das Robert Koch-Institut am Dienstag eine Sieben-Tage-Inzidenz von 319 aus, bundesweit waren es 147.
Mancherorts in Sachsen gibt es keine Intensivbetten mehr
2492 Menschen befinden sich derzeit in Sachsen mit einer Covid-19-Diagnose im Krankenhaus, davon 458 auf der Intensivstation. Manche Krankenhäuser sind bereits an der Belastungsgrenze angelangt. “Die Situation in den Krankenhäusern ist nicht nur angespannt, sondern extrem gefährlich”, erläuterte Kretschmer. Mancherorts gebe es keine Intensivbetten mehr. Daher habe das Kabinett entschieden, “dass wir dieses Land zur Ruhe bringen müssen. Es ist die einzige Möglichkeit, um das Infektionsgeschehen zu stoppen.”
Kretschmer hatte die Sachsen bereits in den vergangenen Tagen auf neue Einschränkungen eingestimmt. Allerdings wollte das Kabinett mit neuen Entscheidungen noch ein paar Tage warten, um die Entwicklung weiter zu beobachten. Offenkundig war der Druck der Zahlen am Ende zu groß. Kretschmer hatte am Montag zugesagt, zunächst ein Einvernehmen mit dem Landtag, der kommunalen Ebene sowie der Wirtschaft und gesellschaftlichen Gruppen herzustellen. Den Katastrophenfall – so wie in Bayern inzwischen verkündet – sah Kretschmer indes für Sachsen nicht.
Sachsen hatte den Schul- und Kitabetrieb nach dem Frühjahrs-Lockdown als erstes Bundesland ab April wieder aufgenommen – und dafür die Abstandsregel im Unterricht gekippt. Das sächsische Kultusministerium setzte dabei auf ein Konzept, das “gemeinsam mit Infektiologen und Kinderärzten der Kliniken in Dresden und Leipzig” entwickelt worden war, wie es hieß.
Das sächsische “Kohortenprinzip” wurde zum Vorbild für den Schulbetrieb in Deutschland – zu früh?
“Wir können von den Vorgaben, Abstand zu halten und Kleingruppen zu bilden, abrücken, wenn wir die Klassen und Gruppen strikt trennen”, so erklärte Kultusminister Christian Piwarz (CDU) seinerzeit. Dieses sogenannte “Kohorten-Prinzip” wurde zum Vorbild: Die Kultusministerkonferenz – und damit alle Bundesländer – hat es übernommen, möglicherweise zu früh. Das Robert-Koch-Institut zählt mittlerweile Hunderte von Ausbrüchen an Kitas und Schulen in Deutschland. (News4teachers berichtete ausführlich über die Daten des Robert-Koch-Instituts zum Schulbetrieb.) News4teachers / mit Material der dpa