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Gebauer will Präsenzunterricht nach dem 31. Januar – teilweise jedenfalls. Wissenschaftler warnen: In Schulen finden Infektionen statt

DÜSSELDORF. Obwohl Bund und Länder derzeit um eine Verschärfung des Lockdowns ringen, will die nordrhein-westfälische Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) die Schulen zügig wieder öffnen – teilweise jedenfalls. „Eine schlichte Fortsetzung des Distanzunterrichts in seiner jetzigen Form ist nach dem 31. Januar schwer vorstellbar“, sagte sie in einem Interview mit der „Rheinischen Post“. In welcher Form dann Präsenzunterricht erteilt werde und mit welchen Anteilen „müssen wir dann sehen“. Wissenschaftler der Universität des Saarlands haben unterdessen errechnet, dass der bundesweit angestrebte Inzidenzwert von 50 frühestens Mitte Februar zu erreichen ist – aber nur dann, wenn die Schulen geschlossen blieben.

NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) bei ihrer letzten Pressekonferenz am 6. Januar. Foto: Land NRW

„Wir müssen wieder Türen öffnen für das soziale Miteinander und für mehr Anwesenheitszeiten von Schülerinnen und Schülern in den Schulen“, sagt Gebauer im heute erschienenen Interview. „Wenn es zu Lockerungen kommt, sind die Schulen von Anfang an dabei.“ Gebauer betonte, dass es „beim Präsenzunterricht als oberstem Ziel“ bleibe. Aber: „Nicht um jeden Preis.“

Gebauer: „Die Situation in NRW ist ernst. Wir müssen vorsichtig sein und konsequent handeln. Die Intensivstationen laufen voll, die Sterbezahlen sind hoch. Hinzu kommt die Unsicherheit, wie ansteckend das mutierte aus Großbritannien ist. In dieser Situation muss auch Schule einen Beitrag zur notwendigen Kontaktreduktion leisten, es war aber gut und richtig, dass wir so lange Präsenzunterricht für stets mehr als 95 Prozent der Schülerinnen und Schüler hatten.“ Bemerkenswert: Den Satz „Die Schulen sind keine Treiber der Pandemie“ wiederholt sie nicht.

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NRW lehnt die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für die Schulen nach wie vor ab

Wie kann nach ihrer Vorstellung die Rückkehr in den Präsenzunterricht aussehen? „Das kann ein rollierendes Verfahren wie nach den Osterferien im vergangenen Jahr sein, als die Jahrgangsstufen abwechselnd unterrichtet wurden, aber auch andere Wechselmodelle sind möglich. Das werden wir mit den Schulleitungen, Eltern, Lehrern und Schülern ebenfalls erörtern“, erklärt die NRW-Schulministerin. Entscheidungen würden „in Anbetracht des Infektionsgeschehens“ getroffen. Was das konkret bedeutet, sagt sie nicht. Nordrhein-Westfalen lehnt – wie alle anderen Bundesländer – die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für den Schulbetrieb ab, ab einem Inzidenzwert von 50 grundsätzlich in den Wechselunterricht überzugehen, um die Abstandsregel einführen zu können. Zusätzlich, so das RKI, sollte eine Maskenpflicht im Unterricht aller Jahrgänge gelten.

Der von Politikern verfolgte Zielwert bei Corona-Neuinfektionen für ein Lockdown-Ende wird nach Berechnungen des Saarbrücker Pharmazie-Professors Thorsten Lehr Ende Januar wohl nicht erreicht. «Die Chance ist extremst gering bis nicht vorhanden», sagte Lehr der in Saarbrücken. Er ging davon aus, dass die angestrebte Rate von 50 bei Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner in sieben Tagen frühestens Mitte Februar möglich sei. «Und das wäre eine optimistische Vorhersage.»

“Wir sehen an unseren Daten, dass Schulschließungen einen großen Effekt haben”

Der Professor für Klinische Pharmazie an der Universität des Saarlandes hat mit seinem Forscherteam einen «Covid-Simulator» entwickelt, der das Infektionsgeschehen in Deutschland berechnet und Prognosen liefert: für ganz Deutschland, die einzelnen Bundesländer bis hin auf Landkreisebene. Er kann auch online genutzt werden: In den vergangenen zwei Monaten wurde die Seite fast eine Million Mal aufgerufen, wie er sagte.

Die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz lag am Freitag bundesweit laut Robert Koch-Institut bei 146. «Momentan ist eigentlich kein Absinken in Sicht», sagte Lehr. «Es stagniert vielmehr.» Wegen Nachmeldungen aufgrund der Feiertage gebe es immer noch gewisse Unklarheiten bei den Zahlen. Festzustellen sei aber, dass die derzeitigen Maßnahmen «nicht so greifen».

Dabei brauche es auch angesichts der neuen drohenden Virusvarianten, die durch Mutationen entstanden und hochansteckend sind, «dringend eine Reduktion des Infektionsgeschehens», sagte er. Die neuen Mutante zum Beispiel aus Großbritannien könnte den R-Wert sprunghaft um 0,5 nach oben schnellen lassen. «Dann würden viele Maßnahmen auf einen Schlag weggewischt. Und da zeigt sich dann: Je weiter wir unten sind, desto besser können wir die Ausbreitung bremsen.»

Lehr tritt für einen Wert von 25 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche ein, ab dem Lockerungen möglich werden könnten. Die Politik orientiert sich bisher an der Marke von 50. Eine Rückkehr zum Schulalltag sieht Lehr kritisch. «In den Schulen finden Infektionen statt.» Viele Kinder durchliefen die Krankheit asymptomatisch. «Wir sehen an unseren Daten, dass Schulschließungen einen großen Effekt haben.» Das liege aber nicht nur daran, dass die Institution zumache, sondern auch weil der Weg dorthin in Bus, Bahn oder zu Fuß wegfalle. News4teachers / mit Material der dpa

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