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Schul-Chaos: Hin und Her beim Unterricht für Abschlussklassen – Opposition nennt Bildungsministerin Prien eine „Märchentante“

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KIEL. Wie sinnvoll ist es, ausgerechnet die Abschlussklassen – und damit Schüler einer Altersgruppe, die durchaus hohe Infektionsraten aufweist – für Präsenzunterricht in die Schulen zu holen? Für die GEW ein Unding. Kultusminister fürchten dagegen, dass Eltern auf die Barrikaden gehen, wenn die Prüfungen schlecht auszufallen drohen. In Schleswig-Holstein hat der Streit jetzt zu einem wilden Durcheinander geführt. Erst hieß es: In Januar findet nur Distanzunterricht statt. Dann: Die Abschlussklassen haben aber Präsenzunterricht. Jetzt heißt es: Sie haben „einen Präsenzanteil“ – der sich aber auch in Distanz wahrnehmen lasse. Die Landtags-Opposition nennt die dafür verantwortliche Bildungsministerin Prien „eine Märchentante“.

In der Kritik: Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien. Foto: Frank Peter / Staatskanzlei Schleswig-Holstein

Seit Tagen gibt es Aufregung um die Vorgaben des schleswig-holsteinischen Bildungsministeriums zum Ausmaß und zur Gestaltung des Präsenzunterrichts in den Abschlussklassen. Klar ist: Für die anderen Jahrgänge ist der Präsenzunterricht bis Ende Januar wegen der Corona-Ausbreitung ausgesetzt. Aber was gilt für die Schüler, die vor Abschlussprüfungen stehen?  Wörtlich hieß es in einer Pressemitteilung in der vergangenen Woche: „Alle Schülerinnen und Schüler, die im Schuljahr 2020/21 an Abschlussprüfungen teilnehmen (Schülerinnen und Schüler aus den 9. und 10. Klassen an Gemeinschaftsschulen und (Landes-)Förderzentren sowie der Abiturjahrgänge), erhalten Präsenzunterricht unter Beachtung der Hygieneregeln und Einhaltung des Abstandsgebots, entweder in entsprechend großen Räumen (z.B. Aula, Sporthalle) oder durch Aufteilung großer Lerngruppen auf mehrere Räume.“

Die GEW kritisierte, dass die Klassen doch wieder zusammensitzen sollen und Unterricht nach dem Stundenplan erfolge solle

Die GEW empörte sich. Sie kritisierte, dass die Klassen doch wieder zusammensitzen sollen und Unterricht nach dem Stundenplan erfolge solle. Bildungsministerin Karin Prien (CDU) wiederum sprach daraufhin von Missverständnissen in den Schulen und betonte, dass es für die Fächer der Stundentafel einen Präsenzanteil in Kleingruppen mit Maskenpflicht und Abstand geben solle. «Stundentafel heißt aber nicht Stundenplan», sagte die Bildungsministerin. Das verstand nicht jeder.

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Am Montagabend dann versuchte sich das Ministerium in einem Brief an die Schulleitungen mit einer Klarstellung. Darin heißt es: „Die Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen sollen also nach Stundentafel (nicht Stundenplan) und gemäß den Fachanforderungen unterrichtet werden. Da das in den Schulen unterschiedlich gut abbildbar ist, kann dies sowohl im Rahmen von Präsenzunterricht als auch in Distanzlernformaten geschehen. Es muss jedoch sichergestellt werden, dass Präsenzunterricht wahrgenommen werden kann, insbesondere von den Schülerinnen und Schülern, die zu Hause nicht ausreichend gute Lernumgebungen haben. Die Schulen haben die organisatorische Flexibilität, um die Stundenplanung mit Blick auf die Prüfungen vorzunehmen.“

“Natürlich kann man nicht erwarten, dass der Unterricht so stattfindet, als würde es keine Pandemie geben”

Alles klar? Offenbar noch immer noch nicht jedem. Prien wiederum schob ein Statement hinterher. «Natürlich kann man nicht erwarten, dass der Unterricht so stattfindet, als würde es keine Pandemie geben. Das haben wir auch den Schulen deutlich gemacht und sind dazu im Austausch mit Lehrerverbänden, Schüler- und Elternvertretungen. Schulen setzen die Präsenzanteile ganz unterschiedlich um; als Blockunterricht, im Wechsel oder mit allen Schülerinnen und Schülern gleichzeitig und auf mehrere Räume aufgeteilt. Wichtig ist, dass es neben Anteilen im Lernen auf Distanz auch für alle Fächer einen Präsenzanteil gibt. Insbesondere den Schülerinnen und Schülern der Abschlussjahrgänge, die zuhause keine gute Lernumgebung haben, muss das Angebot gemacht werden, Räume und technische Geräte in der Schule zu nutzen, um so eine gute Prüfungsvorbereitung zu ermöglichen.»

«Mit Ach und Krach hat das Bildungsministerium gerade noch einmal die Kurve gekriegt», so kommentiert GEW-Landesgeschäftsführer Bernd Schauer das Hin und Her. «Unser Beharren auf bessere Regelungen hat sich gelohnt.» Die ganze Aufregung hätte das Ministerium den Schulen allerdings ersparen können, wenn es den Schulen von vornherein die notwendigen Handlungsspielräume eröffnet hätte. Die Schulen erhalten laut Schauer jetzt doch mehr Flexibilität für den Unterricht in den Abschlussklassen. Sie könnten sich im Präsenzunterricht stärker auf die Prüfungsfächer konzentrieren. Das sei sehr wichtig, weil nicht so viele Schüler gleichzeitig in die Schulen kämen. «Für Gemeinschaftsschulen mit Oberstufe bedeutet das zum Beispiel: Der 9., 10. und 13. Jahrgang – das können bis zu 400 Schülerinnen und Schüler sein – müssen nicht mehr zeitgleich Präsenzunterricht nach Stundenplan erhalten. Das reduziert das Infektionsrisiko aller an Schule Beteiligten erheblich.»

Auch an Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufen und Gymnasien gebe es diesen positiven Effekt. Um ein solches Durcheinander in Zukunft zu vermeiden, sei dem Ministerium sehr ans Herz gelegt, Gewerkschaften und Personalrat bei der Erarbeitung des angekündigten Stufenplans für den Unterricht in Coronazeiten zu beteiligen.

“Eine Ministerin sollte in der Lage sein, das Handeln ihres Hauses  vorauszusagen  – wenigstens für wenige Stunden”

Als «Märchentante» kritisierten SPD und SSW die Bildungsministerin wegen ihrer Informationspolitik. Die Ankündigungen der Ministerin im Landtag «stimmen nicht einmal für denselben Tag mit den Handlungen ihres Ministeriums überein», kritisierten die beiden Oppositionsfraktionen am Mittwoch in Kiel in einer gemeinsamen Pressemitteilung. «Wir wollen nicht eine Märchentante, die irgendetwas erzählt, sondern eine Ministerin, die in der Lage ist, das Handeln ihres Hauses zu bestimmen oder wenigstens für wenige Stunden vorauszusagen und zu erklären.»

Das neue Jahr habe für die Schulen mit neuen Informationen des Bildungsministeriums zur Corona-Lage an den Schulen begonnen – und zwar jeden Tag mit einer anderen, lästerte der SPD-Bildungsexperte Martin Habersaat. «Das ist den Schulen nicht länger zuzumuten.» Habersaat nannte es peinlich, dass die Ministerin den Unterschied zwischen «Stundenplan» und «Unterricht gemäß Stundentafel im Rahmen der vor Ort üblichen Zeitstruktur» zu erklären versucht habe. Und die SSW-Landtagsabgeordnete Jette Waldinger-Thiering befand: «Die Schulen dürfen nicht täglich mit neuen Hüs uns Hotts drangsaliert werden.»

Über das Ausmaß des Präsenzunterrichts in den Abschlussklassen trotz der Corona-Pandemie war zuvor hitzig gestritten worden. Während SPD, SSW und die GEW nicht verantwortbare und unnötige Infektionsrisiken kritisierten, verteidigte Prien (CDU) noch am Montag das ursprünglich geplante Vorgehen. Am Präsenzunterricht für Abschlussklassen an Schleswig-Holsteins Schulen während des Corona-Lockdowns werde festgehalten, sagte sie.

Die Gewerkschaft hatte zuvor kritisiert, der Präsenzunterricht sorge an vielen Schulen für Ärger und Durcheinander. «Es ist mehr als bedauerlich, dass das Bildungsministerium weiter an seinem unsinnigen Kurs festhält», sagte die GEW-Landesvorsitzende Astrid Henke. Der Ministerin würde «kein Zacken aus der Krone brechen, wenn sie die vielstimmige Kritik von GEW, Personalräten und Schulleitungen beherzigen würde». Es gebe keinen Grund, alle Schüler aus den Abschlussklassen gleichzeitig in allen Fächern in den Präsenzunterricht zu zwingen. News4teachers / mit Material der dpa

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