BERLIN. Mit der Corona-Pandemie hat der digitale Unterricht Fahrt aufgenommen. Doch inzwischen nutzen so viele Lehrer und Schüler Videoschalten, dass es teils zur Überlastung kommt. Die funktionierenden Angebote US-amerikanischer Konzerne sehen Datenschützer kritisch. Warum gibt es noch immer keine Positiv-Liste von Lösungen, mit denen Schulen bedenkenlos arbeiten können?
Der Fall erhitzte im vergangenen Jahr in Berlin die Gemüter: Mit dem Corona-Lockdown im März hatte einer Berliner Grundschule die Schule ein Medienkonzept entwickelt, um Schülerinnen und Schüler aus der Ferne zu Hause unterrichten zu können. Bei der Recherche nach geeigneten Instrumenten sei die Schule zunächst auf die Anwendung „Lernraum Berlin“ gestoßen, so berichtet der rbb – eine Anwendung, die die Senatsverwaltung kostenfrei zur Verfügung stelle.
Das entnervte Kollegium der Grundschule stellte den digitalen Unterricht komplett ein
Allerdings habe die Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk gegen die Nutzung öffentlich Bedenken geäußert. Die Schule orientierte sich nach diesen Hinweisen um – und kam auf „Padlet“, eine Art digitale Pinnwand, sowie „Microsoft Teams“, ein Videokonferenz-Tool. Kurz darauf allerdings erhielt die Schulleitung Post von der Datenschutzbeauftragten. Inhalt: eine Verwarnung „wegen datenschutzwidriger Nutzung der Software“. Angeblich waren die Einwilligungserklärungen, die die Eltern hatten ausfüllen müssen, nicht korrekt. Ergebnis: Das entnervte Kollegium der Grundschule stellte den digitalen Unterricht komplett ein.
Ein grundsätzliches Problem. Nach wie vor stehen Schulen vor dem Problem, geeignete Tools für ihren Online-Unterricht zu finden. Die meisten Landesregierungen bieten zwar Lösungen an. Allerdings häufen sich Klagen über Ausfälle und Überlastung dieser Systeme.
Das Thüringer Bildungsministerium würde deshalb gern auch Videokonferenzsysteme in Betracht ziehen, deren Server in den USA stehen. Schließlich wird in Bundesländern wie Baden-Württemberg oder Bayern auch Software von US-amerikanischen Anbietern verwendet. Thüringens oberster Datenschützer Lutz Hasse warnt jedoch davor, auf Produkte zurückzugreifen, die über Server in den USA laufen. «Bestimmte Systeme sind aus meiner Sicht kritisch zu sehen, wenn sie ihre Server in den USA stehen haben und dort Daten verarbeitet werden», sagt er.
“Die Videokonferenzsysteme und Plattformen können von den Schulen frei genutzt werden – aber…”
Schulen seien zwar nicht an die Verwendung von nur einer Lernplattform gebunden. Hasse: «Die Videokonferenzsysteme und Plattformen können von den Schulen frei genutzt werden. Allerdings müssen sich die Schulen für datenschutzkonforme Systeme entscheiden.» Er weist auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom Juli hin, das die EU-US-Datenschutzvereinbarung «Privacy Shield» für nichtig erklärte. In der «Privacy Shield» wurde geregelt, dass Unternehmen personenbezogene Daten unter bestimmten Schutzvorkehrungen von EU-Ländern in die USA übermitteln dürfen. «Diese Rechtsgrundlage ist entfallen», sagte Hasse. Zwar könnten Schulen Einwilligungen von volljährigen Schülern und von Eltern minderjähriger Schüler einholen. Doch dann müssten die Schulen diese Schüler und Eltern umfassend aufklären, was mit den Daten passiert. Es sei fraglich, ob dies in jedem Fall auch gelinge.
«Wir empfehlen die Produkte, die hier in Thüringen vom Land angeboten werden», sagt Hasse. Daran gebunden seien Schulen aber nicht. «Bei der Auswahl sind die Schulen frei. Aber wer frei ist, der muss eben auch entscheiden können – und das ist oft nicht ganz so einfach», sagt Hasse. Einen Kriterienkatalog hat der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Ulrich Kelber, herausgegeben (hier geht es hin). Das Problem: Eindeutige Antworten, die Schulen in der Praxis wirklich helfen können, liefert das Papier nicht. Die Berliner Datenschutzbeauftragte hat unterdessen Videokonferenz-Dienste gecheckt – und eine Liste von Angeboten herausgegeben. Das Problem hier: Kein einziger der geprüften Dienste wird uneingeschränkt empfohlen.
Dabei gibt es laut ihrem Thüringer Kollegen durchaus Alternativen, die datenschutzkonform seien. Wäre schön, wenn die jemand mal den Schulen vorstellen würde. News4teachers / mit Material der dpa