BERLIN. Auf dem gestrigen Impfgipfel von Bund und Ländern ist darüber beraten worden, Lehrer und Erzieher in der Priorisierung vorzuziehen – und: Der Vorschlag wurde verworfen. Dies berichtete Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) im Anschluss an die Videokonferenz. Der Philologenverband hatte kurz zuvor gefordert, Lehrkräfte nicht ungeimpft wieder in den Präsenzunterricht zu schicken.
Ministerpräsident Haseloff hatte zusammen mit seinen Amtskollegen von Bund und Ländern gestern beim sogenannten Impfgipfel über die derzeitige Lage und neue Strategien beraten und sich von den Impfstoffherstellern informieren lassen. Dabei ging es auch darum, die Reihenfolge zu ändern, in der bestimmte Risiko- und Berufsgruppen geimpft werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte angekündigt, die Impfordnung anpassen zu wollen. Hintergrund ist der neu zugelassene Wirkstoff von Astrazeneca, der vor allem an Erwachsene bis 65 Jahre verabreicht werden soll. Bisher werden nur Menschen der höchsten Priorität geimpft: Menschen über 80 und Beschäftigte in Pflegeheimen und Kliniken.
Bildungsminister: “Für eine Stabilisierung des Systems ist es wichtig, in den Schulen geimpftes Personal zu haben”
Bildungsminister Marco Tullner hatte mit Blick auf das Bund-Länder-Treffen gefordert, Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher bei der Impfung gegen das Coronavirus zu bevorzugen. Für eine Stabilisierung des Systems sei es wichtig, in den Schulen geimpftes Personal zu haben, sagte der CDU-Politiker. Auch andere Politiker – darunter FDP-Bundesvorsitzender Christian Lindner – hatten sich für eine höhere Priorität für die Beschäftigten in Schulen und Kitas ausgesprochen.
Regierungschef Haseloff erteilte diesen Wünschen zunächst eine Absage. Frühzeitige Impfungen von Lehrkräften seien beim «Impfgipfel» diskutiert worden, sagte der 66-Jährige. Die Impfkommission lege die Impfreihenfolge jedoch nach dem Risiko fest, schwer an Covid-19 zu erkranken und nicht an der Kontaktdichte und dem damit verbundenen Ansteckungsrisiko. Das Land müsse sich an die Bundesregeln halten. Auch Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne verwies darauf, dass die bevorzugten Impfkandidaten in einer Bundesverordnung festgelegt sind. Sollte diese so geändert werden, dass Berufsgruppen wie etwa Polizisten eine höhere Priorität bekämen, werde sie sich dafür einsetzen, dass auch das pädagogische Personal hochgestuft wird, sagte die SPD-Politikerin.
„Der gesellschaftlich-politische Druck, die Schulen zu öffnen, ist massiv”
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) erklärte nach dem Gipfel mit Blick auf den verfügbaren Impfstoff: „Man muss ehrlicherweise, Stand heute, sagen: Es wird im ersten Quartal knapp bleiben.“ Die Erwartungen der Menschen könnten hier noch nicht zu 100 Prozent erfüllt werden, weil die Produktion – das sei in der Runde am Montag deutlich geworden – eben nicht beliebig erweiterbar sei. Ab dem zweiten Quartal werde dann so viel Impfstoff zur Verfügung stehen, dass es „in großen Schritten“ vorangehe, zeigte sich Müller überzeugt. Dass der Corona-Impfstoff im ersten Quartal so knapp sei, sei bedauerlich. Gleichwohl gelte: „Es ist ein Glücksfall, dass wir überhaupt diese Impfstoffe zur Verfügung haben.“ Und es sei nach wie vor „spektakulär“, dass dies in einer internationalen Anstrengung gelungen sei. „Es bleiben angespannte Wochen, die vor uns liegen, aber es werden auch entspannte Wochen auf uns zukommen.“
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigte nach dem „Impfgipfel“ das Ziel, allen Bundesbürgern bis zum Ende des Sommers am 21. September ein Impfangebot zu machen.
Philologen: Ohne schnelleres Impfangebot erst einmal kein voller Präsenzunterricht möglich
Auch der Deutsche Philologenverband setzt sich für ein schnelleres Impfangebot an Lehrkräfte ein. „Nur so können wir tatsächlich in den Präsenzunterricht zurückkommen, wenn es das Infektionsgeschehen zulässt“, mahnte die Verbandsvorsitzende Susanne Lin-Klitzing am gestrigen Montag noch vor dem Impfgipfel. „Der gesellschaftlich-politische Druck, die Schulen zu öffnen, ist massiv. Dem trägt die jetzige Berücksichtigung der Lehrkräfte erst in der dritten von drei prioritären Kategorien zeitlich nicht ausreichend Rechnung. Deshalb fordert der Deutsche Philologenverband die Bundesregierung auf, Lehrkräften zu ermöglichen, geimpft zu werden, bevor sie von ihren Kultusministern wieder in den vollen Präsenzunterricht geschickt werden“, so Lin-Klitzing. News4teachers / mit Material der dpa