DÜSSELDORF. Die Probeläufe mit den Selbsttests von Schülern kurz vor den Osterferien haben gezeigt: Eine nennenswerte Zahl von Eltern lehnt das Procedere in den Schulen ab. Politiker bringen deshalb bereits eine Testpflicht ins Gespräch. Dabei haben viele Väter und Mütter gute Gründe. Einen Ausweg könnte das sächsische Modell bieten. Das sieht zwar eine Testpflicht vor. Die kann aber auch zu Hause erfüllt werden. Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen.
Freiwillig oder verpflichtend, ein- oder zweimal pro Woche, zu Hause oder in der Schule: Jedes Bundesland hat seine eigenen Regeln bei den Corona-Selbsttests für Schüler.
In Nordrhein-Westfalen beispielsweise ist ein Test pro Schüler und Woche vorgesehen. Dort gilt laut Schulministerium: „Die Testungen finden in den Räumen der Schule an den von der Schule festzulegenden Tagen möglichst zu Beginn des Unterrichtes mit den im Präsenzunterricht anwesenden Schülerinnen und Schülern statt. Sie werden vom schulischen Personal – insbesondere den Lehrerinnen und Lehrern – beaufsichtigt. Grundsätzlich sollen alle Schülerinnen und Schüler an den Testungen teilnehmen, die Eltern bzw. volljährige Schülerinnen und Schüler können dieser jedoch mit einer entsprechenden Erklärung dem Testangebot bzw. der Testdurchführung widersprechen.“
„Zu viele Testverweigerer führen das gesamte System der Testungen von Schülern ad absurdum“
Und das ist keine Seltenheit. „Es hat sich herausgestellt, dass circa 20 Prozent der Eltern ihren Kindern keine Einwilligung geben, in der Schule bei den Selbsttests mitzumachen. Das führt das gesamte System der Testungen ad absurdum“, sagt Andreas Bartsch, Präsident des NRWL. Der nordrhein-westfälische Lehrerverband (NRWL) hält bei den Selbsttests in Schulen eine Testpflicht für alle Schülerinnen und Schüler für notwendig – und zwei Selbsttests pro Woche.
Die Selbsttests für Schülerinnen und Schüler können nach Ansicht des Verbands zudem nicht allein von Lehrkräften durchgeführt werden. „Wir fordern von der Landesregierung, die Aufsicht über Corona-Selbsttests von Schülerinnen und Schülern in die Hände der Eltern oder von medizinisch geschultem Personal zu geben“, betont Bartsch. Denn das Verfahren in den Klassenräumen sei heikel. „Alle nehmen für den Selbsttest natürlich im Klassenraum die Maske runter, einige brauchen sogar Unterstützung beim Einführen der Teststäbchen in die Nase. Die Lehrkräfte müssen zudem das gebrauchte Testmaterial in Mülltüten entsorgen, obwohl sie selbst noch nicht durch Impfungen geschützt sind“, kritisiert Bartsch.
Tatsächlich ist es ein Problem, wenn jeder fünfte Schüler sich nicht an den Tests beteiligt. Grundsätzlich gilt, wie ein Team um den Mobilitätsforscher Prof. Kai Nagel von der Technischen Universität Berlin im (auf Berlin bezogenen) Modus-Covid-Bericht festhält: „Unsere Simulationsergebnisse zeigen, dass wöchentliches Testen aller Schülerinnen und Schüler einen starken infektionsreduzierenden Effekt hat.“ Eine Erhöhung der Testfrequenz auf zweimal pro Woche würde die Wirkung den Wissenschaftlern zufolge tatsächlich nahezu verdoppeln. „An dieser Stelle muss jedoch betont werden, dass die deutliche Wirkung der Schnelltests nur eintritt, wenn erstens jede Schülerin / jeder Schüler das Angebot wahrnimmt und zweitens bei einem positiven Testergebnis sofort in Quarantäne geht. Hier sind also eine hohe Beteiligungsrate und Disziplin notwendig.“
„Wenn einige glauben, dass das nur für die anderen nötig ist, dann wird der Schulsenator sagen, dass der Test verpflichtend ist“
In Baden-Württemberg denkt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) deshalb bereits laut über eine Testpflicht für Schüler nach. Das niedersächsische Kultusministerium verlautete, es werde noch geprüft, ob die Testung nach den Osterferien ein Angebot oder verpflichtend werden.
Auch in Hamburg könnte die Testpflicht kommen. „Wenn einige glauben, dass das nur für die anderen nötig ist, dann wird der Schulsenator zur Not sagen, dass der Test verpflichtend ist“, sagt Bildungssenator Ties Rabe (SPD), von sich in der dritten Person sprechend, laut „Hamburger Morgenpost“. An der ersten Runde der Schnelltests an den Schulen der Hansetadt in der vergangenen Woche haben 84 Prozent der anwesenden Schüler teilgenommen. „Die Beteiligungsquote ist erfreulich hoch“, befand Rabe. Ziel sei aber, dass sich deutlich über 90 Prozent aller Schüler zweimal pro Woche testen ließen.
Wie wichtig die Teilnahme ist, belegt das Ergebnis der ersten Testrunde: 111 Schnelltests zeigten ein positives Ergebnis – läge die Quote unter den Verweigerern ebenso hoch, wären allein in dieser Testrunde 20 potenziell positive Testergebnisse unentdeckt geblieben.
Allerdings ist eine Testpflicht in der Schule extrem heikel. Eine Abfrage unter den Eltern habe ergeben, dass ein „nicht unerheblicher Teil die Tests nicht will“, so erklärte der Schulamtsdirektor des bayerischen Landkreises Dachau, Albert Sikora, dem „Merkur“. An manchen Schulen betrage der Anteil der Kinder, deren Eltern Widerspruch einlegten, gar 40 Prozent. Im Schulamt seien „übelste Mails“ eingegangen, manche Eltern hätten gar mit einer Klage gedroht. Das Thema, seufzt der Schulamtsdirektor, sei „hoch emotional“.
Und viele Eltern haben dafür gute Gründe. Testungen in der Schule könnten „nie und nimmer hygienische Bedingungen erfüllen, da die Masken dafür abgenommen werden müssen“, sagt der Vorsitzende des Bayerischen Elternverbands Martin Löwe laut „Süddeutscher Zeitung“. Infizierte Kinder hätten vor dem Test Kontakt mit anderen und könnten sie anstecken. Zudem fürchteten einige Befragte Diskriminierung, wenn es öffentlich zu einem positiven Testergebnis komme und ein Kind nach Hause gehen müsse. Manche Eltern jüngerer Kinder lehnten die Tests in der Schule auch deswegen ab, wenn Abstriche durch unbekannte Personen in einer nicht vertrauten Umgebung durchgeführt würden.
Auch in Niedersachsen regt sich Widerstand dagegen, dass sich Schüler in der Schule selbst testen müssen. Die Durchführung der Tests gehöre in die häusliche Umgebung, fordert die Arbeitsgemeinschaft der Elternräte laut Redaktionsnetzwerk Deutschland. Sie plädiert dafür, dass die Schulen Testkits für zu Hause zur Verfügung stellen oder anstelle der Lehrer medizinisches Personal einsetzen, um Ansteckungen und Verletzungen zu vermeiden.
In Sachsen gibt es verpflichtende Tests bereits – allerdings nicht zwingend in der Schule. Im Freistaat gilt: Personen der Zutritt auf das Schulgelände untersagt, wenn sie kein negatives Testergebnis nachweisen können. Der Test darf längstens drei Tage, bei Schülern eine Woche alt sein. Ein Selbsttest ist noch unmittelbar nach Betreten des Geländes möglich. Ausgenommen von dieser Regelung sind Grundschüler.
Zwar gibt es auch in Sachsen Ärger. Das sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG), das von Eltern angerufen worden war, musste sich mit der entsprechenden Regelung in der Corona-Schutzverordnung beschäftigen. Es erklärte sie für rechtmäßig. Die Tests berührten nicht den Schutzbereich des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit und die verbundenen Eingriffe seien auch verhältnismäßig, teilte das OVG vergangene Woche mit.
„Damit verschaffen Sie hartnäckigen Testverweigerern einen Triumph, öffnen ihnen den Zugang zur Schule“
Das Verfahren war offenbar politisch motiviert. Denn es ist für widerspenstige Eltern in Sachsen eigentlich ein Leichtes, die Testpflicht zu umgehen, wie der Sächsische Lehrerverband (SLV) kritisiert. Es genügt nämlich auch, wenn die Eltern auf einem Formular des Ministeriums bestätigen, dass ihre Kinder negativ getestet wurden. „Damit verschaffen Sie hartnäckigen Testverweigerern einen Triumph, öffnen ihnen den Zugang zur Schule und setzen Schüler und Lehrkräfte einem unnötigen Risiko aus!“, so heißt es in einem Brief des SLV an Kultusminister Christian Piwarz (CDU). Der hatte die sogenannte Selbstauskunft zuvor verteidigt. Man wolle nicht allen Familien mit Misstrauen begegnen. Sollte jedoch Missbrauch festgestellt werden, würde dies verfolgt.
Aber: Das scheint tatsächlich bei nur wenigen Eltern nötig zu sein. Laut Ministerium haben in der vergangenen Woche im Freistaat lediglich 2.500 Schüler (von 146.000) den Test verweigert. News4teachers / mit Material der dpa
Drei Gründe, warum die Hoffnung auf Schnelltests unter Schülern trügerisch ist