DRESDEN. Pauken ist in diesen Tagen angesagt. Die Abiturienten in Niedersachsen haben gestern den Anfang gemacht, morgen starten die Prüfungen in Brandenburg sowie Hessen und am Freitag stehen für die Abiturienten in Sachsen die ersten Klausuren an. Vieles ist in der Corona-Krise anders. Vor allem die Sorge, dass Infektionen in der Prüfungsphase auftreten, treibt Lehrkräfte und Schüler um. Wie gehen die Betroffenen damit um?
Abitur in Pandemie-Zeiten: Bücher wälzen, Stoff wiederholen, lesen – die Prüfungsvorbereitung von Joanna Kesicka sieht nicht anders aus als die von Abiturienten in den vergangen Jahren. Und dennoch ist in diesem Jahr einiges anders. «Wir mussten uns zum Großteil selber kümmern», sagt die 19-Jährige aus Löbau. Im Dezember seien die Abiturienten mehrere Wochen zu Hause gewesen, auch danach mussten viele wegen Quarantäne am heimischen Schreibtisch lernen. «Das ist gerade für Prüflinge und Abiturienten tragisch.»
Am Freitag stehen für tausende Abiturienten in Sachsen die ersten Prüfungen im Fach Religion an – später folgen Fächer wie Deutsch (30. April) und Mathe (4. Mai).
«Wir haben es uns nicht ausgesucht, in der Pandemie Abitur zu machen. Dafür haben wir es gut gemeistert»
Das selbstständige Lernen ist vielleicht das Wichtigste, was die Abiturienten in der Corona-Krise gelernt haben, sagt Kesicka. Fragen wurden über Videos im Internet oder durch den Austausch mit Mitschülern geklärt, auch über Videokonferenzen mit Lehrern. «Das war gerade auf dem ländlichen Raum aber nicht immer an der Tagesordnung», sagt Kesicka, die auch Vorsitzende des Landesschülerrates ist.
Schulen und Kultusministerium wirft sie Versäumnisse bei der Digitalisierung vor. Im Sommer 2020 habe man es versäumt, sich auf die zweite Welle vorzubereiten. «Wir haben es uns nicht ausgesucht, in der Pandemie Abitur zu machen. Dafür haben wir es gut gemeistert.»
Der sächsische Lehrerverband sieht den Abiturjahrgang auch in Corona-Zeiten für die Prüfungen gerüstet. Es habe genügend Gelegenheiten zum Austausch mit den Lehrern über verschiedene Kanäle gegeben, sagt Verbandsvorsitzender Jens Weichelt. Die Abschlussklassen hätten bis auf wenige Wochen Präsenzunterricht gehabt. «Sie hatten eigentlich am wenigsten unter den Schulschließungen zu leiden.» Das Abitur sei «absolut vollwertig und anspruchsvoll» und werde entsprechende Anerkennung bei Universitäten und Unternehmen finden, so Weichelt. Er verwies zudem auf verschiedene Maßnahmen, die helfen sollen, die Nachteile und Schwierigkeiten für diesen Jahrgang auszugleichen.
So sieht das Kultusministerium für Abiturienten 30 Minuten mehr Zeit für sämtliche Prüfungen sowie das mögliche Ausweichen auf einen Zweittermin vor. Die Zweit- und Drittkorrekturen finden an der jeweiligen Schule statt. Das soll eine faire Benotung sichern, falls Inhalte coronabedingt nicht ausreichend behandelt werden konnten.
«Keine Frage, die Abiturienten hatten schwierige Lernbedingungen», sagte der Vorsitzende des sächsischen Philologenverbandes, Thomas Langer. Einen Grund, von einem «Corona-Jahrgang» zu reden, sieht er aber nicht. «Die Prüfungen finden alle statt, sind bundesweit anerkannt.» In den vergangenen Monaten hätten Schüler und Lehrer schon Erfahrungen mit Prüfungen unter Corona-Bedingungen sammeln können – mit Abstand, Desinfektion und Hygienekonzepten. Darauf könne nun im Abitur zurückgegriffen werden. Wenn die Tische weit genug auseinanderstehen, müssten die Abiturienten auch keine Maske während der Prüfung tragen, betonte Langer.
«Ungewissheit ist ein stetiger Begleiter dieses Abi-Jahrgangs»
Trotz allem: «Ungewissheit ist ein stetiger Begleiter dieses Abi-Jahrgangs», sagt etwa Abiturient Arthur Tritschel von der Dresdner Waldorfschule. Ungewissheit, unter welchen Bedingungen das Abitur stattfinde oder was etwa passiere, wenn man in der Prüfungszeit in Quarantäne gehen müsse. Auch die Frage, was danach passiere, treibe viele Abiturienten um. «Da geht auch der Ansporn etwas verloren, da viele kein Ziel haben, auf das sie hinarbeiten können», so der 19-Jährige.
Auch Joanna Kesicka ist ein wenig nervös, wenn sie an ihre erste Prüfung Ende April im Fach Deutsch denkt. Das Schlimmste wäre, sagt Kesicka, wenn die Prüfungen kurzfristig ausfielen. «Das darf nicht passieren.» Das Abitur wird in diesem Jahr anders sein, so Kesicka. «Wir sind ein Jahrgang, der einen Stempel bekommt, ein Corona-Jahrgang.» Dennoch ist es ein Abitur und ein Abschluss. Damit, sagt die 19-Jährige, fühlt sie sich gerüstet für Zukunft. Von Christiane Raatz, dpa
Zum zweiten Mal hat am Montag das Abitur in Niedersachsen unter Corona-Bedingungen begonnen – eine Testpflicht für die Schülerinnen und Schüler gibt es dabei nicht. Alles habe reibungslos geklappt und sei ohne Startschwierigkeiten losgegangen, hieß es etwa aus dem Gymnasium in Mellendorf in der Region Hannover. Die erste schriftliche Klausur mussten die Schülerinnen und Schüler im Fach Geschichte schreiben.
Rund 32.000 Prüflinge an mehr als 450 Schulen nehmen in diesem Jahr am Abitur in Niedersachsen teil. Am Dienstag steht Kunst auf dem Programm, am Mittwoch folgt Chemie. Mit den möglichen mündlichen Nachprüfungen zieht sich die Abi-Phase bis Ende Juni hin. Angesichts der andauernden Corona-Krise gelten strenge Hygieneregeln. Eine Testpflicht besteht zwar nicht, allerdings gab es den dringenden Appell, das Testangebot an Klausurtagen zu nutzen.
Das Abitur unter den erschwerten Bedingungen sei nach bisherigen Kenntnissen am ersten Tag gut angelaufen, hieß es am Montag aus dem Kultusministerium in Hannover. Dieser Eindruck beziehe sich sowohl auf die Organisation und Aufgabenstellung als auch auf den Appell, sich zu Hause auf eine mögliche Covid-19-Infektion zu testen, sagte ein Ministeriumssprecher.
«Wir sichern faire Prüfungen zu, keiner muss Nachteile wegen Corona befürchten»
In vergangenen Jahr waren die Abschlussprüfungen an Niedersachsens Schulen wegen der Pandemie um rund drei Wochen verschoben worden. Für dieses Jahr hatte die Kultusministerkonferenz der Länder beschlossen, dass die Abiturientinnen und Abiturienten in Deutschland ihre Prüfungen trotz der Pandemie ablegen sollen.
«Wir sichern faire Prüfungen zu, keiner muss Nachteile wegen Corona befürchten», hatte Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) vor dem Start betont. Er sprach von einem «möglichst normalen Weg des Endes der Schulkarriere», der auch der beste Weg sei, um einen Corona-Makel zu verhindern. Insgesamt schreiben die Schülerinnen und Schüler vier Prüfungen, davon drei in einem Fach auf erhöhtem Anforderungsniveau. Dazu kommt eine mündliche Prüfung.
Für die Entscheidung, das Abi trotz Corona durchzuziehen, gab es auch Kritik. «Die Prüflinge waren wohl noch nie so unterschiedlich vorbereitet wie 2021», sagte der Schülerratsvorsitzende Florian Reetz. Er forderte, dass darauf reagiert werden müsse, wenn Ergebnisse regional unterschiedlich ausfielen. Der Schulleitungsverband Niedersachsen (SLVN) warnte: Sollten in der Prüfungsphase Corona-Fälle auftreten, drohe ein inhaltlicher und juristischer Rattenschwanz. dpa
Dritte Welle – GEW: Abiturprüfungen notfalls ausfallen lassen