MÜNCHEN. Die Osterferien sind zu Ende; am Montag beginnt auch in Bayern der Unterricht wieder – allerdings zumeist in Distanz. Nur in wenigen Kommunen liegt der Inzidenzwert unter 100, dem Schwellenwert für die Notbremse also. Die Schüler, die in die Schule kommen dürfen, sollen sich selbst im Klassenzimmer auf Corona testen – wenn sie keinen frischen Test vorlegen können. Lehrerverbände und die SPD sehen darin eine Gefahr für gesunde Kinder.
In Bayern gibt es weiter Streit zwischen der Staatsregierung und den Lehrerverbänden über die richtige Corona-Strategie an den Schulen. Zum Ende der Osterferien hat Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) für die ab Montag geltende Testpflicht an den Schulen geworben. Sie sei angesichts steigender Corona-Infektionszahlen und ansteckenderer Mutationen «die Chance, Wechselunterricht und Präsenzunterricht aufrechterhalten zu können», sagte er in München.
Doch die Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Lehrerverbände (abl) kritisierte unterdessen nochmals, dass die Corona-Tests erst in der Schule stattfinden sollen. «Klassenzimmer sind keine Testzentren», sagte Walburga Krefting, die Vorsitzende der Katholischen Erziehergemeinschaft (KEG).
«Die Tests müssen von Fachpersonal oder den Eltern beaufsichtigt werden»
In der Arbeitsgemeinschaft sind neben der KEG der Bayerische Philologenverband (bpv), der Bayerische Realschullehrerverband sowie der Verband der Lehrkräfte an beruflichen Schulen zusammengeschlossen. Sie verlangen, dass die Corona-Tests außerhalb der Schulen – also zu Hause, in Testzentren, in Apotheken oder beim Arzt – durchgeführt werden. «Die Tests müssen von Fachpersonal oder den Eltern beaufsichtigt werden», sagte Krefting. Es sei sicherer, wenn nur negativ getestete Kinder in die Schulgebäude kämen.
Auch die SPD-Landtagsfraktion sprach sich gegen das Testen in den Klassenräumen aus. Sonst bestehe die Gefahr, dass bei einem positiven Testergebnis die ganze Klasse für zwei Wochen in Quarantäne müsse. «Es gilt, eine Massenquarantäne zu verhindern», sagte der SPD-Fraktionschef Horst Arnold. Die aktuelle Regelung sieht vor: Der oder die Betroffene muss sich «absondern», wie es im Behördendeutsch heißt – also zunächst in einem anderen Raum isoliert und – sofern möglich – von den Erziehungsberechtigten abgeholt oder nach Hause geschickt werden. Da ein positiver Selbsttest wegen der Fehlerquote nicht zwingend eine Infektion bedeutet, wird im Anschluss ein PCR-Test gemacht. Die negativ getesteten Klassenkameraden können im Normalfall vorerst weiter am Unterricht teilnehmen.
Wenn der Unterricht am Montag wieder losgeht, müssen sich alle Schülerinnen und Schüler unabhängig von der Infektionslage mindestens zwei Mal pro Woche selbst in der Schule testen oder einen aktuellen PCR- oder Schnelltest vorlegen. Allerdings gibt es ab einer Inzidenz von 100 in der Regel Distanzunterricht. Nachdem freitags der Stichtag ist, erfüllen laut Pizaolo für kommende Woche nur noch 25 Landkreise und Städte die Voraussetzung für Wechselunterricht. 71 Regionen, in denen 46 Prozent aller Schüler leben, verzeichnen über 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen einer Woche und bekommen daher mit wenigen Ausnahmen Distanzunterricht.
In Bayern gilt derzeit: Voller Präsenzunterricht, das heißt auch ohne Mindestabstand, darf ohnehin nur in den Grundschulen stattfinden, und das auch nur bei weniger als 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen einer Woche (was aktuell keine Kommune erreicht). Bei einer Inzidenz zwischen 50 und 100 gelten auch für Grundschüler die Mindestabstandsregeln, was wie in den anderen Jahrgangsstufen in der Regel zur Aufteilung der Klassen und zu Wechselunterricht führt.
Bei einem Wert von über 100 bekommen alle Distanzunterricht. Ausgenommen davon sind nur die Abschlussklassen aller Schularten, die vor dem Übertritt stehenden vierten Klassen sowie die elfte Jahrgangsstufe an Gymnasien und Fachoberschulen. Für sie gibt es Präsenzunterricht mit Mindestabstand oder eben Wechselunterricht.
Piazolo kündigte auch ein dreistufiges Verfahren an, um durch die Pandemie entstandene Lernrückstände auszugleichen. Spätestens nach den Pfingstferien sollen demnach Brückenkurse, Förderunterricht und Programme mit älteren Schülern als Tutoren starten.
In den Sommerferien soll es in Zusammenarbeit mit dem Landesjugendring wieder freizeitpädagogische Angebote geben. Außerdem sollen Referendare, Studierende und Volkshochschuldozenten zwei Wochen lang Lücken in Mathe, Deutsch und den Fremdsprachen schließen. Im nächsten Schuljahr gebe es dann stark individualisierte Förderungen, erläuterte Piazolo. Insgesamt seien für die Unterstützungsprogramme 20 Millionen Euro eingeplant.
Förderung für 12,50 Euro pro Schüler – «also weniger als in der Regel eine professionelle Nachhilfestunde kosten würde»
«Bei über 1,6 Millionen Schülern in Bayern sind das maximal 12,50 Euro pro Schüler – also weniger als in der Regel eine professionelle Nachhilfestunde kosten würde», bemängelte der bildungspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Matthias Fischbach. Seine Kollegin von den Grünen, Gabriele Triebel, warf Piazolo gar eine massive Kürzung der Mittel durch die Hintertür vor. Ursprünglich seien 55 Millionen Euro vorgesehen gewesen. «Klammheimlich wurde wieder einmal viel versprochen und dann radikal gekürzt.»
Hat wenigstens die Notbremse beim Schulbetrieb in Bayern Bestand? Daran bestehen unter Lehrkräften durchaus Zweifel. So fordern die Verbände der abl, am Stufenplan festzuhalten: „Auch wenn es jetzt flächendeckende Tests geben soll: Am Stufenplan muss festgehalten werden. Ganz im Gegenteil: Bei steigenden Inzidenzen fordern wir ein beherztes und konsequentes Vorgehen der Politik! Die schulische Testpflicht darf nicht als Begründung für vorschnelle Öffnungsphantasien herhalten – auch nicht für eine Lockerung der Maskenpflicht!“, meint Jürgen Böhm, Vorsitzender des Realschullehrerverbands.
Aus gutem Grund: Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte schon einmal – im Sommer – einen Stufenplan für den Kita- und Schulbetrieb entwickeln lassen. Der kam aber nie zur Anwendung: Zunächst wurden die Stufen, als zwei Wochen vor Schuljahresbeginn klar wurde, dass sie vielerorts erreicht würden, aufgeweicht. Im Herbst schließlich wurde der gesamte Stufenplan dann stickum beerdigt (News4teachers berichtete ausführlich über das Manöver – hier). News4teachers / mit Material der dpa