Ein Kommentar von News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek.
DÜSSELDORF. War da was? Vor einer Woche verkündete der CDU-Vorsitzende und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, dass die Kultusministerkonferenz ein gemeinsames Konzept für den Schulbetrieb nach den Osterferien verabschieden möge. Die KMK tagte gestern. Doch von einem gemeinsamen Konzept kann keine Rede sein. Nicht mal in NRW ist irgendein Konzept für den Schulbetrieb nach den Osterferien erkennbar. Das ist clownesk.
Der Beschluss der Kultusministerkonferenz ist an Armseligkeit kaum zu unterbieten. Sogar wenn man das Ergebnis nur an dem niedrigen selbstgesetzten Anspruch bemisst, das Treffen der für kommenden Montag anberaumten (mittlerweile allerdings abgesagten) Ministerpräsidentenkonferenz vorzubereiten, lässt sich das dürre Ergebnis der angeblich stundenlangen Videokonferenz auch getrost als Arbeitsverweigerung beschreiben.
„Den Ländern ist bewusst, dass auch der Lernort Schule sich nicht vom Pandemiegeschehen abkoppeln kann“
Was steht drin? Man ernennt sich selbst zu Sprechern „der“ Jugend (wörtlich: „Als Kultusministerinnen und Kultusminister sehen wir es als unsere Aufgabe, Kindern und Jugendlichen eine Stimme zu geben“) und weiß als solche natürlich, was „die“ Kinder und Jugendlichen in Deutschland wollen: Präsenzunterricht um jeden Preis. „Die Kultusministerkonferenz setzt sich daher dafür ein, Schulen so weit wie möglich prioritär offen zu halten“, wie es im entrückten KMK-Duktus der dritten Person heißt. „Den Ländern ist bewusst, dass auch der Lernort Schule sich nicht vom Pandemiegeschehen abkoppeln kann.“ Aha. Konsequenzen, die aus dieser Erkenntnis erwachsen? Keine. Abschlussprüfungen sollen stattfinden, Lernrückstände aufgeholt werden. Für Letzteres soll der Bund bezahlen. Ende der Durchsage.
Das ist grotesk angesichts der dramatischen Lage, in der sich die Schulen in Deutschland und Deutschland überhaupt befinden – und es ist eine solche Peinlichkeit für den CDU-Vorsitzenden Armin Laschet, dass der damit sämtliche Aussichten, Kanzler der Bundesrepublik werden zu können, endgültig verspielt haben dürfte.
Wir erinnern uns: Laschet erklärte vor gut einer Woche, er wolle eine bundesweit einheitliche Regelung erreichen, wie es für die Schulen in der Corona-Pandemie nach den Osterferien weitergeht. Diese sollten die Länder selbst treffen und nicht der Bund. «Ich wünsche mir, dass alles, was wir in den kommenden Wochen tun, möglichst bundeseinheitlich erfolgt. Das ist auch in Schulfragen möglich», sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident. «Es kann einen Konsens der Kultusministerkonferenz geben, den wir alle verbindlich umsetzen.»
Um mit Karl Valentin zu sprechen: „Des ignoriern ma net amoi!“
Nun ist klar, dass die KMK keine CDU-Veranstaltung ist, in der die Kultusminister brav machen, was der CDU-Vorsitzende sagt. Aber wenigstens die Kultusminister der Union sollten der Linie ihres Parteichefs folgen. Zu erwarten gewesen wäre also gestern zumindest ein Showdown zwischen den politischen Lagern, bei dem die CDU-Kultusminister die SPD-Kollegen mit einem abgestimmten Stufenplan vor sich hergetrieben hätten. Nach stundenlangen harten Verhandlungen hätte KMK-Präsidentin Britta Ernst (SPD) dann vor die Kameras treten müssen und erklären, die Konferenz habe keinen Konsens erreicht und sei im Unfrieden auseinander gegangen. Laschet als NRW-Ministerpräsident und die übrigen CDU-Kultusminister hätten anschließend das Konzept in ihren Bundesländern umgesetzt, sodass Lehrer, Schüler und Eltern zumindest dort endlich so viel Klarheit und Transparenz gehabt hätten, wie es eine Pandemie eben erlaubt.
Und was ist tatsächlich passiert? Um mit Karl Valentin zu sprechen: „Des ignoriern ma net amoi!“ Etliche Bundesländer haben ihre Entscheidungen, wie sie mit den Schulen nach den Osterferien verfahren werden, bereits vor der KMK-Sitzung verkündet. Jedes macht ohnehin, was es will. Die Trennlinie verläuft dabei nicht zwischen CDU und SPD – sondern quer durch die Union: Während Bayern mittlerweile den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für den Schulbetrieb folgt und ab einem Inzidenzwert von 100 den Präsenzunterricht einstellt, haben Sachsen und Sachsen-Anhalt angekündigt, die Kitas und Schulen gegen den Rat der Fachwissenschaft künftig bei jedem Inzidenzwert offenzuhalten.
Und in Nordrhein-Westfalen werden die Schulen erst einmal für eine Woche in den Distanzunterricht zurückbeordert – aber nicht, weil das einem Konzept des Herrn Laschet folgen würde, sondern wohl nur deshalb, weil seine Landesregierung es nicht geschafft hat, genügend der Schnelltests zu besorgen, die sich an mittlerweile jeder Supermarktkasse stapeln. Wohl noch nie hat sich ein Kanzlerkandidat in spe so zum Clown gemacht. News4teachers
Der Journalist und Sozialwissenschaftler Andrej Priboschek beschäftigt sich seit 25 Jahren professionell mit dem Thema Bildung. Er ist Gründer und Leiter der Agentur für Bildungsjournalismus – eine auf den Bildungsbereich spezialisierte Kommunikationsagentur, die für renommierte Verlage sowie in eigener Verantwortung Medien im Bereich Bildung produziert und für ausgewählte Kunden Content Marketing, PR und Öffentlichkeitsarbeit betreibt. Andrej Priboschek leitete sieben Jahre lang die Öffentlichkeitsarbeit des Schulministeriums von Nordrhein-Westfalen.
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