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Sachsens Kultusminister: Notbremse des Bundes für Schulen wäre falsch – Bildungshoheit der Länder in Gefahr!?

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DRESDEN. Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) hat die angedachten bundesweiten Schulschließungen ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 200 kritisiert. «Das Vorgehen des Bundes ist höchst fragwürdig. Zum einen ist die Bildungshoheit der Länder in Gefahr. Zum anderen ist die reine Fixierung auf die Inzidenzwerte falsch», sagte er der «Bild»-Zeitung. Dabei könnte man auch auf eine andere Statistik schauen, um ein Eingreifen des Bundes in die sächsische Corona-Politik zu rechtfertigen: Der Freistaat liegt in der Statistik der Todesfälle relativ zur Einwohnerzahl mit weitem Abstand in Deutschland an der Spitze.

Ist die Bildungshoheit in Gefahr, wenn der Bund den Ländern vorschreibt, ihre Schulen in einer aus dem Ruder laufenden Pandemie schließen zu müssen? Sachsens Kultusminister Christian Piwarz. Foto: Sächsisches Kultusministerium / Ronald Bonss

Piwarz plädierte dafür, auch die Auslastung bei den Krankenhausbetten einzubeziehen. Es sei höchst schwierig, dass der Bund gerade im Schulbereich eingreife. «Das wird nicht dem gerecht, was wir versuchen, mit Testungen an den Schulen, mit Schutzkonzepten.» Der Bund schlage dem Land die Maßnahmen aus der Hand. Sachsen ignoriert die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für den Schulbetrieb. Im Unterricht der Grundschulen gelten trotz hoher Inzidenzwerte weder die Abstandsregel noch eine Maskenpflicht.

Die Bundesregierung hatte am Samstag einen Vorschlag für bundeseinheitliche Maßnahmen gegen die dritte Corona-Welle vorgelegt. Der Entwurf für eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes soll nun mit den Fraktionen im Bundestag und mit den Ländern abgestimmt werden. Darin enthalten sind etwa nächtliche Ausgangsbeschränkungen bei einer Corona-Inzidenz über 100 und Schulschließungen ab einer Inzidenz von 200. Sachsen hat diese Grenzwerte mittlerweile überschritten: Der Freitstaat liegt nach Angaben des RKI vom heutigen Montag bei einer Inzidenz von 203,6 – und ist nach Thüringen (228,5) im Bundesländervergleich von Corona-Infektionen am häufigsten betroffen.

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Die Bundesländer Sachsen und Sachsen-Anhalt haben aber bereits angekündigt, die Kitas und Schulen unabhängig von Inzidenzwerten offenzuhalten. Ein Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 18. März bestärkt sie darin: „Die ausgeweitete Testung von Kindern und Jugendlichen dient dem Ziel, den Schulbesuch für Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte sicherer zu machen und Infektionen zu identifizieren. Dadurch kann eine höhere Zahl von festgestellten Infektionen hervorgerufen werden und sich die Inzidenz in den Ländern erhöhen. Bei Entscheidungen über den Schulbetrieb ist daher perspektivisch zu prüfen, das Kriterium der Inzidenz um weitere Kriterien zu ergänzen.“ Welche Kriterien, das bleibt ungenannt.

„Wir müssen auch davon ausgehen, dass die Todesfälle wieder ansteigen werden“

Prof. Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), hatte unlängst auf einer Pressekonferenz eindringlich gewarnt: „Bisher sind 75.000 Mitmenschen in Deutschland gestorben“. Wieler forderte die Bevölkerung auf, sich an die Hygiene-Regeln zu halten. Nur das könne den Anstieg mildern, den vor allem die Corona-Variante B.1.1.7 verursache. Wenn die Infektionen steigen, dann folgten auch mehr Corona-Fälle auf der Intensivstation und „wir müssen auch davon ausgehen, dass die Todesfälle wieder ansteigen werden“, ergänzte Wieler.

Tatsächlich gibt es einen engen Zusammenhang zwischen steigender Inzidenz, steigender Anzahl an Menschen, die mit Corona auf der Intensivstation behandelt werden und steigenden Todesfällen, wie der MDR berichtet. „Im Oktober 2020 stieg zuerst die Inzidenz, dann die Anzahl der Intensivpatienten und danach die Sterbefälle in Zusammenhang mit einer Corona-Infektion. Mitte Januar sank wiederum zuerst die Inzidenz und zeitverzögert aber parallel dazu sanken die Intensiv- und Todesfälle“, heißt es in dem Bericht.

Im aktuellen RKI-Lagebericht (vom 11. April) liest sich das so: „Der Anstieg der Fallzahlen insgesamt und der Infektionen durch die VOC B 1.1.7. werden zu einer deutlich ansteigenden Anzahl von Hospitalisierungen und intensivpflichtigen Patientinnen und Patienten führen. Bundesweit ist seit Mitte März wieder ein deutlicher Anstieg der COVID-19-Fallzahlen auf Intensivstationen (ITS) zu verzeichnen. Die Prognosen deuten darauf hin, dass in KW16 die COVID-19-spezifischen Intensivkapazitäten ausgeschöpft sein könnten.“

Es gibt auch einen engen Zusammenhang zwischen dem Infektionsgeschehen unter Kindern und Jugendlichen und dem allgemeinen Infektionsgeschehen. So heißt es im RKI-Lagebericht: „Die 7-Tages-Inzidenz für ganz Deutschland steigt seit Mitte Februar 2021 stark an und liegt bereits bei über 100/100.000 Einwohner. Das Geschehen ist nicht regional begrenzt, die Anzahl der Landkreise mit einer 7-Tages-Inzidenz über 100/100.000 Einwohner nimmt ebenfalls seit Mitte Februar 2021 deutlich zu. Etwa seit Mitte März hat sich der Anstieg der Fallzahlen beschleunigt. Der 7-Tage-R-Wert liegt weiterhin um 1 (…). Die COVID-19-Fallzahlen stiegen in den letzten Wochen in allen Altersgruppen wieder an, besonders stark jedoch bei Kindern und Jugendlichen, von denen auch zunehmend Übertragungen und Ausbruchsgeschehen ausgehen.“

„Selbst wenn es zu einem harten Lockdown kommt, steigen die Zahlen weiter für 10-14 Tage“

„Es brennt. Die Lage ist sehr dramatisch“, sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv und Notfallsmedizin (DIVI), Prof. Dr. Gernot Marx, über die Lage in den Kliniken laut einem Bericht der “Frankfurter Rundschau”: „Jeder Tag zählt.“ Grund für seine Besorgnis sei, dass es einen ungebremsten und dramatischen Anstieg von Covid-Patienten gebe – besonders häufig treffe es Menschen im Alter zwischen 40 und 70 Jahren. Für die Intensivpatienten bedeute das laut Marx, dass bei den unter 50-Jährigen jeder fünfte, bei den Älteren im Schnitt jeder zweite Kranke stirbt.

Deutschland hat bereits jetzt den Höhepunkt der Auslastung aller Intensivbetten seit Beginn der Coronavirus-Pandemie erreicht. Das teilte Intensivmediziner Prof. Dr. med. Christian Karagiannidis, Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), am Samstagabend via Twitter mit. Es stehe immer weniger Personal zur Verfügung. „Selbst wenn es zu einem harten Lockdown kommt, steigen die Zahlen weiter für 10-14 Tage“, schreibt Karagiannidis. „Es muss JETZT etwas passieren.“

Sachsen liegt mit 210 Todesfällen auf 100.000 Einwohner bundesweit an der traurigen Spitze. Der Durchschnittswert für Deutschland liegt bei 94,2. Und auch bei der Belegung von Intensivbetten in den Krankenhäusern ist der Trend im Freistaat eindeutig: “Schaut man sich die Entwicklung auf den Intensivstationen (ITS) an, geht die Kurve seit zwei Wochen stetig nach oben. Wurden am 29. März 278 Covid-19-Patienten auf den ITS behandelt, waren es vor einer Woche 326. Mit dem heutigen Tag sind es 359”, so berichtete der MDR gestern. News4teachers

Sachsen hält Kitas und Schulen ab sofort um jeden Preis offen – dabei liegt der Freistaat in der Statistik der Corona-Toten schon jetzt weit vorne

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