BERLIN. Der Vorsitzende der Mittelstandsunion, Carsten Linnemann, hat seine Partei – die CDU – zu einer „ehrlichen Fehleranalyse“ mit Blick auf die Politik in der Corona-Krise aufgerufen. Auch das, was bei der digitalen Schule schiefgelaufen sei, müsse zugegeben werden. Es sei jetzt schnell damit zu beginnen, den Präsenzunterricht nach den Sommerferien sicherzustellen. Wenn es nicht gelinge, das kommende Schuljahr zu sichern, könne die Union kaum damit rechnen, die Bundestagswahl zu gewinnen, erklärte der Vizevorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in einem Interview mit der „Welt“.
Die Pandemie habe in der Bildungspolitik schonungslos Probleme offenbart – trotzdem gebe es bisher kaum Reformankündigungen der CDU, so heißt es seitens der Redaktion und fragt den Wirtschaftspolitiker: „Reicht es, sich auf die föderale Aufteilung und die Zuständigkeit der Länder zurückzuziehen?“ Antwort Linnemann: „Nein, das reicht keinesfalls aus. Es geht nicht darum, den Föderalismus abzuschaffen, aber wir brauchen dringend mehr Standards, die dann auch bundesweit Gültigkeit haben. Dann gibt es noch ein Problem nach der Pandemie: In Deutschland leben inzwischen mehrere Hunderttausend Kinder im Kita- und Vorschulalter, die in nicht deutschsprachigen Familien aufwachsen. Die waren in der Pandemie nur zu Hause und hatten kaum Kontakt zur deutschen Sprache.“
„Für Kinder, die der deutschen Sprache nicht mächtig genug sind, muss es eine Vorschulpflicht geben“
Das Problem, dass Kinder mit Sprachdefiziten auf unsere Grundschulen gehen, drohe sich also nochmals zu verschärfen. „Wir brauchen dringend verpflichtende Sprachtests, die bundesweit und nach einheitlichen Standards erhoben werden. Für Kinder, die der deutschen Sprache nicht mächtig genug sind, muss es eine Vorschulpflicht geben“, erklärt Linnemann, der vor knapp zwei Jahren mit einem Vorstoß, Kinder ohne ausreichende Deutschkenntnisse erst einmal nicht zur Grundschule zuzulassen für Empörung gesorgt hatte – auch in der eigenen Partei. Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin und stellvertretende Landesvorsitzende der CDU, Karin Prien, nannte die Initiative seinerzeit gar „populistischen Unfug”.
Die „Welt“-Redaktion fragt Linnemann nun: „Man gewinnt den Eindruck, dass es wenig Bemühungen gibt, für die Zeit nach den Sommerferien einen normalen Schulbetrieb anzustreben. Darf noch einmal ein Schuljahr unter den bisherigen Pandemiebedingungen starten? Linnemann erklärt darauf: „Wir müssen uns vorbereiten, und zwar jetzt. Egal, ob eine weitere Virusmutation kommt oder nicht, der Unterricht muss ganz normal in Präsenz stattfinden können. Wenn das nächste Schuljahr genauso startet, wie das alte zu Ende geht, dann brauchen wir uns nicht wundern, wenn wir die Bundestagswahl verlieren.“
Riskanter Kurs: Laschet beachtet die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für den Schulbetrieb nicht
Der Kanzlerkandidat der Union, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, hat gemeinsam mit FDP-Schulministerin Yvonne Gebauer angekündigt, den Schulen im Land – nach monatelangem Hin und Her – ab dem 31. Mai Präsenzunterricht in voller Klassenstärke vorzuschreiben, wenn die Inzidenz unterhalb von 100 liegt. Den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für den Schulbetrieb entspricht das nicht: Das sieht vor, oberhalb einer Inzidenz von 50 Wechselunterricht vorzusehen, um die Abstandsregel in den Klassenräumen einhalten zu können. Die Landesregierung hat auch noch kein Konzept vorgelegt, wie sie Schülerinnen und Schüler fördern will, bei denen sich in der Corona-Krise Lernlücken aufgetan haben.
Ein Vorstoß Laschets, die Kultusminister beim Infektionsschutz mit einem „Brücken-Lockdown“ auf eine gemeinsame Linie zu bringen, war zunächst gescheitert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) brachte daraufhin die Bundesnotbremse 165 für den Kita- und Schulbetrieb ab einem Inzidenzwert von durch den Bundestag und den Bundesrat. News4teachers / mit Material der dpa
Hier geht es zum vollständigen Interview mit Carsten Linnemann in der “Welt”.
Kultusministerkonferenz brüskiert den CDU-Chef: Laschet wird zum traurigen Clown
