Ein Kommentar von News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek.
BERLIN. Dieser Staat lässt die Familien im Stich – er schützt ihre Kinder in der Corona-Pandemie nicht. Sie werden nach den Sommerferien einem riskanten Durchseuchungs-Programm ausgesetzt, das den Namen Schule trägt. Meine Familie und ich haben daraus eine Konsequenz gezogen.

In der Corona-Pandemie ist die vierte Welle bereits absehbar; Virusmutationen befeuern das Geschehen. Die Kultusminister beschließen trotzdem: Das nächste Schuljahr soll im vollen Präsenzunterricht laufen – egal wie. Kein Wort zu weitergehenden Schutzmaßnahmen. Als hätte es bislang nicht Tausende von Corona-Ausbrüchen in Kitas und Schulen gegeben. Als wären die Schulen nicht monatelang geschlossen gewesen.
Es ist höchste Zeit dass #LongCovid für Kinder Thema in Deutschland wird. Wir stehen vielleicht vor Durchseuchung einer ganzen Generation mit der Delta Variante. Die Kinder haben so viel geopfert. Jetzt müssen sie geschützt werden. Ihre Impfung ist viel sicherer als die Infektion https://t.co/DcSj96FBZi
— Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) July 9, 2021
Eltern werden dann also gezwungen, ihre Kinder in einen riesigen Menschenversuch zu geben. Der heißt Schule.
Die Ständige Impfkommission (Stiko) beschließt, keine generelle Impfempfehlung für Schülerinnen und Schüler auszusprechen. Das hat Folgen: Viele Ärzte impfen deshalb Kinder und Jugendliche nicht, obwohl ein Impfstoff für Kinder über zwölf längst zugelassen ist. Die Landesregierung NRW bremst eine große Impf-Aktion für 30.000 Schülerinnen und Schüler aus, die der Kreis Siegen-Wittgenstein und die Universität Siegen geplant hatten – weil Ministerpräsident und Unions-Kanzlerkandidat Armim Laschet den Stiko-Beschluss nicht unterlaufen möchte.
Dabei klingt die Begründung der Stiko ähnlich entrückt wie der KMK-Beschluss: Es sei «nicht besonders sinnvoll», das Thema Schule mit der Impfdebatte zu verknüpfen, meint Stiko-Vorsitzender Prof. Thomas Mertens, ein 71-jähriger Mediziner mit längst erwachsenen Kindern.
Ja was denn sonst? Elf Millionen Schülerinnen und Schüler kommen nun mal nach den Sommerferien in die Schulen und werden sich dort, behält Charité-Virologe Prof. Christian Drosten mit seiner Vorhersage wie üblich recht („Wer sich nicht impfen lässt, wird sich unweigerlich infizieren“), untereinander anstecken. Das kann man, wie der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, mit Fug und Recht ein Durchseuchungs-Programm nennen. Zumal die KMK bereits angekündigt hat: Die Schulpflicht – samt Präsenzpflicht – wird im nächsten Schuljahr in ganz Deutschland wieder gelten. Der Staat zwingt damit Schülerinnen und Schüler in Schulen, in denen er den Gesundheitsschutz nicht gewährleisten kann.
Meine Familie und ich vertrauen diesem Staat und seinen Institutionen hinsichtlich der Schulen nicht mehr
Eltern werden also genötigt, ihre Kinder in einen riesigen Menschenversuch zu geben. So oder so sind die Folgen nicht wirklich absehbar: Risiken, die aus mangelnden Informationen über die Langzeitfolgen der Corona-Schutzimpfung rühren, stehen Risiken, die sich aus Unkenntnis über die Langzeitfolgen einer Corona-Infektion ergeben, gegenüber.
Letztere sind, Stiko-Nicht-Empfehlung hin oder her, offenbar deutlich gravierender, als der lange von Politikern genutzte PR-Slogan „Kinder sind keine Treiber der Pandemie“ suggeriert. Den Spruch hat man übrigens lange nicht mehr aus dem Mund eines Kultusministers gehört. Offenbar hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass er wissenschaftlich unhaltbar ist. Alle, die das Virus weitertragen, sind „Treiber der Pandemie“. Eben auch Kinder. Und gerade unter ihnen gibt es offenbar eine nennenswerte Zahl von Betroffenen, die nach einer Infektion gravierend unter „Long Covid“ oder noch schlimmeren Folgeerkrankungen leiden.
Informationen darüber von staatlichen Stellen suchen Familien vergebens. Dieser Staat lässt sie im Stich – er schützt ihre Kinder nicht. Schutz wäre möglich gewesen. Hätte es in Deutschland rechtzeitig, also im vergangenen Jahr, einen vernünftigen Krisenstab gegeben, der ergebnisoffen alle schnell umsetzbaren Schutzmaßnahmen für Kita und Schule geprüft hätte – wäre dieser zwangsläufig beim Thema mobile Luftfilter gelandet. Wohl auch bei Plexiglas-Wänden für Klassenräume, wie sie an jeder Supermarktkasse zu finden sind. Und bei einem durchgängig versetzten morgendlichen Unterrichtsbeginn, um die Schülerströme zu entzerren. Und bei der Nutzung der vielen in der Krise leerstehenden Veranstaltungsorte, um der räumlichen Enge in so manchen Klassenräumen zu begegnen. Alle diese Vorschläge waren rechtzeitig auf dem Tisch. Nichts davon wurde ernsthaft geprüft, geschweige denn umgesetzt. Alles war den Bürokraten zu aufwändig, zu umständlich, zu teuer.
Jetzt, nachdem die Kultusminister ein Jahr lang die Wirkung der (offensichtlich den Entscheidern zu teuren) mobilen Luftfilter geleugnet und daueroffene Fenster allen Ernstes als „Lüftungskonzept“ verkauft haben, schustern Bund und Länder kurz vor der Bundestagswahl auf die Schnelle Programme zur Anschaffung der Geräte zurecht, die bis zum Winter allenfalls noch einen Bruchteil der Kitas und Schulen erreichen. Heißt: Die allermeisten Kinder und Jugendlichen sitzen ungeimpft und damit weitgehend ungeschützt vor Infektionen bei Wind und Wetter mit offenen Fenstern in ihren Klassen- oder Gruppenräumen. Wie schon im letzten Winter. Innerhalb von einem Jahr hat sich damit für sie praktisch nichts geändert. Was für eine erbärmliche Bilanz.
Meine Familie und ich vertrauen diesem Staat und seinen Institutionen hinsichtlich der Schulen nicht mehr. Zu viel ist in der Pandemie gelogen und getäuscht worden. Zu oft wurde Offensichtliches geleugnet. Zu selten wurde zielgerichtet gehandelt. Wir haben uns deshalb dafür entschieden, den Schutz unserer jüngsten Tochter (12) in die eigenen Hände zu nehmen: Wir haben einen Arzt gesucht (und mit etwas Mühe gefunden), der sie impft – obwohl wir das eigentlich noch nicht wollten. Das damit verbundene Risiko erscheint uns jedoch überschaubarer, als sich auf diesen Staat und seine (un)verantwortlichen Politiker zu verlassen.
Die Kultusminister haben immer wieder darauf gesetzt, dass sich die Krise von selbst erledigt, zuletzt mit einer Impf-Empfehlung der Stiko. Sie haben gezockt – und die Familien haben verloren. Es ist Zeit, diesem Spiel ein Ende zu machen. News4teachers
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