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Hybrides Lernen & Co.: Wie Unterricht sich jetzt verändern muss

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DORTMUND. Eine bunte Mischung an Notlösungen und einige neue Begriffe hat die Pandemie den Schulen gebracht. Aber wirklich zukunftsfähigen Unterricht? Wohl kaum – auch wenn viele Schulen sich auf den Weg dorthin gemacht haben. Schaut man auf die Diskussionen um „geschlossene“ Schulen, zeige sich, wie hartnäckig in Deutschland an tradierten Bildern vom “richtigen” Unterricht festgehalten wird, meint unsere Gastautorin Wanda Klee. Schule verharre teilweise noch im vorletzten Jahrhundert. In ihrem Beitrag für News4teachers erklärt die Expertin für Digitalität und Schulleiterin, wie Hybrides Lernen aussehen könnte, und fordert neue Standards für die Leistungsmessung.

Schule hinkt den kulturellen und gesellschaftlichen Veränderungen hinterher. Es wird höchste Zeit, dass tradierte Bilder vom “richtigen” Lernen korrigiert werden, fordert Schulleiterin und Digitalexpertin Wanda Klee. Foto: Shutterstock

In immer mehr Ländern beginnt die Schule wieder im von der KMK versprochenen Präsenzunterricht. Bis März 2020 gab es diesen Begriff nicht. Mit der Ausnahme von Unterrichtsgängen war es selbstverständlich, dass Unterricht in der Schule stattfindet. Wo denn sonst? Die Pandemie hat uns gezwungen Unterricht anders zu gestalten. Damit rückte auch der Begriff der Digitalisierung von Schulen oder eben ihr eklatantes Fehlen in den Vordergrund. Ich verwende den Begriff Digitalisierung im Bezug auf Unterricht im engeren Sinne nicht, weil er stärker auf technische Entwicklungen abhebt. Die Bereitstellung von technischer Infrastruktur ist zwar selbstverständlich zwingend und leider immer noch nicht überall erfolgt. Gleichzeitig ist Digitalisierung aber nicht identisch mit den kulturellen und gesellschaftlichen Veränderungen, die durch diese technischen Prozesse in Gang gesetzt wurden. Letzteres versucht der Begriff Digitalität im Rückgriff auf Felix Stalders Analyse Kultur der Digitalität“ (2016) zu erfassen: Austausch in einer Community z.B. über soziale Medien, Memes, Datenmengen, die von Algorithmen für uns vorstrukturiert werden, damit wir damit überhaupt umgehen können, gehören seit mehr als zwei Jahrzehnten zu unserem Alltag, um nur einige Beispiele zu nennen. Nur in der Schule war es möglich, nicht nur die Technik, sondern auch diese Entwicklungen weitgehend außen vor zu lassen.

ViewBoard

Foto: ViewSonic

Präsenzunterricht in der Schule, Homeschooling oder Hybrid-Unterricht?

Mit dem ViewBoard und der kostenlosen DSGVO-konformen myViewBoard Classroom Software wird Unterrichten flexibel, ortsunabhängig und vor allem einfach. Die Einführung dauert einmalig nur 45 Minuten und macht Sie bereit für den unkomplizierten Einsatz des digitalen Allround-Whiteboards – ganz gleich welche Endgeräte Sie oder Ihre Schüler*innen nutzen und unabhängig vom Betriebssystem.

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Dabei ist und war Schule nie technikfrei. Es gibt Tafeln, Bücher, Kopierer, Mikroskope usw. Die noch immer bestehenden Widerstände gegen den Einsatz digitaler Technik und Formate wie z.B. asynchroner Arbeitsformen zeigen aber, wie stark das Bild von „richtigem“ Unterricht von den tradierten Techniken des 19. Jahrhunderts und den ebenso tradierten Organisationsformen bestimmt wird: Unterricht bedeutet, dass Schüler*innen und Lehrkräfte gleichzeitig an einem Ort sind. Dann findet Lernen statt. So die implizite Vorstellung. Und diese Unterrichtsbilder sind mächtig. Sie sind eine Ursache für die oft erbittert und bisweilen polemisch geführte Diskussion um „geschlossene Schulen“, die auch jetzt wieder im Raum steht.

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Neue Begriffe – neue Lernkultur?

Unterricht, der von den Techniken und Organisationsformen des vorletzten Jahrhunderts definiert wird, muss deshalb im Interesse der Schüler*innen hinterfragt werden.

Seit 18 Monaten differenzieren wir zwischen Präsenzunterricht, Wechselunterricht, bei dem Schüler*innen abwechselnd in Teilgruppen in der Schule unterrichtet und/oder per Videokonferenz zum Schulunterricht zugeschaltet werden und Distanzunterricht, bei dem alle zuhause lernen. Für die langen Monate des Lockdowns hat sich der Begriff “Homeschooling“ in den Medien durchgesetzt. Er betont das Empfinden vieler Eltern, dass die Unterrichtsarbeit bei ihnen läge, was nachvollziehbar ist, denn die häusliche Lernumgebung wird natürlich maßgeblich von den Eltern mitbestimmt. Selbstverständlich ist Schule für Kinder und Jugendliche nicht nur ein Ort, an dem Unterricht stattfindet, sondern für soziale Interaktion und Entwicklung von größter Bedeutung. Dass die unterschiedlichen häuslichen Lernumgebungen zu großer Ungerechtigkeit führen, ist ebenfalls lange bekannt. Unterricht, der von den Techniken und Organisationsformen des vorletzten Jahrhunderts definiert wird, muss deshalb im Interesse der Schüler*innen hinterfragt werden.

Hybrid Lernen in der Praxis

Seit dem letzten Schuljahr gibt es einen weiteren Begriff: Hybrides Lernen. Hybrides Lernen bedeutet Unterricht, der bewusst in einer Kultur der Digitalität stattfindet, an ihr teilnimmt und sie reflektiert. Denn Schule darf von dieser Kultur nicht abgeschnitten sein, um ihrem Auftrag, Schüler*innen in die Lage zu versetzen ihre eigene Zukunft mündig zu gestalten, gerecht werden zu können. Hybrides Lernen heißt nicht „Homeoffice” für Schüler*innen. Es ist aber in der Tat einfacher zwischen Lernen im Klassenraum und anderen Lernorten zu wechseln oder sie miteinander zu verbinden.

Wie kann das konkret aussehen? Zum Beispiel so: Digitale Endgeräte gehören selbstverständlich zum Unterricht, Smartphones sind deshalb nicht grundsätzlich verboten, Schüler*innen arbeiten aktiv und produktiv mit den Geräten. Die Endgeräte werden gemäß ihrer Möglichkeiten von den Schüler*innen genutzt, d.h. ein Laptop wird nicht auf „Schreibmaschine“ reduziert. Apps zur Selbstkontrolle und Gamification stehen nicht im Zentrum, stattdessen entstehen Lernprodukte, die Selbstbestimmung und Zusammenarbeit der Schüler*innen fördern, z.B. Portfolios, Erklärvideos, Podcasts. Schüler*innen geben sich regelmäßig gegenseitiges Feedback. Unterricht ist offen für die außerschulische Welt durch Zuschalten von Expert*innen, gemeinsame Arbeitsphasen mit Partnerklassen, durch Lernprodukte, die sichtbar und kommentierbar sind z.B. in Blogs. Natürlich gestaltet sich das in der Grund- und -Förderschule anders als in der gymnasialen Oberstufe, am Berufskolleg oder wie im Fall unserer Schule einem Weiterbildungskolleg, an dem Erwachsene das Abitur nachholen. Aber es ist in allen Schulformen möglich. Entscheidend ist die Veränderung der Lernkultur. Hybrider Unterricht ist selbstverständlich kompetenzorientiert. Nicht Instruktion und „Stoff“ bestimmen die Arbeit der Lehrkräfte, sondern die Planung und Gestaltung solcher Unterrichtssettings, Lernbegleitung und individuelle Förderung. Viele Schulen sind bereits auf dem Weg dieser Unterrichtsentwicklung.

Prüfungskultur der Realität anpassen!

Neben der Lernkultur im Unterricht gibt es aber noch ein anderes Element, das im 21. Jahrhundert ankommen muss: Leistungsmessung. Auch unsere Vorstellungen von Klassenarbeiten, Klausuren und Abschlussprüfungen und die daraus resultierenden Rechtsvorgaben wurzeln im vorletzten Jahrhundert. Sie zu ändern wird ein langwieriger Prozess. Hier zeigt sich Schule als Behörde mit großem Beharrungsvermögen. Leistungsmessung und Prüfungskultur der Realität des 21. Jahrhunderts anzupassen, ist aber von entscheidender Bedeutung. Die oft belächelte Frage: „Kommt das in der Klausur dran?“ ist nämlich völlig berechtigt. Schüler*innen haben ein Recht darauf, nicht nur für das Leben zu lernen, sondern eben auch, auf die Prüfungen vorbereitet zu werden, wenn deren Ergebnis erheblichen Einfluss auf ihr Leben hat wie z.B. im Falle eines Numerus Clausus. Es wird immer schwerer vermittelbar, warum im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts die Produktion handschriftlicher Texte für die Feststellung des  Kompetenzstands der Schüler*innen alternativlos und deshalb unverzichtbar sein soll.

Veränderter Unterricht muss sich in entsprechenden Prüfungsformen widerspiegeln, sonst wird die Veränderung der Unterrichtskultur zur Makulatur.

Veränderter Unterricht muss sich in entsprechenden Prüfungsformen widerspiegeln, sonst wird die Veränderung der Unterrichtskultur zur Makulatur, denn entscheidend bleibt, was geprüft wird. Auch viele Lehrkräfte empfinden den Spagat, diesen widerstrebenden Anforderungen von Lebensrelevanz und Prüfungsvorbereitung im Unterricht gerecht zu werden als Belastung. Es gibt bereits Vorstöße, Prüfungen anders zu gestalten (prüfungskultur.de). Zu dieser anderen Prüfungskultur gehört auch, Schüler*innen als Akteure zu begreifen, die in Prüfungssituationen keine vorgefertigten Aufgaben abarbeiten, sondern in selbst gewählten und -gestalteten Settings ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen.

Über die Autorin

Wanda Klee ist Schulleiterin am Westfalen-Kolleg in Dortmund.

Gemeinsam mit Phillippe Wampfler und Axel Krommer hat sie 2021 das Buch

Foto: Beltz.

“Hybrides Lernen – Zur Theorie und Praxis von Präsenz- und Distanzlernen”

herausgegeben.

Erschienen bei Beltz, 10.02.2021.

ISBN: 978-3-407-63223-4

 

Weitere Infos unter: www.beltz.de

Praxisbeispiel Blended Learning: Wie Lehrkräfte neue Lernformen selbst erleben und ihre Rolle weiterentwickeln

 

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