DÜSSELDORF. Immer mehr Bundesländer führen sogenannte 2G-Regeln ein, die Geimpften und Genesenen Sonderrechte einräumen – indem etwa Gastronomen die Möglichkeit eingeräumt wird (oder sogar verpflichtet werden), Ungeimpfte von Veranstaltungen auszuschließen. Ausgerechnet Unionskanzlerkandidat Armin Lachet, Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslands Nordrhein-Westfalen, verweigert sich dabei allerdings bislang. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht dadurch den Kita- und Schulbetrieb massiv gefährdet.
In Nordrhein-Westfalen sinken die Inzidenzen, nachdem sie mit Ende der Sommerferien stark angestiegen waren. Allerdings sind die Corona-Daten einschließlich der Krankenhaus- und Todesfälle nach wie vor auf hohem Niveau, wie das Gesundheitsministerium einräumt. »Nicht unkritisch«, so heißt es dort. Das Land investiert laut „Rheinischer Post“ aktuell, um die Zahl der Krankenhausplätze zur Behandlung an einer Künstlichen Lunge (Ecmo) von 206 um zehn Prozent aufzustocken. Auch für Gesamtdeutschland ist der Inzidenzwert zuletzt gesunken – von 90 (9. September) auf 78 (15. September). Die Zahl der Neuinfektionen unter fünf- bis 14-jährigen Schülerinnen und Schülern binnen einer Woche, gerechnet auf 100.000, liegt mit 176 um sieben Prozent niedriger als in der Vorwoche.
In Köln sind die Intensivbetten schon voll. Wenn Covid jetzt in die Herbstwelle geht bekommen wir Probleme. Leider ist der Spielraum für Lockerungen im Moment gleich Null. https://t.co/UfkTL0u4r7
— Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) September 15, 2021
Den Effekt hatten Corona-Forscher wie der Charité-Chefvirologe Prof. Christian Drosten vorausgesagt, wie News4teachers berichtete. »Ich glaube zum Beispiel, dass das, was man jetzt in Nordrhein-Westfalen sieht, eigentlich eher mitgebrachte Infektionen aus der Urlaubszeit sind. Viele von diesen Kindern werden nur noch Rest-RNA haben und man wird erst in den nächsten Wochen sehen, wie sich das einspielt«, erklärte er Ende August, als die Inzidenzen unter Schülern in NRW bundesweit mit Rekordwerten an die Spitze geschossen waren. Drosten warnte aber auch vor einer Durchseuchungsstrategie – und sprach sich beispielsweise dafür aus, die Quarantäne für Schulklassen zwar zu verkürzen, auf jeden Fall aber beizubehalten. Tatsächlich haben die Länder die Quarantäne für Klassen mittlerweile gestrichen; in Nordrhein-Westfalen werden nicht mal mehr Sitznachbarn von infizierten Schülern nach Hause geschickt.
»Die Kitakinder sind fast ungeschützt: Masken und Abstand lassen sich kaum durchsetzen. Es gibt oft keine Luftreiniger und keine Lollitests«
»NRW schiebt die unpopuläre Entscheidung bis nach der Wahl auf«, sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach nun gegenüber der „Rheinischen Post“. Ohne eine 2G-Regel laufe die Lage auf eine Durchseuchung insbesondere der Kinder hinaus.
Der Herbst werde für die gesamte Bevölkerung noch einmal schwierig werden – ohne umfassende 2G-Regeln jedenfalls, so warnte Lauterbach Anfang der Woche gegenüber dem „Spiegel“. »Große Teile der Politik haben auf das Pandemieende im Oktober gewettet. Das war bar jeder Hinterlegung durch wissenschaftliche Fakten«, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete. Lauterbach prognostiziert: »Wir werden das Problem im Herbst nicht gelöst haben.« In Schulen, aber auch in Kitas werde es in den kommenden Wochen wieder deutlich steigende Infektionszahlen geben.
Je jünger die Kinder, desto größer sei das Risiko der Präsenzstrategie. »Die Kitakinder sind fast ungeschützt: Masken und Abstand lassen sich kaum durchsetzen. Es gibt oft keine Luftreiniger und keine Lollitests«, betont Lauterbach. Und bei sinkenden Temperaturen werde sich das Kitaleben schnell in die Innenräume verlagern. Viele politisch Verantwortliche hätten für die Kitas überhaupt keine Schutzkonzepte entwickelt, sagt Lauterbach. Und für die Schulen auch nicht.
Beim Kampf gegen die Covid Sterblichkeit war Deutschland noch gut, wenige waren besser. Trotz der ewigen Angriffe gegen Lockdowns: sie haben gewirkt. Beim Impfen verlieren wir den Anschluss an die Spitze. Weil politisch keiner mehr Druck aufbauen will. November wird daher schwer https://t.co/rapDeaePXf
— Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) September 14, 2021
Jedoch könnte es bereits im Winter besser werden – wenn die Zahl der Ungeimpften bis dahin abgenommen hat. Insbesondere die 2G-Regel könne dabei Wirkung zeigen. Er rechne damit, dass diese insbesondere nach der Bundestagswahl zunehmend eingeführt werde. »Das wird viele dazu bewegen, sich impfen zu lassen.« Im Frühjahr könne die Pandemie dann weitgehend überstanden sein – »wenn es keine neuen Mutationen gibt.« News4teachers / mit Material der dpa
