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Nur noch infizierte Schüler und Sitznachbarn in Quarantäne? Schulleiter: praxisfern

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BERLIN. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern haben für Schulen einheitlichere Quarantäneregeln festgelegt. Ab sofort sollen nur noch infizierte Schüler und ihre  Sitznachbarn in Quarantäne geschickt werden. Die Schulleitungsvereinigung hält die Regelung für praxisfern. Sie weist darauf hin, dass Schüler über den Tag immer wieder mit anderen Kindern in engen Kontakt geraten.

Kinder in Sitzreihen nebeneinander über den ganzen Schultag hinweg? Gibt es in der Praxis nicht – sagt die Schulleitungsvereinigung. Foto: Shutterstock

Bildungsgewerkschaften haben die Vereinbarung der Gesundheitsminister von Bund und Ländern für einheitlichere Quarantäne-Regeln in Schulen grundsätzlich begrüßt, aber auch Kritik geübt. «Damit werden die Alleingänge der Länder beendet, das war überfällig», sagte die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Maike Finnern, am Dienstag. Ein regelmäßiger Einsatz aussagekräftiger, verlässlicher PCR-Tests und das Tragen von Masken in Räumen seien aber Voraussetzung dafür, «dass das Konzept klappt», fügte sie hinzu. Kritik gab es an den Details der Quarantäne-Vereinbarung.

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) nannte es «richtig», dass die Dauer und die Zahl der Betroffenen der Quarantäne maßvoll eingeschränkt würden. Das werde dazu beitragen, dass der Präsenzunterricht für möglichst viele Kinder und Jugendliche aufrechterhalten werde, sagte sie. «Wichtig ist aber auch, dass die Gesundheitsämter immer auf den Einzelfall schauen werden.»

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Die Gesundheitsminister der Länder und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatten sich am Montag für einfachere Quarantäne-Regeln bei Corona-Fällen in Schulen ausgesprochen. Grundsätzlich solle bei einem Fall nicht mehr für die gesamte Klasse Quarantäne angeordnet werden, heißt in einem Beschluss. Quarantäneanordnungen seien auf möglichst wenige Personen zu beschränken. Wie klein oder groß die betroffene Schülergruppe sein soll, die bei einem Corona-Fall in Quarantäne gehen müsste, wird dabei allerdings offen gelassen. Das wird auf Landesebene und regional geregelt.

Die Bildungsgewerkschaft VBE kritisiert das. Die eigentliche Aufgabe bleibe, nachvollziehbar und möglichst ebenso bundesweit festzulegen, nach welchen Indikatoren entschieden werde, wer in Quarantäne gehen müsse, sagte der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann. Es könne nicht sein, dass bei vergleichbaren Bedingungen mal die Sitznachbarin, mal der Gruppentisch in Quarantäne gehen müsse, sagte er.

Positiv bewertet wird vom VBE die Vereinbarung, dass symptomfreie Kinder, die als enge Kontaktpersonen in Quarantäne sind, diese frühestens nach fünf Tagen mit einem negativen Test beenden können sollen. Das trage dazu bei, transparente Regelungen zu schaffen und baue «Unmut und Unverständnis der Menschen ab».

Kritisch äußert sich der Allgemeine Schulleitungsverband Deutschlands (ASD). Die Verbandsvorsitzende Gudrun Wolters-Vogeler nannte die Quarantäne-Vorgaben am Dienstag im rbb-Inforadio «realitätsfern». «Sie gehen davon aus, dass die Schülerinnen und Schüler ständig an festen Plätzen arbeiten. Das entspricht nicht moderner Pädagogik.» Schülerinnen und Schüler hätten im Laufe eines Schultags enge Kontakte nicht nur zu immer denselben Schülern.  Zudem geht die ASD-Vorsitzende davon aus, dass die Beschlüsse nicht bundesweit einheitlich umgesetzt werden. «In den Hamburger Vorschulklassen beispielsweise gibt es gar keine Maskenpflicht», sagte Wolters-Vogeler.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach twitterte: “Die Regel ist ein Fortschritt. Jetzt kommt es auf die Umsetzung an. Die einfachste Methode wäre: bei einem positiven Kind werden alle anderen morgens in der Schule 5 Tage lang getestet. Das bringt maximale Sicherheit bei minimaler Quarantäne.” Das allerdings haben die Gesundheitsminister so konkret nicht beschlossen. Lediglich von “intensivierten Testungen” in einer “gewissen Zeit” ist die Rede. News4teachers / mit Material der dpa

Im Wortlaut

Dies ist der Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) zu Quarantäne in Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen im Wortlaut:

“Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Gesundheit der Länder beschließen im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Gesundheit Folgendes:

  • Im Interesse eines möglichst verlässlichen Schulunterrichts in Präsenz und
    zur Gewährleistung einer Betreuung der Kinder in den Kinderbetreuungseinrichtungen ist die Anordnung einer Quarantäne von Kontaktpersonen im Rahmen des infektiologisch Vertretbaren auf möglichst wenige Personen zu beschränken.
  • Gibt es einen Infektionsfall in einer Schulklasse, soll grundsätzlich nicht mehr der gesamte Klassenverband eine Quarantäneanordnung erhalten.
  • Quarantäneanordnungen sind mit Augenmaß in Abhängigkeit von der Einhaltung der allgemeinen Hygienemaßnahmen einschließlich eines Lüftungskonzeptes mit Frischluftzufuhr sowie eines Testkonzepts und Regelungen zum Tragen medizinischer Schutzmasken zu erlassen; geimpfte oder genesene Personen ohne Symptome sind von Quarantäneanordnungen grundsätzlich ausgenommen. Die zuständige Gesundheitsbehörde trifft die jeweils erforderlichen Maßnahmen.
  • Sofern asymptomatische enge Kontaktpersonen einer Quarantäneanordnung
    unterliegen, kann diese frühestens nach fünf Tagen bei Vorlage eines negativen Nukleinsäuretests oder eines negativen Antigentests aufgehoben werden. Die zuständige Gesundheitsbehörde kann im Einzelfall abweichende Entscheidungen treffen.
  • Bei den übrigen Schülerinnen und Schülern der Klasse, die nicht als enge Kontaktpersonen eingestuft sind, sollen für eine gewisse Zeit intensivierte Testungen im Rahmen der etablierten Testkonzepte durchgeführt werden.

Neben dem Schulbetrieb hat die Sicherstellung des Regelbetriebs in den Kinderbetreuungseinrichtungen oberste Priorität. Auch hier wird es bei einem Infektionsfall Quarantäne nur mit Augenmaß unter Berücksichtigung der Belange der Kinder und Kinderbetreuungseinrichtungen geben. Die Möglichkeit einer Freitestung nach frühestens fünf Tagen gilt auch für Kinder in Kinderbetreuungseinrichtungen.”

Die vierte Welle rollt – und die Gesundheitsminister bauen Quarantäne in Schulen ab: Nicht mehr für ganze Klassen

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