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14-Jähriger, der schon einmal im Klassenraum zustach, ist wegen Mordes angeklagt

HEIDELBERG. Ein toter 13-Jähriger am Boden, neben ihm ein Junge mit einem Messer. Die Tat erschütterte im Frühjahr die Öffentlichkeit. Bereits die Vorgeschichte – der mutmaßliche Täter hatte zuvor schon einmal im Klassenraum zugestochen und einen Mitschüler schwer verletzt – war Anlass für eine breite Debatte über Jugendgewalt.

Das Gericht hat zu urteilen. Foto: Shutterstock

Die Tat sorgte für Entsetzen: Nicht nur, dass ihr im Februar in Baden-Württemberg ein 13-Jähriger zum Opfer fiel – der mutmaßliche Täter war selbst nur ein Jahr älter und der Polizei bereits wegen eines Messerangriffs auf einen Mitschüler bekannt. Doch ein Anti-Aggressions-Training fruchtete offensichtlich nicht.

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat am Mittwoch am Landgericht Heidelberg der Mordprozess gegen den 14-Jährigen begonnen. Der Angeklagte habe Angaben gemacht, sagte eine Gerichtssprecherin – mehr kann und darf sie nicht preisgeben. Denn wegen seines Alters gelten gesetzliche Vorgaben zum Jugendschutz. Erst über das Urteil will das Gericht öffentlich informieren, geplant ist es derzeit für Anfang Dezember. Für die Tat droht eine Jugendstrafe von bis zu zehn Jahren.

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Die Polizei hatte den 14-Jährigen mit einem Küchenmesser in der Hand neben der Leiche festgenommen. Er beteuerte seine Unschuld

Der 14-Jährige soll dem Opfer am 24. Februar in einem Waldstück in Sinsheim (Baden-Württemberg) aufgelauert haben, als der Junge dort mit einem Mädchen spazieren ging. News4teachers berichtete seinerzeit über den Fall. Den Vorwürfen zufolge sprach der Angreifer den 13-Jährigen an, stürzte sich von hinten auf ihn, brachte ihn zu Boden und stach ihm mit einem Messer dreimal in den Rücken. Er habe ihn auch an Brust und Hals verletzt, wobei die Hauptschlagader getroffen worden sein soll. Der 13-Jährige starb kurz darauf.Die Polizei hatte den 14-Jährigen mit einem Küchenmesser in der Hand neben der Leiche des Jungen und dem Mädchen im Stadtteil Eschelbach festgenommen. Er beteuerte seine Unschuld und schwieg nach früheren Angaben der Ermittler. Hinter der Tat steckten nach damaligen Erkenntnissen Eifersuchtsstreitigkeiten um das zwölfjährige Mädchen.

Die Staatsanwaltschaft kam mit Hilfe von Sachverständigen zu dem Schluss, dass der Jugendliche strafrechtlich verantwortlich war – «dass er also nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug war, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln». Daher klagte sie den Teenager wegen Mordes an.

Beide Jungen haben die doppelte, deutsch-türkische Staatsbürgerschaft. Der Getötete wurde nach islamischem Recht beerdigt. Rund 900 Menschen kamen am Wochenende nach der Tat zu einem Trauermarsch in den Ort.

Der mutmaßliche Täter hatte ein Anti-Aggressions-Training durchlaufen – zu wenig?

Der Fall hatte weit über Sinsheim hinaus für Aufsehen gesorgt und eine Debatte über den Umgang mit Tätern im Alter um die Strafmündigkeit ab 14 Jahren entfacht – zumal der Tatverdächtige bei der Polizei bekannt war: Im November hatte er an einer Realschule in Östringen im Landkreis Karlsruhe einen Mitschüler mit einem Messer schwer verletzt.

Danach kümmerte sich das Jugendamt um die Familie. Der damals strafunmündige 13-Jährige kam nach Angaben des Jugendamts für drei Wochen stationär in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendpsychiatrie unter und begann ein Anti-Aggressions-Training.

Das Mädchen, mit dem das Opfer im Wald spazieren war, soll in den Plan des Angeklagten involviert gewesen sein. In dem Verfahren vor der Großen Jugendkammer geht es aber nur um den Teenager. Zehn Fortsetzungstermine sind angesetzt, 34 Zeugen und drei Sachverständige geladen. Ein Urteil könnte demnach Anfang Dezember folgen.

Schon die Vorgeschichte, der Messerangriff im Klassenzimmer, hatte eine rege Diskussion um Jugendgewalt ausgelöst. «Solche Fälle sind extrem selten», sagte seinerzeit Matthias Schneider, Geschäftsführer der Lehrergewerkschaft GEW in Baden-Württemberg. Zahlen dazu seien schwer zu vergleichen, weil früher nicht jeder Fall in die Statistik eingegangen sei. Die tatsächliche Belastung der Schulen durch Gewaltexzesse sei deutlich geringer, als es oft den Eindruck mache, hieß es auch in einer Broschüre des Kultusministeriums in Stuttgart. Das Deutsche Jugendinstitut erklärte ebenfalls, dass von «Brutalisierung von Jugendgewalt» keine Rede sein könne.

„Da sitzen Schüler, die finden es toll, dass sie ein Messer dabei haben“

Der Chef der Deutschen Polizei-Gewerkschaft, Rainer Wendt, hingegen befand: «Schule ist kein geschützter Raum mehr. Da sitzen Jungs, die finden es toll, dass sie ein Messer dabei haben.» Lehrer sollten auch ohne gerichtlichen Beschluss die Taschen der Schüler durchsuchen dürfen, forderte er. Und sie müssten etwa wissen, wenn ein Schüler in der Freizeit wegen Gewaltbereitschaft auffalle. Dass die Lehrkräfte darüber informiert würden, verhindere im Moment aber der Datenschutz, so Wendt. News4teachers / mit Material der dpa

Messerangriffe von Schülern – Polizei-Gewerkschafter: „Schule ist kein geschützter Raum mehr“

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