
Vermeintliche Erleichterung in Corona-Zeiten für Kinder und Jugendliche in Schleswig-Holstein: Von November an müssen sie keinen Mund-Nasen-Schutz mehr tragen, wenn sie in den Schulen an ihren Plätzen sitzen. Für nicht geimpfte und nicht genesene Schüler bleibe die Testpflicht bestehen, kündigte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) am Dienstag in Kiel an. «Damit gehen wir einen weiteren Schritt in Richtung Normalität. Wir bitten herzlich darum, dass alle verantwortungsbewusst mit dem Schritt umgehen», sagte der Regierungschef – was immer das bedeuten soll.
Sollte es in einer Lerngruppe zu einer Infektion kommen, gelte dort für fünf Tage eine tägliche Testpflicht und eine Maskenpflicht. Günther wies auf die im Bundesvergleich hohe Impfquote in Schleswig-Holstein hin, die gemessen an der Gesamtbevölkerung bei 71,1 Prozent liege. In der Gruppe der 12- bis 17-Jährigen liege sie mit 53,9 Prozent auf dem Spitzenplatz der Bundesländer.
Ein wichtiger Grund für die Entscheidung sei, dass Kinder sich außerhalb der Schule – zum Beispiel beim Sport oder im Freundeskreis – ohne Maske treffen könnten. Oftmals sei der Kreis identisch mit der Schulklasse.
Inzidenz in Schleswig-Holstein ist um fast 100 Prozent gestiegen – in nur einer Woche
Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg am Montag in Schleswig-Holstein auf 58,0. Eine Woche zuvor hatte die Zahl neuer Ansteckungen je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen noch 32,6 betragen, am Sonntag 57,6. Die Hospitalisierungsinzidenz – also die Zahl der Corona-Kranken, die je 100.000 Menschen binnen sieben Tagen in Kliniken aufgenommen wurden – stieg von zuletzt 1,68 auf 1,75. Günther betonte, die Inzidenzentwicklung sei nicht mehr der entscheidende Faktor zur Lagebewertung. Auch Krankenhaus- und Intensivbelegung müssten stärker einbezogen werden. Hier sei die Situation im Land weiterhin stabil.
Bei den Kindern und Jugendlichen liegen die Inzidenzen aber deutlich höher. Die Stadt Neumünster verzeichnet unter Fünf- bis 14-Jährigen einen Wert von 207, die Stadt Kiel von 211 und der Landkreis Pinneberg von 216.
Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) nahm die Erwachsenen in die Pflicht: «Kinder- und Jugendliche unter zwölf Jahren können wir derzeit am besten schützen, indem wir Erwachsenen uns impfen lassen.» Auch Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) appellierte an die Erwachsenen: «Je disziplinierter wir als Erwachsene sind, je mehr von uns sich impfen lassen, desto mehr Entlastung kann es für unsere Kinder geben.» Das Spannungsfeld, Vorsicht zu wahren und zurück ins alte Leben zu starten, wird ihrer Überzeugung nach angesichts der aktuellen Entwicklung auch in den nächsten Wochen noch bestehen bleiben.
Heinold berichtete, das Land habe bisher für die Schulen 20 Millionen Selbsttests angeschafft. Die Kosten dafür hätten 73 Millionen Euro betragen. Es werde nach Bedarf nachbestellt. Der aktuelle Bestand reiche bis Mitte November.
Natürlich freuten sich (manche) Schüler, Lehrer und Eltern, wenn im Unterricht keine Masken mehr getragen werden müssen, teilte die SPD-Fraktionsvorsitzende Serpil Midyatli mit. «Aber wir können alle nur hoffen, dass auf die Freude nicht die Ernüchterung folgt.» Man könne nicht ignorieren, dass die Inzidenzzahlen in ganz Deutschland wieder steigen.
«Die allermeisten unserer Kolleginnen und Kollegen werden die heutige Entscheidung mit gemischten Gefühlen aufnehmen»
Für die Gewerkschaft GEW teilte die Landesvorsitzende Astrid Henke mit, man halte die Entscheidung vor dem Hintergrund des Infektionsgeschehens in Schleswig-Holstein für vertretbar. «Die allermeisten unserer Kolleginnen und Kollegen werden die heutige Entscheidung aber durchaus mit gemischten Gefühlen aufnehmen.» Unterricht ohne Maske mache auf der einen Seite das Unterrichten leichter. Auf der anderen Seite stehe die Sorge um die Gesundheit. «Uns erscheint es daher wichtig, sich nicht in falscher Sicherheit zu wiegen.» Wenn es notwendig sei, müsse man schnell zu strengeren Maßnahmen zurückkehren.
Welche Konsequenzen das Aus für die Maskenpflicht im Unterricht bedeuten kann, lässt sich gerade in Thüringen und Bayern beobachten. In den beiden „Freistaaten“ verzeichnen mittlerweile, mehrere Wochen nach der Lockerung, drei Dutzend Städte und Landkreise Inzidenzen unter Fünf- bis 14-Jährigen über 500 – in vier davon, in Thüringen der Kyffhäuserkreis sowie der Landkreis Sonnenberg, in Bayern die Landkreise Straubing-Bogen und Berchtesgadener Land, weisen in der Altersgruppe sogar Werte jenseits der 1.000 auf. Das Robert-Koch-Institut registriert immer mehr Schul-Ausbrüche – und zwar so viele wie nie. In Thüringen soll die Maskenpflicht nun inzidenzabhängig in einigen Regionen zurückkommen; das bayerische Landeskabinett wollte heute zu einer Krisensitzung zusammen, auf der über eine Rücknahme der Lockerung beraten wird. News4teachers / mit Material der dpa