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Corona verschlechtert das Sozialverhalten von Jugendlichen aus ärmeren Verhältnissen

KÖLN. Besonders Jugendliche aus ökonomisch schwächeren und bildungsfernen Schichten verhalten sich nach einer Corona-Infektion innerhalb der Familie weniger kooperativ und hilfsbereit als zuvor, zeigt jetzt eine Studie der Uni Köln. Das verstärke bereits bestehende Benachteiligungen zusätzlich, befürchten die Forscherinnen und Forscher.

Das Erleben einer Infektion am eigenen Leib oder im Familienkreis hat offenbar Auswirkungen. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Wenn zwischen der ersten und der zweiten Erhebungswelle einer wissenschaftlichen Studie ein einschneidendes Ereignis wie ein Lockdown im Zuge einer weltweiten Pandemie eintritt, kommt das ungelegen, möchte man meinen. Einem Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um den Kölner Verhaltensökonomen Matthias Sutter bot die unerwünschte Veränderung der Bedingungen allerdings auch eine unerwartete Erkenntnisgelegenheit: Erkrankt ein Familienmitglied am Corona-Virus, wirkt sich das besonders auf das Sozialverhalten von Jugendlichen aus ökonomisch schwächeren und weniger gebildeten Schichten negativ aus, fanden sie heraus.

Die Heranwachsenden fielen nicht nur in der Schule zurück, auch ihre nicht-kognitiven Fähigkeiten hätten messbar gelitten. Sie seien deutlich weniger prosozial als zuvor, formulieren die Wissenschaftler, sie verhielten sich mithin insgesamt weniger großzügig, altruistisch und kooperativ. Zudem sinke ihre Bereitschaft, anderen zu vertrauen. Neben nachlassenden schulischen Leistungen könne auch diese Entwicklung langfristig Nachteile für sie mit sich bringen.

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Ursprünglich sei es das Ziel der Studie gewesen, herauszufinden, inwiefern sich prosoziales Verhalten von Jugendlichen je nach sozioökonomischen Status ihrer Familien unterscheidet. Dazu sammelten die Forscherinnen und Forscher bereits im Herbst 2019 Daten von 5.000 Oberstufenschülerinnen und -schülern im Alter zwischen 15 und 17 Jahren aus drei französischen Regionen. Schon damals zeigte sich anhand von vier Experimenten bezogen auf das grundsätzliche, kooperative Verhalten der Jugendlichen eine Lücke zwischen Heranwachsenden aus sozioökonomisch besser und schlechter gestellten Familien. Jugendliche aus weniger wohlhabenden Familien mit einer geringeren Bildung verhielten sich demnach insgesamt weniger prosozial.

Zur zweiten Runde im Frühjahr 2020 herrschte auch in Frankreich der erste Corona-Lockdown. Anders als erwartet, nahmen daher deutlich weniger der Befragten erneut an den gleichen vier Experimenten teil. Insgesamt beteiligten sich noch 363 Jugendliche. Dabei stellten die Forscherinnen und Forscher fest: Eine Infektion innerhalb der eigenen Familie hatte die Schere zwischen den verschiedenen Bevölkerungsschichten mehr als verdoppelt. Während sich das Verhalten von Jugendlichen mit einem hohen Sozialstatus in diesem Fall kaum veränderte, verhielten sich diejenigen mit einem niedrigen Sozialstatus deutlich weniger prosozial.

Für Matthias Sutter ein durchaus bedenklicher Befund. Mehrere Studien hätten bereits in der Vergangenheit bewiesen, dass die Pandemie Menschen aus ökonomisch schwächeren und bildungsferneren Schichten in den Bereichen Gesundheit, Arbeitsmarkt und Bildung härter treffe als ökonomisch besser gestellte Mitbürgerinnen und Mitbürger. Die neue Studie zeige nun, dass sich COVID-19 auch auf das Sozialverhalten junger Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status deutlich negativer auswirke als bei ihren Altersgenossen mit höherem Sozialstatus. Da nun aber auch nichtkognitive Fähigkeiten wie Prosozialität deutlich zum Erfolg im späteren Berufsleben beitrügen, verstärke die Pandemie auch auf dem Gebiet des Sozialverhaltens bestehende Benachteiligungen. „Diese Entwicklung könnte sich langfristig negativ auf die Arbeitsmarktchancen der Betroffenen auswirken“, stellt Sutter fest. (zab, pm)

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