POTSDAM. Der brandenburgische Landkreis Elbe-Elster entwickelt sich zu einem der größten Corona-Hotspots in Deutschland. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Sonntag eine Sieben-Tage-Inzidenz für den Brandenburger Landkreis von 615,3 – unter Fünf- bis 14-Jährigen beträgt die Inzidenz sogar 2.421, der höchste jemals gemessene Wert in einer Altersgruppe. Die Kitas und Schulen bleiben trotzdem geöffnet. Der örtliche Landrat behauptet: Bei Kindern und Jugendlichen verliefen die Infektionen in aller Regel sehr mild, und das Risiko für schwere Verläufe sei sehr gering.
Wie der Landkreis Elbe-Elster mitteilt, werden dem örtlichen Gesundheitsamt aktuell täglich über 100 neue Covid-19-Infektionen gemeldet. Bei dieser Vielzahl von Fällen sei neben der bereits aufwändigen Fall- bzw. Indexermittlung (positives Ergebnis bei einer Testung) eine zeitnahe Nachverfolgung aller Kontakte (in der Regel zwischen 5 und 20 zu prüfende und nachzuverfolgende Kontakte je Indexfall) nicht mehr möglich, hieß es. Konsequenzen für die Bildungseinrichtungen? Keine. Die Kitas und Schulen laufen weiter im Regelbetrieb.
Die Devise lautet: Augen zu – und durch. „Im Hinblick auf das grundsätzliche Risiko, dass Kinder und Jugendliche auch Infektionen innerhalb ihrer Familien weitertragen, wäre es sicher wünschenswert, die Infektionsketten zu unterbrechen. Eine konsequente Quarantäne aller möglichen Kontaktpersonen würde zur Folge haben, dass in viel größerem Maße, als dies bislang schon der Fall ist, Kita-Gruppen und Schulklassen, wenn nicht sogar ganze Kindertagesstätten und Schulen, geschlossen werden müssten. Dies hätte zur Folge, dass voraussichtlich über die gesamte Infektionssaison der Kita- und Schulbetrieb weitgehend zum Erliegen kommt. Dies wäre weder unter Bildungs- noch unter psychologischen Gesichtspunkten im Interesse der Kinder und Familien vertretbar“, so erklärt Gesundheitsdezernent Roland Neumann einem Bericht des Lokalmediums „Niederlausitz aktuell“ zufolge.
Aus diesen Gründen, nämlich „der tatsächlichen Undurchführbarkeit und im Interesse der Kinder“, konzentriere das Gesundheitsamt „unter Abwägung von Risiken und des Gesundheitsschutzes“ seine Kapazitäten auf die Indexermittlung aller Infektionsfälle und die Ermittlung der Kontakte im familiären, häuslichen bzw. persönlichen Umfeld.
Für die Bildungseinrichtungen ist das Ergebnis dieser „Priorisierung“: Bei Infektionsfällen in Kitas oder Schulen werden nur noch Infizierte unter Quarantäne gesetzt. „Kontaktpersonen unter den Kita-Kindern bzw. Schülern werden nicht mehr ermittelt. Daher erfolgen bis auf weiteres auch keine weiteren Quarantänen mehr. Eltern sind im Rahmen ihrer Eigenverantwortung aufgefordert, bei Krankheitssymptomen weiterer Kinder den Arzt aufzusuchen. Unbenommen bleibt die individuelle Möglichkeit von Testungen“, so heißt es lapidar.
Und: „Zudem sind, wie auch bei anderen Krankheiten (z. B. grippalen Infekten), grundlegende Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen zu beachten. In erster Linie gehört dazu, dass Kinder oder auch Erwachsene mit Krankheitssymptomen eben nicht in Kontakt zu anderen treten, im Zweifel den Arzt aufsuchen und ihre Erkrankung auskurieren.“
An den Schulen in Brandenburg steigt die Zahl der Corona-Fälle rasant. Nach Angaben des Bildungsministeriums vom Freitag lag die Zahl der positiv getesteten Schülerinnen und Schüler bei 1267 (Stand: 4.11.). In der Vorwoche waren es mit 557 positiv getesteten Schülern weniger als die Hälfte. Bei den Lehrkräften waren es mit 124 Infizierten gut doppelt so viele wie in der Vorwoche, als 56 positiv Getestete gemeldet waren.
Das Infektionsgeschehen an den Schulen zieht die Gesamtinzidenz für Brandenburg offensichtlich nach oben: Die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche stieg landesweit auf 227,1 und damit deutlich in den roten Bereich der Corona-Warnampel. Aktuell werden in Brandenburg 265 Patienten wegen einer Covid-19-Erkrankung in Kliniken behandelt – davon 53 auf Intensivstationen. Vor einer Woche waren es noch 164 Patienten in Krankenhäusern, davon 38 auf Intensivstationen.
„Das Gesundheitsamt sieht insbesondere eine rasante Dynamik in den Gemeinschaftseinrichtungen Kita und Schule, besonders Grundschule“
Nicht alle Kommunen nehmen diese Entwicklung so lax hin wie der Landkreis Elbe-Elster: Die Landeshauptstadt Potsdam reagierte am Freitagabend mit neuen Regeln für Kontaktpersonen von Infizierten. „Das Gesundheitsamt sieht insbesondere eine rasante Dynamik in den Gemeinschaftseinrichtungen Kita und Schule, besonders Grundschule“, teilte die Stadt auf der Webseite mit. Unter anderem gebe es ab sofort in Kitas, Schulen und Hort keine Freitestung mehr und alle Kontaktpersonen müssten für zehn Tage in Quarantäne. Zudem gelte in allen Einrichtungen mit zwei und mehr Corona-Fällen eine Maskenpflicht, mit Ausnahme von Kita-Kindern unter 6 Jahren.
Aber auch in Potsdam ist von Kita- und Schulschließungen keine Rede – die Inzidenz liegt ja auch „erst“ bei 583 bei den Fünf- bis 14-Jährigen. Wie der Fall Elbe-Elster zeigt: Da ist noch Luft nach oben. News4teachers / mit Material der dpa
