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Psychologin und Mutter: “Bin mit meinem Land in einer toxischen Beziehung”

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BERLIN. Ja, was denn nun? Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnt: „Die 5. Welle wird kommen. Omikron stellt alles in den Schatten, was wir bisher in Pandemie gesehen haben.“ Gleichzeitig erklärt er, die Schließung der Bildungseinrichtungen sei wohl nicht nötig. Die Großveranstaltung Schule mit täglich elf Millionen Schülerinnen und Schülern sowie 800.000 Lehrkräften soll nach den Weihnachtsferien praktisch ohne Infektionsschutz weiterlaufen. Wie geht das zusammen? Gar nicht – meint die klinische Psychologin und Forscherin Dr. Ina Beintner.

Schulen sind sicher? Natürlich… Illustration: Shutterstock

Die Wissenschaftlerin und Psychotherapeutin Dr. Ina Beintner, die an der TU Dresden in den Bereichen Essstörungen und Körperbild gearbeitet hat, kommentiert in lesenswerten Posts auf Twitter die aktuelle Entwicklung. Daraus wird deutlich, wie psychologisch problematisch die – offensichtlich unehrliche – Kommunikation von verantwortlichen Politikern in der aktuellen Corona-Krise ist, gerade beim Thema Kita und Schule. Wir haben Tweets von ihr zu einem Text zusammengefügt.

Sie schreibt:

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„‘Schränkt eure Kontakte ein. Die Lage ist heikel.‘ ‚Schulen bleiben geöffnet, egal was kommt. Wir halten an der Präsenzpflicht fest.‘ Was Familien gerade erleben, ist ein Prototyp für Double-Bind-Kommunikation. Wie in einer toxischen Beziehung. Das ist psychisch extrem belastend.

Mein Land und ich, wir stecken in einer toxischen Beziehung. Und ich habe keine Ahnung, wie wir da wieder rauskommen und wieder Vertrauen zueinander finden. Wenn ich sehe, wie wir fast alle Chancen auf Veränderung, die diese Pandemie geboten hat, ungenutzt lassen. Aus Bequemlichkeit. In der Bildung. Im Gesundheitswesen. Und in unserem Streben nach immer mehr Wachstum.

“Wir brauchen mehr Ehrlichkeit: Bei der Entscheidung gegen Schulschließungen geht es in erster Linie um Betreuung”

Wenn ich beobachte, dass das Thema Long-Covid in der öffentlichen Diskussion kein Thema ist. Wenn ich sehe, dass es einzig darum geht, kurzfristig die Wirtschaft irgendwie am Laufen zu halten. Aber nicht langfristig gedacht wird. Und auch einfach als Mensch, wenn ich beobachte, wie wir die Intensivstationen volllaufen lassen, ungläubig, dass es das Ziel ist, so viele Menschen mit COVID intensivpflichtig werden zu lassen, wie das System gerade noch aushält.

Kann man in einer toxischen Beziehung mit seinem Land sein? Toxische Beziehung – ja das klingt wie Brigitte-Psychologie. Ich nutze den Begriff hier aber trotzdem, weil er verständlich ist. Menschen, die in so einer Beziehung feststecken, fühlen sich hilflos. Allein gelassen.

Und so fühle ich mich gerade mit meinem Land. Als Mutter, die ihre Kinder schützen und gleichzeitig einem hohen Infektionsrisiko aussetzen muss. Als Psychotherapeutin, die beobachtet, wie viele um sie herum langsam ausbrennen, ohne Chance auf zeitnahe Unterstützung.

Toxische Beziehung kann es in Partnerschaften geben, aber auch zwischen Eltern und Kindern. Gemeinsam ist ihnen, dass es keine Beziehungen auf Augenhöhe sind. Dass es einen stärkeren Part gibt, der seine Interessen gnadenlos durchsetzt. In einer toxischen Beziehung wird viel gelogen, verschwiegen, vertuscht, getäuscht. Bedürfnisse und Interessen werden ignoriert. Es gibt widersprüchliche Erwartungen, so dass man Dinge nur auf die eine oder andere Weise falsch machen kann. Nie richtig.

Wir brauchen hier mehr Ehrlichkeit: Bei der Entscheidung gegen Schulschließungen geht es in erster Linie um Betreuung. Damit Eltern weiter arbeiten können. Und vielleicht in dritter oder vierter Linie geht es um Bildung.“

Karl Lauterbach twitterte gestern (20. Dezember) Abend: „Neue UK Daten zu Omicron. (…) Ich interpretiere die Daten so, dass auch bei Omicron Kontaktreduzierungen wirken.“

Ina Beintner postete daraufhin: „Ok, nun müssen wir uns wirklich Sorgen machen. Anscheinend wurde Karl Lauterbach entführt. Sein Twitteraccount wurde von jemandem übernommen, der gestern zum ersten Mal über Übertragungswege von Coronaviren nachgedacht hat.“ News4teachers

 

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