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Kultusminister meint: “Noten sind nicht alles” (hält aber an Lehrplänen fest)

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MÜNCHEN. Der eine freut sich über die guten Noten, die andere traut sich nicht nach Hause: Zeugnisse sind ein heikles Thema. Erst recht in Zeiten einer Pandemie. Zu den heutigen Zwischenzeugnissen in Bayern melden sich daher kritische Stimmen zu Wort – aber auch vehemente Befürworter. Bemerkenswert ist eine Einlassung des Kultusministers, der zur Gelassenheit mahnt – selbst aber keineswegs den Leistungsdruck herausnimmt.

Der Leistungsdruck ist insbesondere für die Viertklässler in Bayern enorm (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Die Zwischenzeugnisse für die bayerischen Schülerinnen und Schüler werden heute ausgegeben – und prompt ist der Streit um deren Sinnhaftigkeit wieder aufgeploppt. Während Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) auch bei schlechten Noten zur Gelassenheit aufrief und das Sozialministerium auf Anlaufstellen aufmerksam machte, kritisieren die einen zu viel Druck auf den Nachwuchs, die anderen verteidigen das System als unverzichtbar.

«Wer gut abgeschnitten hat, fiebert dem Zwischenzeugnis entgegen, wer nicht in allen Fächern mit seiner Leistung zufrieden ist, ist vielleicht geknickt und macht sich Sorgen», meint Piazolo und betont: «Man darf das Zwischenzeugnis aber nicht überbewerten: Noten sind bei Weitem nicht alles im Leben.» Für das Kultusministerium selbst aber offenbar schon: Trotz der Pandemie wurden die Leistungsanforderungen nicht zurückgeschraubt; die Lehrpläne sind unverändert in Kraft. Für die Viertklässler in Bayern sind die Noten auf dem Zwischenzeugnis entscheidend für die Wahl der weiterführende Schule – das Gymnasium ist nur mit einem Notenschnitt von 2,33 oder besser erreichbar, die Realschule von 2,66.

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«Vielleicht liegt das Problem auch gar nicht allein an den schulischen Anforderungen, sondern in einer belastenden Situation, die sich auf die schulischen Leistungen negativ auswirkt», sagt denn auch Sozialministerin Carolina Trautner (CSU). Sie empfiehlt den Eltern eine gelassene Reaktion, die das Kind in den Mittelpunkt stelle und nicht die womöglich enttäuschten Erwartungen der Erwachsenen. Bei Bedarf gebe es etwa unter www.bke-beratung.de oder bei den Jugendämtern und Erziehungsberatungsstellen Unterstützung.

«In der Pandemie kann beim besten Willen nicht mehr von Vergleichbarkeit der Noten gesprochen werden»

Wenn es nach dem Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband ginge, müssten sich weder Kinder noch Eltern an diesem Freitag grämen. «Schule und Unterricht haben sich sehr verändert in den letzten zwei Jahren. (…) Das alles beiseite zu wischen und an einem überholten System der Leistungsbeurteilung festzuhalten, wird den jungen Menschen nicht gerecht», betont Präsidentin Simone Fleischmann.

In der Pandemie könne beim besten Willen nicht mehr von Vergleichbarkeit der Noten gesprochen werden, sagte Fleischmann. «Die Schülerinnen und Schüler waren unterschiedlich lang vom Präsenzunterricht ausgeschlossen, sie wurden unter völlig unterschiedlichen Bedingungen unterrichtet, die Unterschiede in der familiären Situation haben sich noch gravierender ausgewirkt.»

Auch die SPD-Landtagsfraktion forderte weniger Druck auf die 1,64 Millionen Schülerinnen und Schüler in Bayern. Die letzten Jahre hätten ihnen zum Teil alles abverlangt, betonte die bildungspolitische Sprecherin Margit Wild mit Blick auf Distanzunterricht, Wechselunterricht, Einsamkeit, Quarantäne und Lehrkräftemangel. «Nur die Notenvergabe soll genauso stattfinden wie bisher – das ist zynisch.»

Der Bayerische Realschullehrerverband sieht die Halbjahreszeugnisse hingegen als unverzichtbare Dokumentation des Leistungsstands an, die gerade in der Pandemie unerlässlich sei. «Die Schülerinnen und Schüler erhalten konkretes Feedback zum Status quo in allen Fächern und haben so die Möglichkeit, Lernrückstände in den kommenden fünf Monaten gezielt anzugehen. Aber auch Eltern und Lehrkräfte können besser unterstützen, wenn sie wissen, wo Defizite bestehen», argumentiert Verbandschef Jürgen Böhm.

Das Zwischenzeugnis wird standardmäßig immer am letzten Unterrichtstag der zweiten vollen Schulwoche im Februar ausgestellt. Allerdings gibt es in vielen Jahrgangsstufen und Schulformen auch alternative Leistungsbeurteilungen. So kann etwa an den Grundschulen auch ein sogenanntes Lernentwicklungsgespräch geführt werden. News4teachers / mit Material der dpa

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