BERLIN. Fällt in Schulen – trotz wieder steigender Inzidenzen – die Maskenpflicht im Unterricht? Angeblich ist vorgesehen, dass das neue Infektionsschutzgesetz (das ab dem 20. März fällig wird) den Ländern die Schutzmaßnahme verbietet, außerhalb von nicht näher definierten Corona-Hotspots jedenfalls. Dabei sind Masken in Klassenräumen, so zeigt eine aktuelle US-Studie auf, überaus sinnvoll – mit Wirkung weit über die Schulen hinaus. KMK-Präsidentin Prien sprach sich gegen ein Verbot der Maskenpflicht im Unterricht aus, vorerst jedenfalls.
„Nach fast zwei Schuljahren fallen jetzt endlich die Masken!“ – behauptet jedenfalls „Bild“ in einem aktuellen Bericht. Österreich und die Schweiz „und viele andere Länder“ hätten die Masken in Schulen schon abgeschafft. Jetzt ziehe die Ampel-Regierung nach, so „Bild“: „Spätestens ab 2. April dürfen die Bundesländer keine Maskenpflicht mehr in Schulen anordnen! Der Gesetzentwurf soll kommende Woche beschlossen werden.“
Richtig ist: In Österreich ist die Maskenpflicht von Schülern am Sitzplatz (nicht in den Schulen) seit dem 14. Februar in Grundschulen und seit dem 21. Februar in weiterführenden Schulen abgeschafft. Seitdem ist die Inzidenz von 1.946 auf aktuell 2.528 gestiegen. Ähnlich die Entwicklung in der Schweiz: Dort haben immer mehr Kantone die Maskenpflicht im Unterricht aufgehoben – nach einem Rückgang der landesweiten Inzidenz kocht das Infektionsgeschehen aktuell wieder hoch. Der Wert liegt bei 1.906. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Inzidenz derzeit bei 1.388.
“Bild” zitiert Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP): „Die Maskenpflicht an Schulen endet. In Schulen soll getestet werden können.“ Weitergehende Maßnahmen seien nur noch in sogenannten Hotspots verpflichtend. Wann gelte eine Region als Hotspot? Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe erklärt, so das Blatt, dass dafür eine gefährlichere Variante auftreten oder die Krankenhausversorgung gefährdet sein müsste. Schwellenwerte soll es nicht geben, da diese „aus medizinischer Sicht keinen Sinn ergeben“, so zitiert „Bild“ den Sozialdemokraten.
“Kinder erkranken nicht schwer, warum sollten ausgerechnet sie so intensiv überwacht und eingeschränkt werden?“
„Auch die Testpflicht an Schulen wackelt!“ – behauptet „Bild“, die seit Beginn der Pandemie gegen Schutzmaßnahmen an Schulen polemisiert. Einen Beleg bleibt die Redaktion schuldig. Stattdessen zitiert sie Dr. med. Thomas Fischbach, Vorsitzender des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ): „Seitdem sich jeder impfen lassen kann, ist das anlasslose Massentesten nicht mehr sinnvoll. Kinder erkranken nicht schwer, warum sollten ausgerechnet sie so intensiv überwacht und eingeschränkt werden?“ Das Testen sei belastend und störe den Unterricht.
Zur Einordnung: Fischbach hatte bereit im Herbst vergangenen Jahres ein Ende der Testpflicht an Schulen sowie ein Aus für die Maskenpflicht im Unterricht gefordert. Seitdem wurden – trotz Masken- und Testpflicht – Millionen von Schülern in Deutschland infiziert, mussten sich mehr als 100.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland aufgrund von symptomatischen Corona-Infektionen in ärztliche Behandlung begeben. Hunderte von Kindern leiden infektionsbedingt unter Long Covid und PIMS. Drei Dutzend weitere Kinder und Jugendliche sind Corona-bedingt verstorben.
Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Karin Prien (CDU), sprach sich gegen ein Verbot der Maskenpflicht im Unterricht aus – vorerst. «Wenn es nach uns ginge, müsste auch die Möglichkeit, die Maske zu tragen, noch eine Weile fortbestehen», sagte die schleswig-holsteinische Kultusministerin vor einer KMK-Sitzung am Donnerstag im ZDF-«Morgenmagazin». «Hier ist die Gesetzeslage bisher unklar. Der Bund hat hier noch keine abschließende Entscheidung getroffen. Darauf warten wir dringlich.»
«Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten Wochen sukzessive alle Maßnahmen werden abbauen können»
Prien sagte: «Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten Wochen sukzessive alle Maßnahmen werden abbauen können. Der Zeithorizont ist eher Richtung Ende April, Mai.» Die großen Öffnungsschritte, die insgesamt gemacht würden, dürften an den Schulen nicht vorbeigehen. «Auch Schulen müssen schrittweise den Weg in die Normalität gehen.» Dies müsse aber behutsam geschehen. «Das bedeutet auch, dass die Test nicht sofort auslaufen werden.»
Wie wirkungsvoll die Maskenpflicht im Unterricht für das allgemeine Infektionsgeschehen ist, zeigt eine aktuelle Untersuchung auf: Im US-Staat Arkansas kam es während der Delta-Welle in Distrikten mit allgemeiner Maskenpflicht an Schulen unter Schülern und Lehrern zu signifikant weniger Corona-Infektionen als in Distrikten ohne Maskenpflicht. Dies berichtet das „Ärzteblatt“ unter Berufung auf eine Studie im Morbidity and Mortality Weekly Report (MMWR 2022; DOI: 10.15585/mmwr.mm7110e1). Arkansas hatte es im Herbst 2021 – während der Delta-Welle – den Schulbehörden der einzelnen Distrikte überlassen, eine Maskenpflicht anzuordnen oder nicht. Dies ermöglichte den wissenschaftlichen Vergleich.
Tatsächlich kam es in den Distrikten, in denen die schulische Maskenpflicht eingeführt wurde, zu einem um 23 Prozent schnelleren Rückgang der Infektionszahlen als in den Distrikten ohne Maskenpflicht – wohlgemerkt: im gesamten Distrikt, nicht nur in den Schulen. In Bezirken, in denen eine abgeschwächte Maskenpflicht galt (etwa mit Befreiung von Sport- und Musikunterricht oder auf dem Schulhof), gingen die Infektionen weniger stark und statistisch nicht signifikant zurück.
Wenn die Maskenpflicht gestrichen wird, verdoppelt sich das Infektionsrisiko im Klassenraum
Dass in Schulen grundsätzlich ein besonders hohes Infektionsrisiko besteht und dass Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko dort auch in der aktuellen Omikron-Welle signifikant senken können, macht eine aktuelle Studie von Wissenschaftlern des Hermann-Rietschel-Instituts der Technischen Universität Berlin deutlich. Selbst wenn die Abstandsregel (die im Unterricht nicht gilt) eingehalten würde, wenn (wie vorgeschrieben) regelmäßig gelüftet wird und wenn (wie derzeit noch in den meisten Bundesländern üblich) Maskenpflicht gilt, dann besteht den Forschern zufolge in einem Setting mit einem Infizierten im Raum in einem Muster-Klassenraum ein R(eproduktions)-Wert von 9,7, heißt: Innerhalb eines sechsstündigen Schultags werden sich im Schnitt 9,7 Kinder anstecken.
Wenn die Maskenpflicht gestrichen wird, verdoppelt sich das Infektionsrisiko im Klassenraum. Bedeutet: Eine infizierte Person würde im Schnitt 19,4 Menschen bzw. Schüler innerhalb des sechsstündigen Schultags anstecken. News4teachers / mit Material der dpa
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