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Mehrheit will keine Aufhebung der Maskenpflicht in Schulen – Meinungsforscherin warnt die Politik

ERFURT. Wohl kaum jemand kennt die deutschen Corona-Befindlichkeiten besser als Cornelia Betsch. Die Erfurter Professorin berät seit kurzem auch als Mitglied des Expertenrats die Bundesregierung – und warnt die Politik davor, keine Vorbereitungen für den kommenden Herbst zu treffen: Komme es etwa wieder zu Schulschließungen, gehe politisches Vertrauen weiter verloren. Einer aktuellen Umfrage zufolge gibt es eine deutliche Mehrheit unter den Bürgern für eine Beibehaltung der Maskenpflicht in Schulen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält sich bedeckt – derweil fällt der Infektionsschutz (auch) in den Schulen. Foto: Shutterstock / Juergen Nowak

Talkshows? Nein, da sei sie eher zurückhaltend. Zweimal war sie bei Anne Will, andere habe sie mehrmals abgesagt. Und das, obwohl Cornelia Betsch seit zwei Jahren so tief in die Corona-Seele der Deutschen blickt, wie kaum jemand anderes. «Ich hätte das auch anders entscheiden können. Anfragen gab es viele», sagt die Erfurter Psychologin und Professorin für Gesundheitskommunikation. Aber sie wolle nah an den Daten kommunizieren – und sich nicht mit ihrer persönlichen Meinung in den Vordergrund stellen.

Hatten Virologen oder Modellierer in der Corona-Krise vor allem die Eigenschaften des Virus im Blick, kennt Betsch die Sorgen, Ängste und Wünsche der Bevölkerung. Seit März 2020 fragt sie gemeinsam mit ihrem Team in der Cosmo-Studie (Cosmo = «Covid-19 Snapshot Monitoring») nach den Corona-Befindlichkeiten in Deutschland. Zuletzt ist die 43-Jährige in den Expertenrat der Bundesregierung zu Corona berufen worden. Am 1. April soll sie den Deutschen Psychologie Preis 2021 empfangen. Die Verleihung war zuvor verschoben worden – wegen Corona.

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Wie nehmen die Menschen ihr persönliches Infektionsrisiko wahr? Wie stehen sie zu Impfungen? Wie hoch ist ihr Vertrauen in politische Entscheidungsträger? Regelmäßig wurden in der Cosmo-Studie 1000 zufällig ausgewählte Menschen zu diesen und anderen Themen befragt. Was am Anfang als eine Studie mit fünf Erhebungen ausgelegt war, ging im März 2022 in die 61. und vorerst letzte Runde. «Wir machen seit zwei Jahren Tag und Nacht fast nichts anderes», fasst Betsch die Pandemie-Zeit zusammen.

«Wir sehen eindeutig, dass sich das Narrativ des milden Verlaufs durchsetzt»

Aktuell zeichne sich trotz Rekord-Infektionszahlen bei vielen Menschen Entspannung bei Corona ab, sagt Betsch auf Basis der aktuellen Erhebung. Die Menschen gingen zwar angesichts hoher Zahlen eher davon aus, sich zu infizieren. Sie hätten davor aber weniger Angst. «Wir sehen eindeutig, dass sich das Narrativ des milden Verlaufs durchsetzt.» Dazu kämen die politischen Lockerungsdebatten der vergangenen Wochen, die zur gefühlten Entspannung beitrügen. Der Krieg in der Ukraine habe hingegen keinen Einfluss auf die Risikowahrnehmung durch Corona.

Was aktuelle Corona-Debatten in Deutschland angeht, leitet Betsch, die sich seit Jahren wissenschaftlich mit Impfentscheidungen befasst, mehrere Botschaften aus den Erhebungen ab. Zum Einen habe die freiwillige Impfbereitschaft in Deutschland mittlerweile einen Deckel erreicht. Brauche es höhere Impfquoten, komme die Politik um eine allgemeine Pflicht kaum herum. Das werde auch immer wieder in den offenen Antworten in der Studie gefordert.

«So eine Impfpflicht kommt aus psychologischer Sicht nicht ohne Kosten. Einige Menschen haben Angst vor der Impfung, das macht aus dieser Entscheidung etwas psychologisch Heißes.» Sie müsse also gut kommuniziert werden. Vorstellbar sei, nun ein Gesetz für die Impfpflicht zu verabschieden und ein Impfregister oder einen ähnlichen Mechanismus aufzusetzen – es aber erst dann «scharf» zu stellen, wenn es benötigt wird.

«Die große Mehrheit hat das Gefühl, dass das Virus eine gewisse Gefahr darstellt, vor der es sich zu schützen gilt»

«Die Leute erwarten jetzt, dass der Herbst gut vorbereitet wird», sagt sie weiter. Passiere das nicht und komme es etwa wieder zu Schulschließungen, gehe politisches Vertrauen weiter verloren. Das drohe auch dann, wenn Lockerungen zu schnell vonstatten gehen. Die große Mehrheit habe das Gefühl, dass das Virus eine gewisse Gefahr darstellt, vor der es sich zu schützen gilt. «Und das funktioniert in der Meinung der meisten am besten durch Regulierung – nicht mit Empfehlungen.» Laufe etwa die Maskenpflicht aus, gehe sie davon aus, dass schon bald nur noch wenige Masken im öffentlichen Raum zu sehen sind.

«Man hat immer das Problem des Stigmas. Wenn man weiter Maske trägt, kommuniziert man auch etwas über sich – etwa, dass man Corona hat oder besonders vulnerabel ist», erläutert Betsch. Die Menschen hätten sich an die Pflicht inzwischen gewöhnt. «Und da jetzt auf Eigenverantwortung zu setzen, darauf sind wir nicht trainiert und dazu fehlt auch die Kommunikation.»

In den Schulen wird die Maskenpflicht wohl bundesweit am 2. April enden, wenn die Übergangsfrist des neuen, von der Ampel beschlossenen Infektionsschutzgesetztes ausläuft. Danach dürfen Landesregierungen Masken im Schulbetrieb nur noch in sogenannten «Corona-Hotspots» vorschreiben. Eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger spricht sich allerdings gegen diese Lockerung aus. 61 Prozent der Befragten halten die Aufhebung der Maskenpflicht in Schulen, Restaurants und beim Einkaufen für falsch, nur gut ein Drittel (36 Prozent) befürworten sie, wie aktuelle eine Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des Morgenmagazins ergab.

Generell rate sie der Politik, so Betsch, sich nicht zu sehr von einer Minderheit hinreißen zu lassen. Der Anteil der Menschen, der die Corona-Maßnahmen übertrieben findet, sei in den Erhebungen nie unter 15 Prozent gefallen, sondern habe eher bei 20 bis 30 Prozent gelegen – auch im Sommer, als wenige Einschränkungen galten. «Es gibt also einen gewissen Satz Menschen, denen kann man es nie recht machen. Und das müssen sich auch Politiker viel bewusster machen.»

Auch Betsch hat das schon erfahren müssen: Sie und ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hätten Drohmails erhalten, teils seien ihnen Schläge auf dem Campus angedroht worden. Im Vergleich zu anderen Corona-Experten habe sie aber einen noch etwas leichteren Stand: «Wir sind ja auch ein bisschen für die Leute da und transportieren deren Meinung.»

«Kitas, Schulen und Betreuungseinrichtungen bergen durch die hohe Zahl an Kontakten unmittelbare Infektionsrisiken»

Wichtig sei aber auch, es den Menschen, die sich an Regeln halten wollen, möglichst leicht zu machen. Dazu gehöre auch, die Regelungen nicht zerfleddern zu lassen. «Man kann mit Kommunikation nicht alles reparieren, was schlecht gemacht ist.» Seit Dezember kann die Erfurterin selbst daran mitarbeiten, wie es besser gehen könnte: Im Expertenrat der Bundesregierung erarbeitet sie gemeinsam mit etlichen anderen Pandemie-Experten wie etwa dem Virologen Christian Drosten Handlungsempfehlungen. «Gegen diese Stellungnahmen wird diese Regierung sich irgendwann auch mal messen lassen müssen», sagt sie.

Für den Schulbetrieb gilt dann schon mal: Empfehlungen missachtet. «Kitas, Schulen und Betreuungseinrichtungen bergen durch die hohe Zahl an Kontakten unmittelbare Infektionsrisiken», so heißt es in einer aktuellen Stellungnahme des Expertenrats zu Kindern und Jugendlichen in der Pandemie. Und weiter: «Um neue Infektionen so weit wie möglich zu verhindern empfiehlt der ExpertInnenrat, den Betrieb der o. g. Einrichtungen unter Umsetzung insbesondere der AWMF-S3-Leitlinie zur Sicherstellung des Schulbetriebs unter Pandemiebedingungen durch bestmöglich implementierten Infektionsschutz so sicher wie möglich zu gestalten.»

Die S3-Leitinie, die von 27 Fachgesellschaften unter Regie des Bundesbildungsministeriums entwickelt und noch im März 2022 aktualisiert wurde, sieht bei hohem Infektionsgeschehen unter anderem eine Maskenpflicht in Schulen vor – die wird gerade von immer mehr Bundesländern gestrichen. News4teachers / mit Material der dpa

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