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Eltern beklagen Lerndefizite bei ihren Kindern und merken von Aufholprogrammen wenig

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STUTTGART. Die Corona-Pandemie hat den Schulalltag erschwert. Große Lerndefizite und psychische Belastungen bei Schülern waren die Folge – so die Ergebnisse einer Umfrage im Auftrag des Philologenverbands Baden-Württemberg. Bei 62 Prozent der Kinder sei der Lernerfolg deutlich beeinträchtigt, wie die Vizechefin des Landesverbandes, Karin Fetzner, in Stuttgart mitteilte.

Wo sind sie denn, die “Aufholprogramme”? Eltern merken davon wenig. Foto: Shutterstock

Je länger die Schließung während der Pandemie andauerte, umso mehr hätten sich die Probleme bemerkbar gemacht. In der Mittelstufe dauerte der Fernunterricht am längsten. Die Grundschüler und die Oberstufe seien früher wieder in den normalen Unterricht zurückgekehrt.

Zugleich gaben die befragten Eltern an, dass bei 42 Prozent der Kinder die sozial-emotionale Entwicklung deutlich beeinträchtigt sei. Fetzner kritisierte mit Verweis auf die Daten, dass das Corona-Förderprogramm «Lernen mit Rückenwind» bei den Schülern nicht ankomme. Es würden nur fünf Prozent der Kinder bisher an einer «Rückenwind»-Maßnahme teilnehmen. So beklagten auch Eltern, dass es keine passenden Angebote gebe.

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Das Kultusministerium wies die Kritik des Verbandes zurück. Ressortchefin Theresia Schopper (Grüne) sagte, «Lernen mit Rückenwind» sei das richtige Programm – das vor Ort auch schon gut funktioniere. «Es lässt den Schulen Freiräume, um Angebote entsprechend der Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler zu machen.» Über 8000 Unterstützungskräfte und mehr als 2000 Kooperationspartner hätte man aktuell im System – und man habe eine Förderung auch in den Ferien ermöglicht.

«Die Wahrheit ist: Wir brauchen Lehrkräfte – Lehrkräfte – Lehrkräfte! Und weiteres pädagogisches Personal!»

Der FDP-Politiker Timm Kern sagte, die Landesregierung müsse nun nachsitzen und ein klares Konzept vorlegen, wie wirksam Lerndefizite von Schülerinnen und Schülern beseitigt werden könnten. Der bildungspolitische Sprecher von der SPD, Stefan Fulst-Blei, erklärte, die Ergebnisse der Umfrage seien eine schallende Ohrfeige für die Landesregierung und zeigten massiv die Defizite der Bildungspolitik des Landes auf. «Die Wahrheit ist: Wir brauchen Lehrkräfte – Lehrkräfte – Lehrkräfte! Und weiteres pädagogisches Personal!»

Und Kern meinte weiter: «Doch auch im Hinblick auf kommende Corona-Wellen scheint Grün-Schwarz untätig zu verharren.» Die Umfrage fördere aus Sicht der Lehrergewerkschaft auch Defizite bei der Ausstattung der Schulen mit Lüftungsgeräten zutage. Hier forderte Verbandschef Ralf Scholl mehr finanzielle Mittel vom Land und den Kommunen. Der Schutz der Klassenräume gegen Corona sei auch zwei Jahre nach Beginn der Pandemie absolut löchrig. Nur ein Drittel aller Klassenräume hätten CO2-Ampeln, nur 14 Prozent Raumluftreiniger. «Die Schulen müssten schon heute möglichst coronasicher für den Herbst und Winter gemacht werden.»

Die Umfrage

Der Philologenverband Baden-Württemberg hat die Ergebnisse einer repräsentativen forsa-Studie zu den Auswirkungen von Corona auf den Schulbetrieb und die Kinder und Jugendlichen vorgelegt. Zwischen dem 02.02.2022 und dem 22.02.2022 wurden dafür 1006 repräsentativ ausgewählte Eltern und Erziehungsberechtigte in Baden-Württemberg befragt, die aktuell Kinder in der Schule haben.

Demnach

  • ist bei 62% der Kinder der Lernerfolg durch Corona deutlich beeinträchtigt: 29% der Eltern stimmten dieser Frage „voll und ganz“ zu, 33% mit „eher ja“, 24% stimmen „eher nicht“ zu, 10% „gar nicht“ (der Rest machte keine Angaben).
  • ist bei 42% der Kinder die sozial-emotionale Entwicklung deutlich beeinträchtigt: 13 % sagten „sehr stark“, 29% „stark“, 47% „wenig“, 9% „gar nicht“ (Rest: keine Angabe).
  • nehmen nur 5% der Kinder bisher an einer „Rückenwind“-Maßnahme teil, 93% aber nicht (Rest: keine Angabe).
  • sind die „Rückenwind“-Maßnahmen für die teilnehmenden Kinder aber nicht ausreichend, wie 2/3 der Eltern von teilnehmenden Kindern angeben.
  • erklären 29% der Eltern von nicht an Rückenwind teilnehmenden Kindern: Es gibt kein passendes Angebot an der Schule für mein Kind.
  • erklären 5%, dass ihr Kind an privat organisierten Fördermaßnahmen teilnimmt.
  • erklären 51%, dass ihr Kind kein solches Programm benötigt.
  • sind nur in einem Drittel aller Klassenräume CO2-Ampeln vorhanden,
  • und nur in 14% aller Klassenräume Raumluftreinigungsgeräte vorhanden.
  • wurde 44% aller Kinder ein digitales Endgerät von der Schule zum Ausleihen angeboten, wobei nur 11% es benötigten. (Die anderen hatten ein privates Gerät.)
  • wurde 52% der Schüler noch kein digitales Endgerät von Seiten der Schule angeboten.

Auf die Frage nach acht- oder neunjährigem Gymnasium sprachen sich nur 6% der Eltern für ein ausschließliches G8 aus, 62% für ein ausschließliches G9 und 29% für eine Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9.

Zwei von drei Lehrkräften nennen Aufholprogramme von Bund und Ländern unzureichend

 

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