STUTTGART. Gegenüber der Arbeit von Lehrkräften an Privatschulen gibt es so manches Vorurteil – umso mehr, wenn es sich dabei auch noch um eine freie Bekenntnisschule handelt. Anlass für News4teachers mal bei jemandem nachzufragen, der oder die wissen muss, wie die Realität aussieht: einer Lehrkraft, die an einer solchen Schule arbeitet. Sarah-Myrin Steege unterrichtet Englisch, Geschichte, Wirtschaft und Gemeinschaftskunde im Sek I Bereich an der Freien Evangelischen Schule in Stuttgart-Möhringen.
News4teachers: Sprechen wir zum Einstieg übers Geld. Ein Vorurteil gegenüber Lehrkräften an Privatschulen lautet, dass sie weniger verdienen als Lehrkräfte an staatlichen Schulen und nicht Beamtin oder Beamter sein können…
Sarah-Myrin Steege: Also ich bin voll verbeamtet und ich bin auch gehaltlich komplett gleichgestellt.
News4teachers: Das heißt, Sie sind Beamtin des Landes Baden-Württemberg und freigestellt für die Arbeit an der freien Bekenntnisschule?
Steege: Genau. Das heißt, ich bin vom Staat an die Privatschule beurlaubt worden.
News4teachers: Was macht die Arbeit an einer freien Bekenntnisschule für Sie besonders?
Steege: Ich habe während meiner Lehrerausbildung Erfahrungen im Inland und Ausland sammeln können. So habe ich zwei Semester in Israel studiert, dort auch an einer internationalen Schule ein Praktikum gemacht, das war spannend. Interkulturalität spielte dabei eine große Rolle. Und genau das kann ich an unserer Schule einbringen. Wir werden jetzt einen Israelaustausch haben, was eine Riesengeschichte ist. Das haben wir jetzt über drei Jahre geplant – und ich habe gerade eben die Konferenz mit der konkreten Planung zu Ende gebracht. Das ist ein Projekt, das mich absolut begeistert, weil ich meine Begabungen und mein Know-how in meinen Beruf einbringen kann. Hier treffen Beruf und Berufung aufeinander.
Hier geht es tatsächlich nicht um einen Job, sondern um Berufung: 150 freie evangelische Schulen an mehr als 100 Orten in Deutschland bieten vielfältige Berufsaussichten für ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer.
Mit unseren gelebten christlichen Werten prägen wir unseren Schulalltag. Wir bieten: Kollegiales Miteinander an überschaubaren Schulen, Bekenntnis nicht nur privat, sondern täglich im Schulleben, moderne Ausstattung und Gebäude, gute Bezahlung. Wir wollen jungen Menschen tragfähige Antworten auf die Fragen des Lebens anbieten, unsere Glaubensbasis ist die „gemeinsame Basis des Glaubens“ der Evangelischen Allianz in Deutschland.
Spüren Sie den Unterschied, wenn Sie gemeinsam mit einem gemeindeübergreifendem Kollegium berufliche Herausforderungen meistern und so bereichernde Glaubenserfahrungen sammeln!
Ich habe selbst als Schülerin schon viele Austausche in Israel mitgemacht, das hat mein Leben positiv geprägt. Wenn man in die Vergangenheit zurückblickt, dann ist so viel Schmerzhaftes im deutsch-israelischen Verhältnis. Trotzdem schaut man mit Kindern und Jugendlichen nach vorne, wie wir gemeinsam die Zukunft gestalten können. Das verändert Leben. Diese Chance haben wir jetzt an unserer Schule. Wir schauen uns das Land an. Wir lernen die Leute kennen. Wir lernen ihre Traditionen kennen. Und natürlich spielen auch der Glaube und die Werte eine Rolle.
News4teachers: Ein Schüleraustausch mit Israel könnte aber auch von einer staatlichen Schule organisiert werden…
Steege: Israel spielt für uns als Christinnen und Christen eine besondere Rolle. Dort spielen so viele Geschichten, die von großer Bedeutung sind. Klar, jede andere Schule könnte das auch. Ich würde aber sagen, dass der Glaube hier auch Brücken bauen kann. Mit unserer Partnerschule hatten wir schon eine erste Begegnung. Die war besonders, weil der israelische Schulleiter auch ein religiöser Mensch ist. So hatten wir Momente, wo wir gemeinsam zu dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs gebetet haben. Da spielte der Glaube eine große Rolle. Das ist schon einzigartig.
News4teachers: Und wenn Schülerinnen und Schüler da nicht mitgehen?
Steege: Natürlich haben wir Schülerinnen und Schüler, die säkular sind, die kein Glaubensbekenntnis haben, andere sind gläubig, glauben eben an Gott. Die sind alle gleich willkommen. Die Mischung macht es, glaube ich.
News4teachers: Gibt’s weitere Besonderheiten, die für Sie als Lehrkraft an einer freien Bekenntnisschule wichtig sind?
Steege: Auf jeden Fall die Herzlichkeit im Kollegium, das Miteinander, das Begegnen auf Augenhöhe mit der Schulleitung. Ich respektiere meine Vorgesetzten natürlich. Wir haben eine klare Hierarchie. Aber da ist eine große Menschlichkeit, etwa wenn der Geschäftsführer einen beim Mittagessen fragt: Wie geht es dir? Was macht dein Unterricht? Wie kann ich dich unterstützen? Dieses herzliche Miteinander ist eine sehr wertschätzende Arbeitsatmosphäre, und sie gilt auch für die Schülerschaft und die Elternschaft. Das erscheint mir in vielerlei Hinsicht schon besonders. Deswegen habe ich mich gerne entschieden, hier nicht nur das Referendariat zu machen, sondern dann auch zu bleiben. Vor allem, weil ich eben auch gehört habe, was sonst so in Schulen im Gange ist.
News4teachers: Hat das Betriebsklima mit dem Bekenntnis zu tun, für das Ihre Schule steht?
Steege: Die Nächstenliebe spielt schon eine Rolle, den Mitmenschen hochzuachten, nicht nur die Kolleginnen und Kollegen, sondern auch die Schülerinnen und Schüler. Jedes Kind ist begabt, es ist von Gott gewollt – und dem versuchen wir zu begegnen. Klar, es geht schon auch um Professionalität, darum, zusammen zu arbeiten, exzellent zu sein, das Beste zu geben. Aber es steckt immer auch eine Herzlichkeit drin.
Ich erinnere mich an einen Moment vor drei Jahren. Da bekam ein Schüler die Diagnose, dass er Krebs hat. Das hat mich als sehr junge Lehrerin extrem beschäftigt, nachdem die Mama mir davon berichtet hat. Darüber konnte ich dann mit einem Kollegen und einer Kollegin sprechen. Das hat mir so viel Kraft gegeben. Und später sind wir dann auch gemeinsam in die Klasse gegangen und sprachen das respektvoll gegenüber den Kindern an. Wir konnten auch einen Moment der Stille nehmen. Einzelne Schüler haben dann in ein Gebet formuliert, einfach den Wunsch artikuliert, dass der Schüler wieder gesund wird. Das hat die ganze Atmosphäre so stark verändert. Als Christin oder Christ hat man einen Anker – die Hoffnung nämlich, dass alles, was hier auf der Erde ist, vergänglich ist, auch der Schmerz, dass aber eine Ewigkeitsperspektive besteht.
Sicherlich gilt das nicht für alle Schülerinnen und Schüler. Wir lassen auch immer Raum zu sagen: Ich kann da nicht mitgehen. Das ist in Ordnung. Wir respektieren, wenn manche sich damit nicht identifizieren. Mehr noch: Wir freuen uns, wenn auch Kontra oder Kritik oder Infragestellung kommt, weil wir nur dann tatsächlich authentisch sein können. Unsere Gesellschaft ist plural und vielfältig und kontrovers. Das versuchen wir hier auch abzubilden.
News4teachers: Also gibt es bei Ihnen nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen?
Steege (lacht): Nein. Jeder, der in einer Familie aufgewachsen ist und darin lebt, weiß, dass es immer mal Krach gibt und es auch knallt. Mir passiert es natürlich auch, dass ich mich als Lehrkraft auch mal nicht richtig verhalte – und dann muss ich mich entschuldigen und dann geht es weiter. Also für mich gehört entschuldigen und auch einen Fehler eingestehen auf jeden Fall dazu und genau das erwarte ich von den Kindern und von den Erwachsenen gleichermaßen.
News4teachers: Da bricht Ihnen als Lehrkraft kein Zacken aus der Krone?
Steege (lacht nochmal): Überhaupt nicht. Also, ich mache gerne Witze und nehme Schülerinnen und Schüler auch mal auf den Arm. Wenn ich dann merke, das war womöglich zu viel, dann schaue ich, dass ich das kläre – notfalls auch vor der Klasse. Ich sage dann: Hey, das war jetzt gerade zu weit gegriffen. Oder: Das konnte jetzt vielleicht falsch verstanden werden. Wenn Raum für ein Missverständnis entstehen könnte und ich das wahrnehme, dann möchte ich das auch berichtigen. Also ja, ich denke, in einer Ehrlichkeit und Authentizität steckt Autorität.
News4teachers: Sie geben auch Fächer wie Wirtschaft und Gemeinschaftskunde – das sind durchaus politische Fächer. Fließt da Ihr Bekenntnis ein?
Steege: Der Bildungsplan ist für uns bindend und gibt die Richtung an. Und unsere Schülerinnen und Schüler schreiben die gleiche Abschlussprüfung wie andere auch. Dementsprechend wollen wir sie auch gut und bestmöglich darauf vorbereiten.
Trotzdem schließt das eine das andere nicht aus. Ein Beispiel aus dem Wirtschaftsunterricht: In Klasse sieben kommen die Themen Konsumverhalten und Werbung auf. Dazu drehen wir dann auch selbst fiktive Werbeclips. Als ich mir die Ergebnisse angeschaut habe, habe ich gedacht: Wow, die Schüler haben sogar Täuschung angewendet in ihrem Werbeclip – so weit haben sie unsere Konsumwelt verinnerlicht. Sie wollten ihren Schokoriegel so gut wie möglich aussehen lassen und jedem das Gefühl geben, dass sich dadurch die Welt verbessert und dass sie damit glücklich sind. Einen guten Werbeclip zu drehen, genau das war die Aufgabe. Und dann habe ich gedacht, eigentlich kann ich das Ergebnis so nicht stehen lassen. Ein Schokoriegel wird mein Leben nicht verändern.
Deshalb habe ich gesagt: Okay, die Gesellschaft sagt uns, wie wir aussehen müssen. Die Influencer sagen uns: So und so funktioniert das Leben: Das haben wir dann gemeinsam hinterfragt: Macht uns das glücklich? Und im zweiten Schritt: Wo ist der Wert des Menschen? Das Grundgesetz sagt, die Würde des Menschen ist unantastbar. Aber wenn alles Fake ist, dann sind wir doch antastbar und dann sind wir doch nicht authentisch und echt – und werden wir dann überhaupt geliebt? Dann habe ich gesagt: Okay, schlagen wir doch mal die Bibel auf. Was sagt Psalm 139? Gott sagt, dass wir wunderbar und einzigartig sind. Unsere Identität und unser Wert werden nicht von Äußerem bestimmt. Glauben wir der Lüge, die wir manchmal sogar selbst produzieren? Glauben wir den Likes auf Instagram, auf TikTok? Oder glauben wir dem Wort Gottes? Dann war da plötzlich ein sehr offener Rahmen, um darüber zu sprechen, was wichtig ist.
Am Ende hat jeder Schüler und jede Schülerin für sich ein persönliches Fazit formuliert: Wer bin ich? Wie möchte ich sein? Wie möchte ich mich selbst sehen? Wie möchte ich andere sehen? Ich denke, so erziehen wir die Schülerinnen und Schüler zu mündigen Staatsbürgern. Und genau das ist mein Ziel – und dazu dienen an unserer Schule die Werte des Glaubensbekenntnisses als Orientierung. Aber wie gesagt, jeder ist frei. Unser Glaube ist ein Angebot. Andrej Priboschek führte das Interview / Agentur für Bildungsjournalismus
Lehrkräfte an Bekenntnisschulen: „Christen, die mit anderen Christen Schule machen möchten“
