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Lehrkräfte an Bekenntnisschulen: „Christen, die mit anderen Christen Schule machen möchten“

KARLSRUHE. Der Verband Evangelischer Bekenntnisschulen und Kitas (VEBS) ist die Interessenvertretung von bundesweit 180 christlichen Bekenntnisschulen und Kitas. „Sie alle wurden von Eltern gegründet, die damit ein Grundrecht unserer Verfassung (Artikel 7 Absatz 4 des Grundgesetzes) wahrgenommen haben“, so heißt es auf der Seite des Verbands. Tatsächlich jährt sich ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das für freie Bekenntnisschulen wegweisend war, in diesen Tagen zum 30. Mal. News4teachers sprach mit VEBS-Generalsekretär Prof. Wolfgang Stock über die Bedeutung des Richterspruchs – und die Perspektiven.  

Wer an einer freien Bekenntnisschule unterrichtet, der bekennt sich zu seinem Glauben. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

News4teachers: Was macht die Arbeit an einer Christlichen Bekenntnisschule aus Sicht einer Lehrkraft aus?

Prof. Wolfgang Stock: Die Lehrkräfte, vor allem diejenigen, die den Staatsdienst kennen, sind sehr gerne bei uns, weil es bekannt ist, dass unsere Kollegien ein sehr, sehr gutes Arbeitsklima haben, dass auch das Klima an der Schule, also mit Eltern und Schülern, oft anders ist als an staatlichen Schulen. Das gleicht es aus, wenn sie materiell vielleicht ein bisschen schlechter gestellt sein sollten. Zu uns kommen Christen, die gerne mit anderen Christen zusammen Schule machen möchten – was sie so an einer staatlichen Schule nicht mehr dürfen.

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News4teachers: Die Religion, der Glaube, ist also das verbindende Element für ein solches Kollegium?

Stock: Genau. Uns alle verbindet die „Gemeinsame Basis des Glaubens der Evangelischen Allianz in Deutschland.“

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News4teachers: Und was macht freie Bekenntnisschulen aus?

Stock: Freie Bekenntnisschulen, die bei uns im Verband Mitglied sind, wurden von Eltern gegründet, die ein großes Interesse an der Bildung ihrer Kinder auf der Grundlage der christlichen Werte haben, Werte auf der Grundlage der Bibel.

News4teachers: Und was ist das Besondere daran, wenn Schulen von Eltern gegründet werden – und nicht von Institutionen wie dem Staat oder der Kirche?

Stock: Dass diese Eltern dann aktiv mitwirken. Sie gestalten, später kontrollieren sie, sie sind unmittelbar beteiligt. Das geht weit über das hinaus, was man sonst ein- oder zweimal im Schuljahr als Eltern auf einem Elternabend tut. Bei uns werden auch große Schulen, die tausend oder dreitausend Kinder und Jugendliche bilden und erziehen, von Eltern geleitet. Natürlich professionalisiert, mit hauptamtlichen Leitungskräften, aber entscheidend sind da tatsächlich immer noch Eltern.

News4teachers: Also, ein Trägerverein ist dann für die Schule verantwortlich, auch für die Finanzen, und Schulleitung und Kollegium sind angestellt bei diesem Verein?

Stock: Genau. Es ist tatsächlich bei allen unseren 65 Mitgliedern so, dass es eingetragene Vereine sind – keine seelenlose GmbH, keine Aktiengesellschaft.

News4teachers: Für die Lehrkräfte an Ihren Schulen bedeutet das aber vermutlich schon, dass ein Beamtenstatus, wie an einer staatlichen Schule nicht zu erlangen ist?

Stock: Doch, je nach Bundesland ist das teilweise durchaus möglich. In Baden-Württemberg zum Beispiel ist es üblich, dass Lehrkräfte, die Beamtinnen und Beamte des Landes sind, für den Dienst an freien Schulen freigestellt werden. Lehrkräfte können sich sogar direkt nach dem Referendariat in den freien Schuldienst begeben und dort dann verbeamtet werden. Das gilt nicht nur bei uns, sondern an allen freien Schulen. In Nordrhein-Westfalen, wo es ja auch sehr viele freie Schulen gibt, ist es so, dass Mitarbeitende freier Schulen oft ein beamtenähnliches Vertragsverhältnis eingehen können. Das bedeutet, das sie durch Landesgesetz so abgesichert sind, dass sie im Fall der theoretischen Insolvenz ihres Arbeitgebers als Beamtinnen und Beamte in den Landesdienst übernommen werden. Das ist ein ganz spezielles Recht, das Nordrhein-Westfalen auszeichnet. In den anderen Bundesländern ist es zumindest theoretisch möglich, dass man als Beamtin oder Beamter in den freien Schuldienst kommt. Allerdings ist das zunehmend selten, weil die Länder in den Zeiten von Lehrermangel das nicht sehr großzügig bewilligen.

“An einer Bekenntnisschule lernt man im Zweifelsfall zu einem bestimmten Thema mehr – nämlich dieses Bekenntnis”

News4teachers: Vor 30 Jahren gab es ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das für die freien Bekenntnisschulen wegweisend war, weil es ihnen ein Existenzrecht zubilligte. Seinerzeit hatte die Hamburger Schulbehörde versucht, eine freie Bekenntnisschule in Hamburg zu verhindern. Warum eigentlich?

Stock: Es galt offenbar das Motto: „Das haben wir ja noch nie so gemacht – es gibt in unserem Zwei-Millionen-Menschen-Bundesland schon eine christliche, eine kirchliche Schule, und das reicht doch“. Aber die Bildungsverwaltung hätte das Grundgesetz lesen sollen, den Wortlaut von Artikel 7 Absatz 4 und 5, dann hätte man das Gegenteil schnell erkannt. Aber die Landesregierung hat es erstmal probiert.

News4teachers: Vom Juristischen abgesehen – warum war das auch inhaltlich falsch?

Stock: Im evangelischen Bereich gibt es ja nicht nur die Landeskirchen, also die großen Kirchen, die auch die Kirchensteuer einziehen dürfen. Sondern es gibt sehr viele Freikirchen und freie Gemeinden, die nicht zur Landeskirche gehören, und die abweichende Bekenntnisse haben. Zum Beispiel ein anderes Abendmahlsverständnis oder ein anderes Taufverständnis. Die Bandbreite geht von theologisch eher strengen Lutheranern und Brüdergemeinden bis hin zu eher liberalen Baptisten – also ein sehr breites Spektrum, was aber in der Öffentlichkeit gar nicht so bekannt ist. Und die Eltern von der Elterninitiative für eine freie evangelische Schule in Hamburg, die heute mehr als tausend Schüler an mehreren Standorten in Hamburg hat, die wollten eben ein etwas anderes Bekenntnis vermitteln als das der evangelischen Landeskirche.

Das gab es bis dahin in Hamburg nicht. Und das Bundesverwaltungsgericht, wie auch vorher schon das Oberverwaltungsgericht Hamburg, hat gesagt, dass das das gute Recht der Eltern ist, dass das Grundgesetz dies als Grundrecht schütze. Und das oberste Verwaltungsgericht hat dann eine Regel formuliert, die nicht nur für die christlichen Bekenntnisschulen wichtig ist, sondern zum Beispiel auch für Weltanschauungsschulen wie die Waldorfschulen – nämlich, dass im Grundschulbereich, in dem der Staat grundsätzlich das Monopol haben will, eben eine umfassende Weltanschauung oder ein Bekenntnis ausreicht, um auf dieser Basis eine Grundschule zu gründen. „Eine freie Grundschule ist dann zu erlauben, wenn der gesamte Unterricht von diesem Bekenntnis oder von dieser Weltanschauung durchdrungen ist“, so heißt es fast wörtlich in dem Urteil. Also, im Fall von christlichen Schulen nicht nur zwei Randstunden in der Woche, in denen der Pastor vorbeikommt und Religionsunterricht macht, sondern wirklich jedes Fach und an jedem Unterrichtstag – wann immer es inhaltlich passt.

News4teachers: Heißt das in der Praxis, an Bekenntnisschulen wird Kreationismus und nicht Darwins Evolutionstheorie gelehrt?

Stock: Nein! Aber ein schönes Beispiel, denn viele Menschen wissen nicht, dass auch an staatlichen Schulen sowohl die wissenschaftliche Theorie (Evolutionslehre) und auch sogenannte „nicht-wissenschaftliche Erklärungsmodelle“ den Schülern beizubringen sind. Heute geht es ja nicht mehr nur um Wissen, sondern um Kompetenzen. In den Lehrplänen z. B. von Nordrhein-Westfalen heißt es für staatliche Schule, die Schülerinnen und Schüler sollen in die Lage versetzt werden, beim Thema: „Wie ist die Welt und der Mensch entstanden?“ wissenschaftliche und nicht-wissenschaftliche Erklärungsmodelle zu unterscheiden.

News4teachers: Die Lehrpläne gelten auch an freien Bekenntnisschulen?

Stock: Ja, und diese Lehrpläne sagen ausdrücklich, dass Schülerinnen und Schüler die wissenschaftliche Meinung kennenlernen müssen, aber auch die nicht-wissenschaftlichen Deutungsmuster. Und genau das vermitteln wir auch.

News4teachers: Es ist also nicht so, dass sich jetzt eine freie Bekenntnisschule, ob christlicher Prägung, man kann sich ja auch andere vorstellen, ihre eigenen Lehren backen könnte – und sagen könnte, das ist jetzt unsere Weltanschauung?

Stock: Freie Schulen dürfen und müssen anders sein, aber ganz wichtig ist Artikel 7 Grundgesetz: Freie Schulen, egal welche, dürfen in ihren Lehrzielen und letztlich auch in den Kompetenzen, die sie vermitteln, den öffentlichen Schulen „nicht nachstehen“. Sie dürfen nicht weniger vermitteln als vergleichbare staatliche Schulen, denn als anerkannte Ersatzschulen bieten wir Hauptschul-, Realschul-, oder Gymnasialabschluss an. Und im Zeitalter von Zentralabitur kann man Biologie nicht bestehen, wenn man nicht Darwin kennt. Also, das ist eine Diskussion, die uns gerne aufgezwungen wird, die aber für Fachleute am Thema vorbeigeht. Das ist überhaupt nicht relevant.

Auf einen einfachen Nenner gebracht, könnte man sagen: An einer Weltanschauungsschule oder an einer Bekenntnisschule, die ja im Sinne des Grundgesetzes Geschwister sind, lernt man im Zweifelsfall zu einem bestimmten Thema mehr – nämlich diese Weltanschauung oder dieses Bekenntnis. Eine Waldorf- oder eine Christliche Schule dürfen für ihre Weltanschauung oder ihr Bekenntnis werben, auch im Unterricht – und das ist wichtig in der Abgrenzung, denn eine staatliche Schule und Lehrkräfte müssen heutzutage streng neutral sein!

Wichtig ist allerdings, dass diese Weltanschauung oder dieses Bekenntnis von den Lehrkräften an freien Schulen werbend vorgetragen werden darf, dass aber die Kinder und Jugendlichen nicht überwältigt werden dürfen. Sie müssen sich ihr eigenes Urteil bilden, und müssen sich auch dagegen entscheiden können.

“Die Bildungs- und Erziehungsziele, die in der Bundes- und Landeserfassung stehen, die sind auch für freie Schulen zwingend”

News4teachers: Wie sieht’s aus bei der Sexualerziehung?

Stock: Auch dabei gilt: Wir müssen mindestens das machen, was auch an der staatlichen Schule stattfindet. Es gibt ein verfassungsmäßig verankertes Erziehungsrecht der Eltern. Das gemeinsame Bekenntnis von Eltern und Lehrern muss sich auch in der Sexualerziehung zeigen. Der Unterricht gibt gesichertes Wissen weiter und fördert die Meinungsbildung der Schülerinnen und Schüler vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Entwicklungen, geltender Richtlinien und dem Glaubensbekenntnis als Grundlage der Schule.

News4teachers: Die Erziehungsziele der freien Bekenntnisschulen wurden vom Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich anerkannt. Welche sind das denn konkret?

Stock: Die Bildungs- und Erziehungsziele, die in der Bundes- und Landeserfassung stehen, die sind auch für freie Schulen zwingend. Da gibt es keine Einschränkung. Aber man darf zusätzlich noch die eigenen Werte leben und dafür werben. Und das ist es, was viele Eltern gerne möchten. Wenn sie ihr Kind an einer unserer Schulen anmelden möchten, hören wir oft: „Ich möchte, dass mein Kind Werte lernt und erlebt und praktiziert“. Werte, was viele zutreffend mit den 10 Geboten aus dem 2. Buch Mose oder mit der Bergpredigt von Jesus im Matthäusevangelium verbinden – das gehört zu dem, was Christliche Bekenntnisschulen besonders macht.

News4teachers: Wie ist die Nachfrage nach Ihren Schulen?

Stock: Die ist so groß, dass wir kaum mit dem Gründen neuer Klassen und auch neuer Schulen nachkommen – oft müssen wir leider die Hälfte der Anmeldungen ablehnen, weil wir nicht schnell genug neue Lehrkräfte finden. Wir sind zwar vermutlich besser versorgt als staatliche Schulen im Durchschnitt, aber wir suchen intensiv, denn wenn wir noch mehr christliche Lehrerinnen und Lehrer fänden, müssten wir nicht so viele Schulkinder abweisen. News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek führte das Interview.

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