DÜSSELDORF. Auftakt zum Deutschen Kitaleitungskongress (DKLK) in Düsseldorf: NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) schwört die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf neue Herausforderungen durch ukrainische Flüchtlingskinder ein – dabei ist die Corona-Krise noch nicht bewältigt. Und trotzdem lassen sich die Anwesenden nicht unterkriegen. Impressionen von Deutschlands Leitveranstaltung für Führungskräfte in der Frühpädagogik.
Sie sei seit 40 Jahren in Kitas tätig – und sie kenne es nicht anders, als dass sie und ihre Kolleginnen und Kollegen allein zusehen müssten, wie Probleme bewältigt werden könnten, so erklärt eine eigens aus Hessen angereiste Kita-Leiterin im Gespräch. Irgendwie. Besondere Unterstützung? Allzu häufig: Fehlanzeige. „Wir müssen immer wieder selbst Lösungen finden“, sagt sie lakonisch und zuckt mit den Achseln. Das sei in der Flüchtlingskrise 2015 so gewesen. Das sei in der Corona-Krise so gewesen. Und das werde wohl auch im Umgang mit den Flüchtlingskindern aus der Ukraine kaum anders laufen. Für sie sei die Hauptsache, dass sie Wertschätzung durch die Kinder, vor allem, und die Eltern erfahre – und die bekomme sie reichlich. Von der Politik erwarte sie hingegen wenig.
Das empfinden die allermeisten Kita-Leitungen in Deutschland nicht anders, wie auf dem Deutschen Kitaleitungskongress (DKLK) nun zu erleben war. Der ist zum Auftakt in Düsseldorf (weitere sechs Stationen in Deutschland folgen) mit 400 Kitaleiterinnen und Kitaleitern – tatsächlich fast nur Frauen – nahezu wieder so gut besucht wie zu Vor-Corona-Zeiten. Als weiteres Charakteristikum der Führungskräfte in der frühkindlichen Pädagogik wird auf dem DKLK deutlich: ein beeindruckender Wille, sich nicht von schwierigen Bedingungen unterkriegen zu lassen. Und selbst noch eine Schippe draufzulegen, indem Möglichkeiten zur Weiterqualifizierung genutzt werden.
„Resilient zu sein, bedeutet nicht, immer leidensfähiger zu werden, sondern einen guten Umgang mit persönlichen Ressourcen zu finden”
Das ist im Engagement der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Workshops und Seminaren auf dem Kongress erkennbar. Und das wird in den Ergebnissen der DKLK-Studie deutlich, die eigens zum Kongress unter bundesweit fast 5.000 Kitaleitungen erhoben worden war. Beeindruckende 84 Prozent davon, so erklärt Studienleiter Dr. Andy Schieler von der Hochschule Koblenz, nutzen Fort- und Weiterbildungsangebote, „deutlich mehr als in anderen Arbeitsfeldern“, wie Schieler ausführt – und damit Ausweis eines hohen Grades an Professionalisierung der Berufsgruppe. Über die DKLK-Studie berichtet News4teachers ausführlich – hier.
„Viele Kita-Leitungen sind sehr erschöpft und gleichzeitig extrem motiviert“, so heißt es auch bei der Pädiko Akademie, die als einer von zwei Dutzend Partnern des DKLK mit einem Stand auf der Ausstellungsfläche präsent ist. Die Themen, die bei dem Fortbildungsanbieter am stärksten nachgefragt sind: Sprachförderung, Kommunikation und der U3-Bereich, der Umgang mit den Allerkleinsten also. Die Leistungsbereitschaft der Klientel führe bei ihr immer wieder zu „Chapeau-Momenten“, sagt eine Mitarbeiterin.
Allerdings: Die sich immer noch weiter öffnende Schere zwischen sich verschlechternden Arbeitsbedingungen einerseits und einem außergewöhnlichen Verantwortungsbewusstsein andererseits verschärft durchaus die Gefahr des Ausbrennens – entsprechend groß ist das Interesse der Teilnehmenden an den Gesundheitsthemen, die auf dem DKLK einen inhaltlichen Schwerpunkt bilden. Vorneweg: Andreas Kuffner, Organisationsberater und Olympiasieger (im Rudern mit dem Deutschland-Achter 2012), der in seinem Auftakt-Vortrag viel Schwung ins Plenum bringt („Heute ist ein guter Tag – weil ich ihn zu einem guten Tag mache“) und den Fokus auf Resilienz, Widerstandskraft also, richtet. „Resilient zu sein, bedeutet nicht, immer leidensfähiger zu werden“, so erklärt er. Sondern: einen guten Umgang mit den persönlichen Ressourcen zu finden.
Und wie kann das gelingen? Die Leitungs- und Teamcoaching Christina Becker rät zum „Stressmanagement“. Heißt: die „Stressoren“ zu identifizieren, die das Belastungsempfingen verstärken. Welche sind das? In die Runde der Kitaleitungen gefragt, kommen Antworten wie: „Schon morgens überfallen werden“, „wenn jemand anderes meinen Tag verplant“, „Grenzüberschreitungen“, „ständiges Jammern“, „wenn Absprachen nicht eingehalten werden“. Zentral sei es, so Becker, sich schon präventiv auf solche Situationen einzustellen – und: sich mit Menschen auszutauschen, die in ähnlicher Funktion arbeiten. Führungsrollen machten einsam. Umso wichtiger sei das Netzwerken (wofür der DKLK ja auch gemacht ist). Christina Becker: „Schauen Sie in die Runde – und Sie sehen: Sie sind nicht allein.“ Schon diese Erfahrung entlaste.
„Es läuft die fetteste Corona-Welle, die ich je in Kitas erlebt habe. Gerade fallen alle aus“
„Auch das ist wichtig“, so referiert die systemische Beraterin Rebekka Asbach: „Erfolge zu sehen und zu feiern. Wo sind wir denn schon gut?“ Allerdings, so räumt sie ein, stößt die positive Psychologie an Grenzen, wenn es um objektive Defizite gehe – etwa um den derzeitigen Corona-bedingten Krankenstand. „Es läuft die fetteste Welle, die ich je in Kitas erlebt habe“, berichtet sie. „Gerade fallen alle aus.“
Abseits solcher Katastrophen-Szenarien lässt sich aber eine Menge tun. Umfassende Konzepte, die von Partnern des DKLK vorgestellt werden – von der „Guten gesunden Kita“ (Unfallkasse Nordrhein-Westfalen), über die „Sichere und gesunde Kita“ (Unfallkassen und Berufsgenossenschaften) bis hin zu JolinchenKids von der AOK – beziehen die Kita-Teams und Leitungen mit ein. Das ist offenbar nötig. Nicht einmal die Grundlagen stimmen überall: So hapert es bei manchen Trägern, wie zu hören ist, sogar immer noch an ergonomischen Stühlen fürs Kita-Personal, das in den Einrichtungen dann rückenschädigend auf Kindermöbeln hocken muss. Wenn sie einen Wunsch frei hätte – wie der denn lauten würde, so fragen wir die langgediente Kitaleiterin. Ihre Antwort: „Kleinere Gruppen“.
Doch darauf hoffen die Kitaleitungen wohl vergeblich. Joachim Stamp (FDP), NRW-Familienminister und stellvertretender Ministerpräsident, lobt in seiner Begrüßungsrede die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des DKLK für ihr Engagement („Ihr Beitrag war in den vergangenen zwei Jahren sehr sehr weit oben“) – und stimmt sie prompt auf neue Herausforderungen durch Flüchtlingskinder aus der Ukraine ein. „Es sind schlimme Zeiten“, so sagt er, und jeder müsse an seiner Stelle versuchen, die Probleme bestmöglich zu lösen. Reaktion der Kitaleiterin, die seit 40 Jahren gegen wachsende Probleme ankämpft: ein Lächeln. Und: „Wie immer…“ Agentur für Bildungsjournalismus
www.deutscher-kitaleitungskongress.de
DKLK-Studie offenbart einen sich deutlich verschärfenden Personalmangel in den Kitas