Ein Kommentar von News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek.
DÜSSELDORF. Mit der FDP in Nordrhein-Westfalen ist auch Schulministerin Yvonne Gebauer bei der gestrigen Landtagswahl abgestürzt. Das ist kein Wunder: Die Bilanz ihrer Corona-Politik fällt verheerend aus – darüber hinaus konnte sie schulpolitisch kaum Akzente setzen. Fünf verlorene Jahre für die mehr als 5.000 Schulen im Land.
„Ich gehe davon aus und werbe sehr dafür, dass wir Kitas und Grundschulen in jedem Fall wieder in Präsenz öffnen – unabhängig von den Inzidenzzahlen.“ Dies sagte die Kultusministerin bereits im Dezember 2020, zu einem Zeitpunkt also, als die zweite Corona-Welle bereits absehbar war, aber noch nicht ihre volle Wucht entfaltet hatte. Nur wenige Monate später – im Mai 2021 – stand die Ministerin vor den Trümmern ihrer politischen Karriere: Sie war als Spitzenkandidatin angetreten und krachend gescheitert; ihre Partei stürzte auf das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ab.
Die Rede ist von der damaligen baden-württembergischen Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU), die als Konkurrentin ihres Koalitionspartners und Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) angetreten war und im Wahlkampf offensichtlich auf die Stimmen aus dem Lager der Corona-Skeptiker setzte. Heute ist Frau Eisenmann in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwunden.
Auch Gebauer persönlich bekam in ihrem Wahlkreis gerade mal sechs Prozent der Stimmen – eine Demütigung für ein Regierungsmitglied
Das gleiche Schicksal droht nun der nordrhein-westfälischen Schulministerin Yvonne Gebauer, die mit ihrer FDP bei der gestrigen Landtagswahl dramatisch verlor. Mit Ach und Krach haben die Liberalen den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft. Auch Gebauer persönlich bekam in ihrem Wahlkreis gerade mal sechs Prozent der Stimmen zusammen – eine Demütigung für ein amtierendes Regierungsmitglied.
Was können wir daraus lernen? In der Corona-Krise hat sich keine Partei mit Ruhm bekleckert. Von den Wählerinnen und Wählern abgestraft wurden allerdings diejenigen, die Schutzmaßnahmen aus erkennbar wahltaktischem Kalkül heraus streichen wollten beziehungsweise gestrichen haben – was im Fall der Schulen und Kitas Millionen von Familien unmittelbar betrifft.
Die FDP hat in der Ampelkoalition im Bund das neue Infektions„schutz“gesetz durchgesetzt, das in Wahrheit nichts und niemanden schützt, sondern den Ländern Schutzmaßnahmen für ihre Bildungseinrichtungen in der Fläche sogar ausdrücklich verbietet. Und Gebauer war die willige Exekutorin dieses liberalen Öffnen-um-jeden-Preis-Kurses, die Kritikern auch noch zynisch entgegenhielt, sie könne gar nicht anders – ihr Nicht-Handeln entspreche ja nur der Rechtslage. Und die sich selbst mit Maske und großem Abstand vor maskierte Kinder zum PR-Termin in ein Klassenzimmer setzte, nachdem sie den Lehrkräften im Land diese Schutzmaßnahmen genommen hatte.
Klar, die Menschen sind Corona-müde. Wer hat schon Lust auf eine Pandemie? Gleichwohl wollen die allermeisten Bürgerinnen und Bürger, das legen die Wahlergebnisse nahe, einen problemangemessenen (und keinen ideologischen) Umgang der politisch Verantwortlichen mit der Krise.
Der Wahlforscher Prof. Jürgen Falter sagt gegenüber der “Augsburger Allgemeinen” zum Absturz der FDP: „Gefährdete Bevölkerungsgruppen entscheiden sich lieber für die Sicherheit einer Maske, statt für die Freiheit sie wegzulassen.“ Bund und Länder – vor allem die neue nordrhein-westfälische Landesregierung – wären deshalb gut beraten, sich jetzt endlich vom fatalen Laissez-faire-Kurs der Liberalen zu verabschieden und damit zu beginnen, die Kitas und Schulen auf einen möglicherweise wieder stürmischen Corona-Herbst vorzubereiten.
Einen dritten Winter mit Schul-Chaos, heißt: im Zickzack-Kurs bei Masken, ohne Luftfilter, mit weit offenen Fenstern, infektionsbedingt hohen Krankenständen und entsprechendem Unterrichtsausfall bis hin zu Schulschließungen, kann sich Deutschland einfach nicht leisten. Bildungsministerinnen, die Lehrer, Schüler und Eltern in der Krise allein lassen, auch nicht.
Nichts von dem, worauf es wirklich ankommt, wurde während Gebauers Amtszeit auch nur im Ansatz angegangen
Bleibt festzuhalten, dass Gebauer schulpolitisch praktisch keine Akzente hat setzen können (wozu, das muss der Fairness halber eingeräumt werden, natürlich auch die Krise beitrug). Ihre „Talentschulen“, mit denen sie benachteiligte Kinder besser fördern will, in dem sie einigen wenigen ausgesuchten Schulen ein paar Lehrerstellen obendrauf spendiert, sind angesichts der riesigen strukturellen Defizite im NRW-Bildungssystem ein Witz. Die Wiedereinführung von G9 mag politisch unumgänglich gewesen sein; ein Zukunftsprojekt war die Rücknahme der umstrittenen Reform allerdings auch nicht – wohl eins, das viel Geld verbrannt hat.
A13 für alle Lehrkräfte konnte Gebauer, obwohl sachlich geboten, beim CDU-Finanzminister dagegen nicht durchsetzen (der alte und wohl auch neue Ministerpräsident Hendrik Wüst hat im Wahlkampf Besserung gelobt). Lehrermangel, Schulleitermangel, eine auf der Stelle tretende Inklusion, vergebliche Forderungen nach einer multiprofessionelle Schule, die Lehrkräfte entlastet, und einem digital gestützten Unterricht, der seinen Namen auch verdient, die kaum mehr zeitgemäße Lehrkräfteausbildung, die fehlende Chancengerechtigkeit im System, das Übermaß an Bürokratie und die starren Dienststrukturen im Lehrerberuf – nichts von all dem, was Nordrhein-Westfalens Schulen ausbremst und das Land auf den hinteren Rängen in praktisch allen Schülerleistungsvergleichen festhält, wurde während ihrer Amtszeit auch nur im Ansatz angegangen.
Viel Arbeit also für Gebauers NachfolgerIn, aber auch eine politisch erfolgversprechende Ausgangslage: Schlechter geht ja kaum. News4teachers
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