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Kretschmann bettelt Lehrer um Mehrarbeit an – und macht 4.000 arbeitslos

Von den befristet angestellten Lehrerinnen und Lehrern in Baden-Württemberg werden rund 4000 über die Sommerferien arbeitslos sein – obwohl sie danach wieder gebraucht werden.

Bettelbrief an die Schulen: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Foto: Staatsministerium Baden-Württemberg

In einem gemeinsamen Schreiben an die Schulen wenden sich Kultusministerin Theresa Schopper und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (beide: Grüne) in diesen Tagen an die Lehrkräfte – und bitten offen um deren Unterstützung. «Bitte überlegen Sie sich doch, ob Sie nicht im kommenden Schuljahr eine, zwei oder vielleicht sogar drei zusätzliche Stunden unterrichten können», heißt es unter anderem in dem Brief. «Oder ob Sie Ihren anstehenden Ruhestand noch etwas hinausschieben und uns als Pensionärin oder Pensionär unterstützen können.»

Der Grund: Der Lehrermangel in Baden-Württemberg wächst sich dramatisch aus. Zusätzliche Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine bringen das ohnehin schon überlastete System an seine Grenzen. In dieser Situation riskiert die Landesregierung, Tausende befristetet angestellten Lehrerinnen und Lehrern in andere Bundesländer (oder überhaupt aus dem Beruf heraus?) zu vergraulen – indem sie sie über die Sommerferien in die Arbeitslosigkeit schickt.

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“Für eine Werbekampagne wie ‘The Länd’ stellt die Landesregierung 21 Millionen Euro zur Verfügung…”

Der für eine Weiterbeschäftigung der Lehrkräfte nötige Betrag liegt nach Angaben des Kultusministeriums bei rund 15 Millionen Euro. Dies geht aus einer Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der SPD-Fraktion im Landtag hervor. Mit Verweis auf die hohen Kosten hatte das Ministerium einer Weiterbeschäftigung der Lehrkräfte über die Sommerferien (erneut) eine Absage erteilt. Die Praxis wird seit Jahren kritisiert. Die Zahl der in diesem Sommer betroffenen Lehrerinnen und Lehrer ist nach Angaben des Ministeriums  gegenüber dem Vorjahr sogar noch gestiegen.

Schopper hatte zuvor eingeschränkt, man werde bestimmten Lehrern, die schon lange an Schulen tätig seien, bei der Entfristung von Verträgen entgegenkommen. Zudem seien 97 Prozent der Lehrer im Angestelltenverhältnis oder verbeamtet.

Bei der SPD sorgt das Vorgehen des Kultusministeriums dennoch für Unverständnis. Der bildungspolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Stefan Fulst-Blei, teilte mit, schon seit Jahren ignoriere die Landesregierung Notrufe nach mehr Personal. «Für eine Werbekampagne wie “The Länd” stellt die Landesregierung 21 Millionen Euro zur Verfügung, aber die Beendigung der unsäglichen Praxis der Lehrkräfteentlassungen über die Sommerferien ist der Landesregierung nicht einmal 15 Millionen Euro im Jahr wert», sagte Fulst-Blei.

“Das halte ich für eine Riesensauerei und übrigens auch für dumm. Wir haben einen enormen Lehrermangel”

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte bereits 2019 die Praxis einiger Bundesländer wie Baden-Württemberg und Bayern kritisiert, angestellte Lehrer vor den Sommerferien in die Arbeitslosigkeit zu entlassen. „Das halte ich für eine Riesensauerei und übrigens auch für dumm“, sagte Heil seinerzeit. „Wir haben einen enormen Lehrermangel, Bundesländer jagen sich gegenseitig das Personal ab.“ Wenn Lehrer schlechte Bedingungen vorfänden, würden sie abgeschreckt, anstatt sie für den Beruf zu begeistern. „Ich erwarte, dass die Länder damit grundsätzlich aufhören“, sagte Heil. Zugleich erklärte er, viele Bundesländer hätten diese Methode inzwischen abgestellt (News4teachers berichtete).

Baden-Württemberg gehört nicht dazu. News4teachers / mit Material der dpa

Ministerium: Lehrkräfte per Brief um Arbeitszeit-Erhöhung anzubetteln, ist „völlig üblich“

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