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Fachkräfte-Mangel in Kitas: Kultusministerium erlaubt zwei Kinder mehr pro Erzieherin

STUTTGART. In den Kindertagesstätten von Baden-Württemberg gibt es – wie in anderen Bundesländern auch – akuten Personalmangel. Zugleich steigt der Bedarf der Eltern an Kinderbetreuung. Die Politik versucht das mit einer Ausnahmeregelung auszubalancieren, nämlich: größere Gruppen zuzulassen. Der VBE nennt dies «schwer nachvollziehbar».

Ist es sinnvoll, die Arbeitsbedingungen weiter zu verschlechtern – wenn Fachkräfte-Mangel herrscht? (Symbolfoto) Foto: Shuttrestock

Das Land Baden-Württemberg reagiert auf die angespannte Lage in den Kitas und macht Abstriche bei Standards in der Kinderbetreuung. Kultus-Staatssekretär Volker Schebesta (CDU) sagte, es könne wie in der Corona-Pandemie wieder größere Gruppen geben. Die Ausnahmeregelung sehe vor, dass die Höchstgruppenstärke im Ausnahmefall um bis zu zwei Kinder überschritten werden kann. «Die Änderung der Verordnung ist aber auf das laufende Kitajahr begrenzt», erklärte Schebesta. Der Entwurf gehe jetzt noch in die Anhörung bei Verbänden und Kommunen.

Gemeinde-, Städte- und Landkreistag hatten zuvor massiv Druck auf das Land gemacht, wieder Ausnahmen bei der Gruppengröße zuzulassen. Der dramatische Fachkräftemangel erlaube es nicht mehr, die bisherigen Standards einzuhalten und den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz zu erfüllen. Die Kommunen reagierten damit auf die Weigerung des Landes, die Sonderregeln für den Personalschlüssel und die Gruppengröße aus der Corona-Zeit zu verlängern. Daraufhin hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) weitere Erleichterungen angekündigt.

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«Die Gruppengröße in Kitas ist schon vor dem Entwurf des Kultusministeriums zu groß gewesen»

Nun hat das Kultusministerium das in eine Verordnung gegossen, die der dpa vorliegt. Demnach muss bei der Ausnahmeregelung gesichert sein, dass der Mindestpersonalschlüssel ohne Aufnahme der zusätzlichen Kinder eingehalten wird. Zudem muss die Aufsichtspflicht gewährleistet und die besonderen Bedürfnisse von behinderten Kindern berücksichtigt werden. Um die Gruppengröße erhöhen zu können, muss der Träger der Kita dies nur dem Landesjugendamt anzeigen.

Die Kommunen begrüßten Schebestas Vorschlag, dringen aber auf eine längere Laufzeit der Ausnahmeregelung. «Die Ankündigung des Landes ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Flexibilisierung der Höchstgruppenstärke um bis zu zwei Kinder ist eine Möglichkeit, um die Erfüllbarkeit des Rechtsanspruchs ein Stück realistischer zu machen.» Wichtig sei, dass die Ausnahmen möglichst unbürokratisch genutzt werden könnten, erklärten Gemeindetagschef Steffen Jäger und Gudrun Heute-Bluhm für den Städtetag sowie Alexis von Komorowski für den Landkreistag.

Sie wiesen zudem darauf hin, dass der Fachkräfte-Engpass auch nicht mit Ablauf des Kindergartenjahres 2022/2023 ende. «Gerade deshalb wäre es uns ein Anliegen, mit einer zu engen Befristung keine falschen Erwartungen zu wecken. Wir brauchen die Zeit, um den vereinbarten Weg für den Direkteinstieg wirksam werden zu lassen.»

Der VBE kritisierte hingegen den Entwurf. «In einer solchen Situation diese Maßnahmen zu ergreifen ist schwer nachvollziehbar», betonte der VBE-Landesvorsitzende Gerhard Brand. «Die Gruppengröße in Kitas ist schon vor dem Entwurf des Kultusministeriums zu groß gewesen. Gleichzeitig stellt die Zahl der geflüchteten Kinder aus der Ukraine sowohl die Erzieherinnen und Erzieher als auch die Kindergartenleitungen vor weitere Herausforderungen», erklärte Brand.

Geben Erzieherinnen und Erzieher wegen der Belastung durch zu große Gruppen ihren Job auf?

Schebesta hatte im Sommer noch argumentiert, man habe Sorge, dass Erzieherinnen und Erzieher wegen der Belastung durch zu große Gruppen ihren Job aufgeben könnten. Mit der Ausnahmeregelung versuche das Ministerium den hohen Betreuungsbedarf der Eltern und die Belastung der Fachkräfte auszubalancieren, hieß es jetzt. Die Lage verschärfte sich, weil Erzieherinnen und Erzieher wegen Corona oder Grippe ausfallen. Hinzu kommt, dass viele geflüchtete Kinder aus der Ukraine betreut werden müssen.

Schon seit 1. September gilt, dass fehlende Erzieherinnen und Erzieher durch die doppelte Zahl an nicht-pädagogischen Kräften ersetzt werden können. Allerdings darf der Mindestpersonalschlüssel um nicht mehr als 20 Prozent unterschritten werden. Um besser auf Krankheitswellen reagieren zu können, gibt es auch eine flexiblere Vertretungsregelung: Fällt eine Fachkraft durch Krankheit aus, kann sie für maximal acht Wochen durch eine Zusatzkraft ersetzt werden.

Die Kommunen halten die Abstriche für verkraftbar. Zuletzt hatte eine Studie der Bertelsmann-Stiftung ergeben, dass das Verhältnis Kinder pro Kita-Fachkraft bundesweit spitze ist. In den Kinderkrippen habe sich der Personalschlüssel zuletzt weiter verbessert, eine Erzieherin kümmere sich im Durchschnitt um 2,9 Kinder. In Kindergärten kümmerte sich zuletzt eine Fachkraft um rechnerisch 6,5 Kinder. Die Studie hatte aber auch ergeben, dass im kommenden Jahr 57.600 Kitaplätze fehlen, weil der Bedarf der Eltern steigt. News4teachers / mit Material der dpa

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