MAINZ. Klimawandel und Artensterben sind als zwei der drängendsten Probleme der Menschheit im Bewusstsein vieler Menschen angekommen, nicht zuletzt aufgrund des lautstarken Protests der jungen Generation. Beim eigenen umweltfreundlichen Verhalten kann die Generation allerdings die Unterstützung der Schule gut gebrauchen, zeigt eine Mainzer Studie.
Schülerinnen und Schüler sehen zwar einen dringenden Handlungsbedarf in Sachen Naturschutz, legen aber selbst kaum ein umweltfreundliches Verhalten an den Tag. Eine Erhebung von Biologiedidaktikern der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) unter 11- bis 13-jährigen Schülerinnen und Schülern belegt nun allerdings eine deutliche Diskrepanz zwischen Erkenntnis und Engagement für den Naturschutz. Nach ihren eigenen Angaben setzen nur 12 Prozent der Schülerinnen und Schüler im Alter von 11 bis 13 Jahren aktives Verhalten zum Schutz der Natur in ihrem Alltag um.
„Obwohl sie eine Reihe von Verhaltensabsichten mit dem Naturschutz in Verbindung bringen, berichten nur wenige Schülerinnen und Schüler über ihre eigenen Aktivitäten im Naturschutz. Wir stellen fest, dass zwischen den Äußerungen der Schülerinnen und Schüler und ihren Handlungen eine Lücke klafft“, sagt Laura Christ von der Arbeitsgruppe Didaktik der Biologie, die die Studie durchgeführt hat. „Daher ist es umso wichtiger, dass Naturschutz in der Schule verankert und damit das Engagement der jungen Menschen für den Erhalt von Natur und Umwelt verstärkt wird.“ An der Studie hatten sich 144 Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 6 und 7 an Schulen im Großraum Rhein-Main beteiligt.
Die Erhebungen fanden zwischen Juni und Oktober 2021 im Biologieunterricht an Partnerschulen der Arbeitsgruppe statt. Die Schülerinnen und Schüler konnten freiwillig an der Studie teilnehmen und sich zu einem fiktiven Szenario äußern. Demnach bat der Gemeinderat die jungen Leute, ihre Meinung zum Naturschutz der Zukunft mitzuteilen und insbesondere zwei Fragen zu beantworten: Was bedeutet Naturschutz für dich? Was bewegt dich, dass du dich schon heute für den Naturschutz der Zukunft engagierst? Ihre Antworten konnten die Schülerinnen und Schüler direkt an eine angegebene E-Mail-Adresse schicken oder aber die Antworten wurden von den Lehrerinnen und Lehrern gesammelt.
„Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wussten, dass es eine fiktive Situation ist und nicht wirklich vom Gemeinderat in Auftrag gegeben wurde. Wir haben sie gebeten, sich wahrheitsgemäß zu äußern, und sie darüber informiert, dass die Antworten keinen Einfluss auf ihre Noten haben werden“, erklärt Laura Christ die Voraussetzungen.
Naturschutz wird von Schülerinnen und Schülern vor allem mit Tieren in Verbindung gebracht
Die Antworten der Jugendlichen erfolgten in Form von Texten, die von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ausgewertet wurden. Den Auswertungen zufolge brachten die meisten Schülerinnen und Schüler mit dem Begriff „Naturschutz“ Tiere in Verbindung. Das Wort „Tiere“ wurde in 57 Prozent der Antworten erwähnt, gefolgt von „Natur“ mit 55 Prozent. Dagegen wurden Insekten und Bienen nur in jeweils 6 Prozent der Antworten mit Naturschutz assoziiert. „Auch die Begriffe Klimawandel oder Kohlendioxid fallen nur selten“, stellt Laura Christ fest. Eher wissenschaftliche Begriffe wie „biologische Vielfalt“ kamen in den Antwortschreiben nicht vor.
Eine Einteilung der Antworten nach Kategorien ergab, dass die Schülerinnen und Schüler vorwiegend einen existenziellen Zugang zum Naturschutz hätten, das heißt sie äußerten sich in etwa mit „Damit wir auch in Zukunft noch so auf der Erde leben können wie bisher“ oder „Ein Leben ohne Pflanzen und Tiere ist nicht möglich“. 74 der 144 Schülerinnen und Schüler nannten auch konkrete Verhaltensabsichten, wie zum Beispiel „Es wäre gut, wenn die Menschen weniger Auto fahren würden“. Allerdings beschreiben nur 17 Teilnehmende also lediglich 12 Prozent Verhaltensweisen, die sie tatsächlich aktiv in ihrem alltäglichen Leben umsetzen – anhand von 38 verschiedenen Beispielen wie etwa beim Konsumverhalten: „Ich kaufe regionale Produkte.“
Konzept von Naturschutz wird im Allgemeinen verstanden – Handlungsmöglichkeiten aufzeigen
„Die Erhebung zeigt uns, dass die Schülerinnen und Schüler in diesem Alter das Konzept von Naturschutz im Allgemeinen verstehen, aber nicht so ganz wissen, wie sie es in ihrem eigenen Leben umsetzen können oder umsetzen sollen“, fasst Arbeitsgruppenleiter Prof. Daniel Dreesmann, die Ergebnisse zusammen. „Fragen zum Artensterben und dem Naturschutz sind für die jungen Menschen relevant, wie auch die Demonstrationen von Fridays for Future zeigen. Wir müssen aber deutlicher als bisher Handlungsmöglichkeiten aufzeigen.“
Laura Christ merkt an, dass zum einen Wissenslücken bestünden, die der Schulunterricht nicht schließen konnte, auf der anderen Seite aber auch die Diskrepanz zwischen Erkenntnis und Engagement auffalle. „Wie schafft man den Sprung von der Erkenntnis zur Umsetzung?“, formuliert sie die Herausforderung. Eine Möglichkeit wären beispielsweise Citizen-Science-Projekte, in denen die von Schülerinnen und Schülern erhobenen Daten zum Beispiel Naturschutzbehörden zur Verfügung gestellt werden und in deren Arbeit einfließen. „Damit könnten die Schülerinnen und Schüler direkt erleben, dass ihr Tun nicht nur dem Unterricht und den Noten dient, sondern sie einen aktiven Beitrag leisten, um den Naturschutz voranzubringen.“ (zab, pm)
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