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“Verantwortungslos”: GEW rügt Lindner, weil der bei der Kindergrundsicherung mauert

BERLIN. Seit Monaten diskutiert die Ampel-Koalition über die geplante Kindergrundsicherung. Ende August soll ein Gesetzentwurf nun Klarheit bringen, was sie kosten soll. Als „völlig falsches Signal“ bewertet die GEW, dass die Finanzierung der geplanten Kindergrundsicherung im Haushalt von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) offenbar noch immer nicht geklärt sei.

Stellt sich quer: Bundesfinanzminister Christian Lindner. Foto: Bundesministerium der Finanzen / Photothek

In der seit Monaten laufenden Diskussion über die Kosten der geplanten Kindergrundsicherung kursieren die verschiedensten Zahlen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hatte dafür ursprünglich einmal 12 Milliarden Euro im Jahr veranschlagt. In der Finanzplanung für das Jahr 2025, in dem die Kindergrundsicherung eingeführt werden soll, stehen nun als «Platzhalter» 2 Milliarden. Bei welcher Summe der Zeiger am Ende wirklich stehen wird, dürfte Ende August klar sein, wenn endlich ein Gesetzentwurf für das Vorhaben fertig sein soll.

Wo steht der Zeiger jetzt?

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Die Grünen drängen darauf, dass mit der Kindergrundsicherung nicht nur staatliche Leistungen für Kinder zusammengefasst und unbürokratischer ausgezahlt, sondern dass diese auch erhöht werden. «Und deswegen bin ich zuversichtlich, dass es am Ende mehr als 2 Milliarden werden», hatte Paus am Donnerstag gesagt und hinzugefügt: «richtig ist aber auch, ich rechne nicht damit, dass es 12 Milliarden werden.» Ihre neue Hausnummer laute 2 bis 7 Milliarden, sagte sie dem aktuellen «Spiegel».

Die FDP und ihr Finanzminister Christian Lindner sind gegen deutliche Mehrausgaben: Der Staat solle wieder mit dem Geld auskommen, was er habe. Neue Schulden sollen vermieden werden. Deshalb steht der im Vergleich zu Paus’ Ursprungsforderung kleine «Platzhalter» von 2 Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung in der Finanzplanung.

Wie kam die Ministerin überhaupt auf 12 Milliarden?

Darum hat sie lange ein Geheimnis gemacht. Nun lichtet sich der Nebel: In den 12 Milliarden Euro enthalten waren ihr zufolge ursprünglich allein 5 Milliarden, die sich ergäben, wenn so gut wie alle, denen Leistungen für Kinder zustehen, diese auch abrufen würden. Das ist heute zum Beispiel beim Kinderzuschlag, den Familien mit geringen Einkommen bekommen können, bei weitem nicht der Fall. Viele wissen nicht, dass sie antragsberechtigt sind, scheuen den Antragsaufwand oder es gibt andere Gründe.

Nun ist es zwar erklärtes Ziel der Kindergrundsicherung, das zu ändern und durch die Zusammenführung der verschiedenen Leistungen für Kinder an einer Stelle die Beantragung zu vereinfachen und Berechtigte besser über ihre Ansprüche zu informieren. Paus geht aber nach eigenen Angaben inzwischen nicht mehr davon aus, dass hier schnell eine möglichst hohe Quote von 90 Prozent der Berechtigten erreicht wird.

Und die anderen 7 Milliarden von den 12?

Dazu gibt es verschiedene Aussagen. Nach Angaben von SPD-Chefin Saskia Esken sind fast 6 Milliarden schon erfüllt, weil das Kindergeld Anfang des Jahres auf 250 Euro angehoben wurde und auch der Kinderzuschlag erhöht wurde – beide Leistungen sollen in der Kindergrundsicherung aufgehen. Mit diesen 6 Milliarden plus den oben genannten 5 wären die 12 fast erreicht. Die Familienministerin betont aber immer wieder auch einen anderen Punkt, der ihr wichtig ist und der Geld kosten würde: Eine Neuberechnung des soziokulturellen Existenzminimums für Kinder.

Eine was?

Da geht es um das Minimum an Mitteln, das Kinder benötigen, um materiell abgesichert zu sein und das ihnen gleichzeitig ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht – also etwa Kino, Sportverein oder Musikunterricht. Dieses Existenzminimum wird auf Basis von Statistiken berechnet. Daran sind dann etwa Bürgergeldsätze und andere staatliche Leistungen ausgerichtet. Im Koalitionsvertrag hatte sich die Ampel vorgenommen, das soziokulturelle Existenzminimum neu zu definieren. Darauf pocht Paus in der Hoffnung, dass am Ende höhere Leistungen für Kinder stehen. Die möglichen Kosten dafür sind offen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Ministerin im Zusammenhang mit dem für Ende August geplanten Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung beauftragt, dies zu berechnen.

Was sagt die GEW zu dem Wirrwarr?

„Das größte sozialpolitische Projekt der Bundesregierung droht dem Sparkurs des Finanzministers zum Opfer zu fallen. Dabei braucht die Gesellschaft endlich eine klug finanzierte Kindergrundsicherung, um Perspektiven für Kinder und Jugendliche zu schaffen sowie ihnen Bildungserfolge und Teilhabe zu ermöglichen. Das gilt insbesondere für Kinder aus armen Familien“, sagt GEW-Vorsitzende Maike Finnern. Die Leistungen für Kinder müssten nicht nur gebündelt, sondern auch solide finanziert werden, um die ebenso richtigen wie ambitionierten Ziele, die an die Kindergrundsicherung geknüpft sind, zu erreichen.

„Gut jedes fünfte Kind in Deutschland ist von Armut bedroht. Diese erschreckende Zahl macht deutlich, wie dringend ein umfassender Handlungsbedarf ist. Im Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung dazu bekannt, mit der Kindergrundsicherung bessere Chancen für Kinder und Jugendliche zu schaffen und mehr Kinder aus der Armut zu holen. Dass nun ausgerechnet auch bei dem größten sozialpolitischen Projekt der Bundesregierung offenbar der Rotstift angesetzt werden soll, ist verantwortungslos“, betont Finnern. News4teachers / mit Material der dpa

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