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Es riecht nach Rechtsextremismus: Bildungsminister entzieht seinem Apparat (ein Stück weit) das Vertrauen

POTSDAM. Hat das Bildungsministerium von Brandenburg selbst ein Rechtsextremismus-Problem? Nach der Beschäftigung einer Lehrerin mit möglichem Neonazi-Hintergrund reagiert Bildungsminister Freiberg,  indem er heikle Personalangelegenheiten zur Chefsache erklärt und damit seinem Verwaltungsapparat ein Stück weit das Vertrauen entzieht. Endlich. Schon die Aufarbeitung der rechtsextremen Übergriffe in der Oberschule in Burg hatte für Irritationen gesorgt – wie ein krasser Fall, der einige Jahre zurückliegt.

Etwas stinkt im Brandenburger Bildungsministerium. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Nach wachsender öffentlicher Kritik wegen der Beschäftigung einer Lehramtskandidatin mit möglicherweise rechtsextremen Verbindungen will Brandenburgs Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) Meldungen des Verfassungsschutzes zur Chefsache machen. «Der Minister hat angewiesen, dass er künftig über jede Entscheidung in Prüfverfahren informiert wird», sagte Ministeriumssprecherin Ulrike Grönefeld auf Anfrage. Bisher sei es üblich gewesen, dass die Fachabteilung nicht darüber informiere, wenn nach einer Prüfung keine Konsequenzen als notwendig erachtet würden.

Eine Lehramtskandidatin soll Verbindungen zum rechtsextremen Compact-Magazin haben. Der Verfassungsschutz hatte das Ministerium bereits am 27. Juli schriftlich über den Fall informiert. Doch die Kandidatin wurde erst Ende vergangener Woche vom Dienst freigestellt – nachdem der Berliner «Tagesspiegel» recherchiert und beim Ministerium angefragt hatte. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft das Magazin seit 2021 als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung ein.

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«Wenn es berechtigte Zweifel an der Verfassungstreue gibt, dann gibt es Klärungsbedarf»

Die GEW hält die Entscheidung der Fachabteilung für falsch. Nach Ansicht des Landesvorsitzenden Günther Fuchs hätte das Ministerium die Lehrerin im befristeten Beamtenverhältnis nach der Mitteilung des Verfassungsschutzes sofort vom Dienst freistellen sollen. «Wenn es berechtigte Zweifel an der Verfassungstreue gibt, dann gibt es Klärungsbedarf», sagte Fuchs. «Und diese Klärung muss nicht in der Schule stattfinden.» Vielmehr müssten mögliche Konsequenzen nach der Freistellung ergebnisoffen geprüft werden.

In dem Bericht des «Tagesspiegels» hieß es, an einer Schule im Landkreis Märkisch-Oderland absolviere eine Frau ihr Referendariat, die als Moderatorin für den Nachrichtenkanal des Compact-Magazins tätig gewesen sein soll. In Sendungen von Compact TV werden laut Ministerium nach behördlichen Erkenntnissen antisemitische Verschwörungsmythen und islamfeindliche Motive platziert.

Die Fachabteilung hatte nach Angaben des Bildungsministeriums nach Recherchen im Studienseminar entschieden, zunächst keine dienstrechtlichen Konsequenzen für die Lehramtskandidatin zu ziehen. Sie wollte weitere Nachweise zur Eignung der Frau einholen, hieß es – absurderweise angeblich durch Nachfragen beim Verfassungsschutz, der vor der Frau gewarnt hatte. Monatelang passierte nichts, die mutmaßliche Rechtsextremistin unterrichtete weiter.

«Dabei hat die Fachabteilung im Blick gehabt, dass die Lehramtskandidatin das Recht hat, ihre Ausbildung zur Lehrkraft abzuschließen», sagte die Ministeriumsprecherin mit Verweis auf den besonderen Schutz nach Artikel 12 des Grundgesetzes. Danach hätten alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Nach der vorläufigen Freistellung der Frau soll nun bis Mitte Dezember geprüft werden, ob und welche beamtenrechtlichen oder disziplinarrechtlichen Maßnahmen ergriffen werden.

«Wir müssen dafür sorgen, dass Staatsfeinde nicht in den Staatsdienst kommen, nicht an Schulen»

Gordon Hoffmann, Bildungsexperte der CDU-Landtagsfraktion, begrüßte laut einem aktuellen «Tagesspiegel»-Bericht die Ankündigung Freibergs, die Hausspitze des Bildungsministeriums künftig über solche Verfassungsschutzhinweise unmittelbar direkt unterrichten zu lassen. «Wir müssen dafür sorgen, dass Staatsfeinde nicht in den Staatsdienst kommen, nicht an Schulen», sagte Hoffmann. Der Fall zeige einmal mehr, dass der von der CDU geforderte Verfassungstreuecheck für den öffentlichen Dienst des Landes dringend erforderlich ist. «Es darf nicht dem Zufall überlassen bleiben, dass solche Fälle bekannt werden.»

Auch die SPD-Fraktion fordert von ihrem Minister, den Fall kritisch unter die Lupe zu nehmen. «Es ist wichtig, dass der Fall genau geprüft wird», sagte Bildungspolitikerin Katja Poschmann. Die Frage dienstrechtlicher Konsequenzen müsse immer im Einzelfall entschieden werden. Für eine Bewertung fehlten aber noch Informationen. Die SPD-Politikerin verlangte, das Problem des Rechtsextremismus stärker in den Blick zu nehmen. «Wir müssen alle mehr Haltung zeigen», sagte Poschmann. «Wir müssen alle mehr hingucken.» Lehrer seien Teil der Gesellschaft. Mit Blick auf rechtsextreme Vorfälle an Schulen sagte sie, Lehrkräfte könnten das Problem nicht allein lösen.

Schon gar nicht, wenn das Ministerium und dessen darunterliegende Schulverwaltung quer schießen. Die Oberschule Burg im Spreewald war bundesweit in die Schlagzeilen geraten, weil zwei Lehrkräfte in einem Brandbrief geschildert hatten, dass sie an der Schule täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert seien. Danach waren sie rechten Anfeindungen ausgesetzt. Reaktion des zuständigen Schulamts: Es drohte den Lehrkräften mit Abmahnung, wenn sie weiterhin über Schulinterna in der Öffentlichkeit sprechen würden.

Ein weiterer irritierender Fall im Verantwortungsbereich des Brandenburger Bildungsministeriums: Ein Lehrer, der wegen seiner SS-Tatoos aus dem Schuldienst entfernt werden musste, wurde 2019 ins Schulamt versetzt, wo er – ausgerechnet – den Bereich «Migration» zugewiesen bekam. Seine Durchwahlnummer: 88. Die Chiffre steht unter Neonazis für «Heil Hitler». News4teachers / mit Material der dpa

Hat das Brandenburger Bildungsministerium selbst ein Rechtsextremismus-Problem?

 

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