MÜNCHEN. Das Ifo-Institut hat die Menschen in Deutschland gefragt, wie zufrieden sie mit den Schulen in ihrem Bundesland sind. Die Unterschiede sind teils deutlich. Kein Wunder: Die Ergebnisse von Schüler-Leistungsvergleichen spiegeln sich in den Einschätzungen der Bürgerinnen und Bürger. Es gibt aber auch Probleme, die überall gleichermaßen drücken – obenan: der Lehrermangel.
„Bildung ist in Deutschland Ländersache“, so heißt es einleitend im Bildungsbarometer des Münchener ifo-Instituts, Leipnitz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München. „Alle wichtigen bildungspolitischen Entscheidungen werden von den Bundesländern getroffen, deren Recht auf Autonomie in der Schulpolitik im Grundgesetz verankert ist. Im besten Fall kann der Bildungsföderalismus dazu beitragen, sich bei bildungspolitischen Entscheidungen an den Bedürfnissen vor Ort zu orientieren und im Wettbewerb der Ideen deutschlandweit die beste Qualität der Schulbildung für alle Kinder sicherzustellen.“
In der Folge seien die Schulsysteme in den einzelnen Bundesländern in Deutschland allerdings stark unterschiedlich. „Ein oft diskutiertes Beispiel hierfür sind die Abschlussprüfungen an den allgemeinbildenden Schulen: Eine Verbesserung ihrer Vergleichbarkeit geht seit Jahren nur schleppend voran. Ein weiteres Beispiel ist die bundeslandspezifische Ausbildung der Lehrkräfte, die einen Wechsel von Lehrkräften über Bundeslandgrenzen hinweg beispielsweise an Orte mit besonderem Lehrkräftemangel deutlich erschwert. Bundesweite Schülervergleichstests zeigen zudem deutliche bundeslandspezifische Unterschiede in den Schülerleistungen: Zum Beispiel erreichen in Sachsen 66,8 Prozent der Viertklässler*innen den Regelstandard in Mathematik im IQB-Bildungstrend, in Berlin sind es nur 41,6 Prozent.“
„Im Vergleich der Regionen ergibt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Schulen durch die Befragten und dem Abschneiden von Schüler*innen in Vergleichstests“
Das sind die Rahmenbedingungen der Studie – die Ergebnisse sehen so aus: Die Bayern sind mit ihren eigenen Schulen sehr viel zufriedener als die Menschen in Nordrhein-Westfalen. Die beiden größten Bundesländer sind die Extremwerte in einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Münchner Ifo-Instituts. Dabei gaben 41 Prozent der Bayern ihrem eigenen System die Noten 1 oder 2, in NRW waren es nur 20.
Auch Baden-Württemberg schnitt mit 30 Prozent guten Noten besser als der deutsche Durchschnitt von 27 Prozent ab. Die anderen Bundesländer wurden vom Ifo aus statistischen Gründen nur als Regionen gebündelt ausgewertet. Die Ergebnisse liegen mit Werten zwischen 24 und 26 Prozent guten Noten sehr nah beisammen.
Gleichzeitig geben 29 Prozent der Befragten in Nordrhein-Westfalen den Schulen die Note 4, 5 oder 6. In Baden-Württemberg und der Region Mitte-Ost liegt dieser Anteil mit jeweils 19 Prozent um 10 Prozentpunkte niedriger. Ein Zusammenhang zu den Ergebnissen der jüngsten Schüler-Leistungsvergleiche ist bei der Bewertung erkennbar. „Im Vergleich der Regionen ergibt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Schulen durch die Befragten und dem Abschneiden von Schüler*innen in Vergleichstests (Korrelation von 0,8 mit den Mathematikleistungen im IQB-Bildungstrend in der 9. Klasse 2018 und 0,7 in der vierten Klasse 2021)“, so heißt es in der Studie.
Bei den Detailfragen nach den Problemfeldern Lehrermangel, unzureichend sanierte Schulgebäude und Lernrückstände durch Corona schnitt Bayern jedes Mal noch am besten ab. Selbst dort halten aber 74 Prozent den Lehrermangel für ein ernsthaftes oder sehr ernsthaftes Problem. Bundesweit sind es 77 Prozent, in der Region Mitte-Ost aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sogar 82 Prozent.
Unzureichend sanierte Schulgebäude halten in NRW mit 66 Prozent die meisten Befragten für ein mindestens ernsthaftes Problem. Bundesweit waren es 58, in Bayern nur 47 Prozent. Lernrückstände durch Corona werden in der Region Mitte-West aus Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland mit 65 Prozent am häufigsten als ernsthaftes oder sehr ernsthaftes Problem gesehen. Bundesdurchschnitt sind 61 Prozent, in Bayern waren es 57 Prozent.
Die Ländervergleichsdaten aus dem Bildungsbarometer wurden erstmals veröffentlicht. Bereits Ende August hatte das Ifo die bundesweite Auswertung herausgegeben. Ihr zufolge ist die Zufriedenheit seit dem Jahr 2014 insgesamt deutlich gesunken. Bei der repräsentativen Umfrage mit 5636 Erwachsenen im Zeitraum von 17. Mai bis 5. Juni hatten unter anderem bundesweit 79 Prozent gesagt, die Qualität der Schulbildung habe sich in der Corona-Pandemie verschlechtert.
In allen Bundesländern spielt die Bildungspolitik zudem für die nächste Landtagswahl eine wichtige Rolle für die Befragten. Im Schnitt ist sie für 78 Prozent sehr oder eher wichtig. Am häufigsten mit 84 und 83 Prozent in den zwei Gruppen der östlichen Bundesländer, am seltensten im Nord-Westen mit 72 und Bayern mit 78 Prozent.
„Deutschlandweit einheitliche Abschlussprüfungen für die verschiedenen Schulabschlüsse sind ein häufiges Thema”
Deutschlandweit war in der Umfrage eine Mehrheit von 53 Prozent sehr oder eher dafür, das Grundgesetz so zu ändern, dass schul- und bildungspolitische Entscheidungen von der Bundesregierung und nicht mehr von den Ländern getroffen werden, 29 Prozent waren eher oder sehr dagegen. Am klarsten befürwortet wurde dies im Nordosten mit 61 Prozent Zustimmung und 25 Prozent Ablehnung. Selbst in Bayern, am anderen Ende der Skala, überwog die Zustimmung mit 44 zu 41 Prozent noch knapp.
Weitgehende Einigkeit herrscht beim Thema Abschlussprüfungen: „Deutschlandweit einheitliche Abschlussprüfungen für die verschiedenen Schulabschlüsse sind ein häufiges Thema in der öffentlichen Debatte im Zuge der besseren Vergleichbarkeit von Schülerleistungen zwischen Bundesländern. Deutschlandweit, aber auch in allen einzelnen Regionen finden sich überwältigende Mehrheiten von über 80 Prozent für deutschlandweit einheitliche Abschlussprüfungen in allen Schularten“, so heißt es. News4teachers / mit Material der dpa
Hier lassen sich die Regionalergebnisse des Bildungsbarometers herunterladen.
Die Landesvorsitzende des VBE Nordrhein-Westfalen, Anne Deimel, erklärt zum Bildungsbarometer – und zu den schlechten Ergebnissen für NRW:
„Die Menschen sind nicht unzufrieden mit den Schulen, sondern mit den Rahmenbedingungen, unter denen die Schulen in NRW arbeiten müssen. Das Engagement der Beschäftigten in den Schulen ist herausragend. Was fehlt, sind attraktive Arbeitsbedingungen, ausreichende finanzielle Mittel und moderne Schulgebäude. Hier ist die Landesregierung gefordert, Bildungsarbeit durch gute Bedingungen wertzuschätzen. Teilzeitbeschränkung und Pflichtabordnungen sind nicht die Mittel, um Menschen im Beruf zu halten und den Arbeitsplatz attraktiv zu gestalten. Das gilt auch für die nötigen Konsequenzen bei der Umsetzung von A13 als Einstiegsbesoldung auf Laufbahnen, Beförderungsstellen sowie auf alle pädagogischen Fachkräfte. Es darf nicht an falscher Stelle gespart werden. Auch die in der Haushaltsplanung 2024 aufgeführte Kürzung der Mittel für Inklusion um 50 Millionen Euro würden bei Umsetzung die Bedingungen vor Ort deutlich erschweren und ist nicht nachvollziehbar.“
Ansehen der Schulen im Sinkflug, Bürger wollen mehr Investitionen in Bildung
