STUTTGART. Obwohl die Zahl der Erzieherinnen und Erzieher gestiegen ist, könnte sich der Personalengpass in Kindertagesstätten verschärfen. Nur zwei Drittel der Beschäftigten arbeitet nach fünf Jahren noch in einem Beruf der Kindererziehung, wie aus einem Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Baden-Württemberg (IAB) über die Situation im Bundesland hervorgeht. Das wirft die Frage nach den Arbeitsbedingungen auf.
Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in den Berufen der Kinderbetreuung ist in den letzten Jahren deutschlandweit mit rund 50 Prozent überdurchschnittlich gestiegen, so stellen die Studienautorinnen und -autoren fest – in Baden-Württemberg sogar 57 Prozent.
95 Prozent dieser Kita-Beschäftigten sind Frauen. Bei Männern ist der Effekt des Arbeitsplatzwechsels besonders deutlich: Nach fünf Jahren arbeitet nur noch jeder dritte in dem Beruf, bei Frauen ist es noch etwas über die Hälfte. Die Bezahlung der Erzieher hat sich nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit verbessert, liegt allerdings mit 3575 Euro monatlich noch etwa 240 Euro unter dem Durchschnittsgehalt aller Berufe im Land.
Der Arbeitsplatz Kita wird laut Bericht überproportional häufig bereits im ersten Jahr der Beschäftigung gekündigt – nur rund zwei Drittel der Einsteiger überstehen die ersten zwölf Monate. Nach zehn Jahren sind dann gerade mal 30 Prozent im Job verblieben. Zum Vergleich: In den – ebenfalls stark belasteten – Gesundheitsberufen ergibt sich in den ersten zwölf Monaten eine etwas höhere durchschnittliche Verweildauer (70 Prozent sind noch im Beruf tätig), nach 10 Jahren hingegen eine etwas geringere Beschäftigungsstabilität (25 Prozent verweilen weiterhin im ursprünglichen Beschäftigungsverhältnis).
Ein Grund für den Ausstieg: eigene Kinder. „Die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellt sich also für die Erzieher*innen genauso wie für andere Beschäftigte“, so heißt es in der Studie.
„Möglicherweise wird Teilzeitzeitbeschäftigung bewusst gewählt, weil Vollzeitarbeit als zu stressig empfunden wird”
Weitere Einflussfaktoren sind das Alter der Berufseinsteiger*innen (ältere bleiben länger, weil vermutlich weniger Alternativen bestehen), die berufliche Qualifikation (je qualifizierter, desto länger der Verbleib) sowie die Arbeitszeit – Teilzeitkräfte halten den Job in der Kita offensichtlich länger durch. „Möglicherweise wird Teilzeitzeitbeschäftigung bewusst gewählt, weil sich Vollzeitbeschäftigung nicht realisieren lässt oder Vollzeitarbeit unter Berücksichtigung der Arbeitsbedingungen (u. a. Betreuungsschlüssel, geringe Wertschätzung von Kollegen/Vorgesetzten, keine Arbeitszeitautonomie) als zu stressig empfunden wird.“
Die Arbeitszufriedenheit hänge in den meisten Fällen mit dem Erwerbsumfang zusammen: „Lediglich 16 Prozent der Erzieher*innen möchten demnach ihre Arbeitszeit gerne erhöhen (der geringste Wert unter den in der Studie genannten Berufsgruppen), während 32 Prozent die Arbeitszeit eher verkürzen wollen“, so heißt es.
Eine verkürzte Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistent*in soll mehr Menschen im Land in einen Beruf in der Kinderbetreuung locken. Laut Arbeitsagentur haben etwa 600 Personen den sogenannten Direkteinstieg Kita mit einer erhöhten Ausbildungsvergütung von mehr als 2000 Euro im September begonnen. Deren Verbleibchancen sind der Studie zufolge aber relativ geringer: Die Berufserfahrung in anderen Berufen (also nicht als Erzieher*in) führt zu kürzeren Beschäftigungsdauern – offensichtlich sind die Erwartungen an einen Arbeitsplatz dann häufig andere, als sie ein Job in einer Kita bietet.
„Für das Ziel, Fachkräfteengpässe in den Erziehungsberufen durch berufliche Mobilität aus anderen Bereichen zu mildern, bedeutet dies möglicherweise, dass die Beschäftigungsstabilität der aus anderen Bereichen gewonnenen Fachkräfte geringer ausfällt als die der Fachkräfte, die keine Erfahrung in anderen Berufsfeldern oder kurze Erfahrung als Erzieher*in gesammelt haben. Das spricht dafür, neben der Gewinnung von Fachkräften aus anderen Bereichen gezielt auch weiterhin auf die Ausbildung junger Menschen zu setzen bzw. dafür zu sorgen, dass Personen mit einer gewissen Berufserfahrung als Erzieher*in zurückkehren“, so schlussfolgern die Studienautorinnen und -autoren.
Dass sich das Problem verschärft, ist absehbar: Der Betreuungsbedarf nimmt weiter zu – gleichzeitig gehen zahlreiche Erzieherinnen und Erzieher in Rente. News4teachers / mit Material der dpa
Hier geht es zum vollständigen IAB-Bericht.