STUTTGART. Ralf Scholl, Vorsitzender des Philologenverbands Baden-Württemberg, hat die Ergebnisse der Pisa-Studie als „katastrophal“ bezeichnet. „Wir stehen vor einem Scherbenhaufen, der größer ist als beim Pisa-Schock 2003“, sagte er. Scholl macht vor allem drei Faktoren für den Absturz der Schülerleistungen verantwortlich: Corona, Lehrkräftemangel – und eine starke Zuwanderung.

Eines der Hauptprobleme, auf das die Studie hinweise, sei der mangelnde schulische Erfolg von viel zu vielen Kindern mit Zuwanderungshintergrund: „Diese Daten sind erschreckend“, so meint Scholl. „Eine erste Analyse der Pisa-Daten im Detail zeigt: Unser Schulsystem macht es möglich, dass selbst Zuwanderer-Kinder der ersten Generation (also selbst zugewanderte Kinder) im Alter von 15 Jahren das höchste PISA-Testniveau VI erreichen können. Bloß erreichen das mit nur 0,2 Prozent aller Zuwanderer-Kinder der ersten Generation viel zu wenige!“
In allen drei getesteten Bereichen – Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften –
liegt bei Zuwandererkindern der ersten Generation der Lernrückstand im Durchschnitt bei zwei Lernjahren, bei Kindern der zweiten Generation (Eltern zugewandert) bei knapp einem Jahr. Rund 50 Punkte weniger bedeuten einen Lernrückstand von einem Jahr. „Bei Kindern mit Zuwanderungshintergrund überlagern sich – ungünstiger Weise – zudem sehr häufig sozioökonomische und sprachliche Hindernisse: Bei 88 Prozent der selbst zugewanderten Kinder wird zu Hause nicht Deutsch gesprochen, und 68 Prozent kommen aus sozioökonomisch schwachen Elternhäusern“, so analysiert Scholl.
Er leitet daraus ab: „Maßnahmen, um alle sozioökonomisch schlechter gestellten Kinder (auch die deutschen!) im Kindergartenalter verbindlich vorschulisch zu bilden, müssen umgehend angegangen werden, damit alle diese Kinder nicht mit einem massiven Sprach- und Wissens-Rückstand in die Schule starten. Solch ein Rückstand ist in der Grundschule nämlich kaum aufzuholen.“
„Das katastrophale Pisa-Ergebnis macht eines klar: Jetzt ist der Zeitpunkt, um endlich wirklich sinnvolle Investitionen in den Bildungsbereich zu tätigen“
Die Kinder und Jugendlichen müssten in der Schule wieder konzentriert lernen können und tatsächlich auch lernen. „Genau dazu müssen sie von ihren Lehrkräften und ihren Eltern angehalten werden. Und damit gilt auch: Der Unterricht und das Lernen sind das, was zentral im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit an allen Schulen stehen muss. Klare und anspruchsvolle Maßstäbe sind dabei wesentlich für die Schule und bereiten die Schüler erfolgreich auf ihr späteres Leben vor.“
Das Augenmerk Deutschlands sollte sich nach diesen Pisa-Ergebnissen verstärkt auf unser direktes Nachbarland, die Schweiz, und auf Estland richten. „Das sind die beiden europäischen Staaten, die sich unmittelbar hinter China, Japan und Korea an der Spitze aller Länder platzieren konnten – noch vor Kanada, wohin die baden-württembergischen Bildungspolitiker dieses Jahr gepilgert sind, um sich schulpolitische Anregungen zu holen“, so Scholl.
Er bilanziert: „Das katastrophale Pisa-Ergebnis macht eines klar: Jetzt ist der Zeitpunkt, um endlich wirklich sinnvolle Investitionen in den Bildungsbereich zu tätigen. Nicht nur für eine Förderung der schwachen, sondern auch für eine Förderung der guten und besten Schüler: Für diese wäre G9 mit G8-Schnellläuferzügen die Maßnahme, welche uns deutlich mehr Spitzenleistungen und gute Leistungen bringen kann.“ Hintergrund: In Baden-Württemberg tobt eine Debatte um die Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte Hoffnungen auf eine schnelle Reform mit Blick auf die hohen Kosten unlängst gedämpft (News4teachers berichtete). News4teachers
