PULLACH. Ein Gymnasium will seinen Namen ändern und bringt damit eine Debatte ins Rollen: Darf eine Schule einen Namenspatron haben, der zwar preisgekrönte Kinderbücher geschrieben hat, aber zuvor in der Hitlerjugend aktiv war und ein nationalsozialistisches Jugendwerk verfasst hat? Kritik an der Umbenennung des Otfried-Preußler-Gymnasiums kommt aus verschiedenen Richtungen – doch noch ist keine Entscheidung getroffen.
Insgesamt 22 Schulen in Deutschland tragen laut Wikipedia den Namen Otfried Preußler. Eine davon, das Otfried-Preußler-Gymnasium in Pullach, will das jetzt ändern. Vor zehn Jahren erst übernahm die Schule den Namen des Kinderbuchautors Otfried Preußlers (1923-2013), der unter anderem die „Die kleine Hexe“, „Der Räuber Hotzenplotz“ oder „Krabat“ geschrieben hat. Jetzt möchte sie ihn wieder loswerden. Der Grund ist offenbar die Vergangenheit des Schriftstellers: Seit 2015 ist bekannt, dass Preußler in der Hitlerjugend aktiv war und ein nationalsozialistisches Jugendwerk mit dem Titel „Erntelager Greyer“ geschrieben hat (erschienen 1943).
„Problematisch für die Lernenden erscheinen auch die in einigen Werken dargestellten fragwürdigen Konfliktlösungsstrategien durch Gewalt und/oder Hexerei“, wird die Schulleitung von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) zitiert. In anderen Presseberichten heißt es, die Schulgemeinschaft kritisiere, dass sich Preußler nicht von seiner Vergangenheit distanziert habe. Medien zufolge ist das für die Umbenennung nötige Votum von Lehrerkonferenz, Elternbeirat und Schülermitverantwortung sowie der Gemeinde bereits ergangen.
Dennoch ist eine Entscheidung noch nicht gefallen. Die Umbenennung werde abschließend im Kultusministerium geprüft, hieß es Dienstag beim Ministerium. Ein Antrag zur Namensänderung liege dem Staatsministerium aber bisher nicht vor, sagte Ministerin Anna Stolz (Freie Wähler). Zuvor müsse eine Entscheidung vom Schulaufwandsträger – ein Zweckverband – getroffen werden, diese sei noch nicht gefallen. „Und wenn das erfolgt ist und der Antrag bei mir eingeht, dann werde ich das prüfen mit der nötigen Sensibilität“, sagte die Ministerin.
Kritik: „Alles muss eindeutig sein“
In der „Neuen Züricher Zeitung“ (NZZ) verteilt die Autorin Susanne Gaschke ein „Fleißsternchen für Konformität“ an das Pullacher Gymnasium. „Alles muss eindeutig sein, geradeaus, humorfrei, sauber. Geschichte wird lieber überschrieben und wegzensiert, als sie zu erklären. Das wäre ja auch anstrengend”, schreibt Gaschke in ihrem Text. Zugleich verweist sie auf das weltweit erfolgreiche Jugendbuch „Krabat“, in dem Preußler eindringlich vor der Faszination des Bösen warne. Gymnasiasten könnten aus „Krabat“ mehr darüber lernen, was es koste, einer überwältigenden Ideologie zu widerstehen, als auf der nächsten Demo „gegen rechts“, meint die Autorin. Preußler selbst sagte 1998 zu seinem Buch „Krabat“: „Es ist zugleich meine Geschichte, die Geschichte meiner Generation, und es ist die Geschichte aller jungen Leute, die mit der Macht und ihren Verlockungen in Berührung kommen und sich darin verstricken.”
Kritik gegen die Namensänderung der Schule kommt außerdem von der Sudetendeutschen Volksgruppe. Derzeit finde eine „richtiggehende Hexenjagd gegen den Vater der ‚Kleinen Hexe‘ statt“, sagte der Sprecher Bernd Posselt. Er wünsche sich einen „differenzierten und qualifizierten Umgang“ mit dem literarischen und pädagogischen Erbe des 1923 in Nordböhmen geborenen Schriftstellers.
Preußler habe nie geleugnet, als Teenager 1940 das Buch „Erntelager Geyer“ verfasst zu haben, das seine Erlebnisse mit dem sogenannten Jungvolk entsprechend dem nationalsozialistischen Zeitgeist wiedergebe. „An diesem Erstling Preußlers gibt es nichts zu beschönigen. Man darf aber nicht vergessen, dass der Autor nach drei Jahren Ostfront, fünf Jahren in sowjetischen Kriegsgefangenenlagern und der Vertreibung aus der Heimat mit dem braunen Gedankengut restlos gebrochen und ein auf Toleranz und Völkerverständigung hin orientiertes Lebenswerk aufgebaut hat.“
Schriftsteller als Anlass für Diskussionen nutzen
Die Frage ist also, ob Otfried Preußler nicht der perfekte Namenspatron ist, um mit Kindern und Jugendlichen darüber zu diskutieren, wie leicht man durch Ideologien verführt werden kann. „Was wäre das für eine Steilvorlage für jeden Geschichts- oder Deutschlehrer an einem Preußler-Gymnasium gewesen, sich regelmäßig mit dem Namensgeber der Schule und seinen Schwächen und Stärken auseinanderzusetzen – gerade heute!” meint der Augsburger Schriftsteller und Filmemacher Thomas von Steinaecker gegenüber dem Bayerischen Rundfunk. Steinaecker hatte sich mit Preußler aus Anlass seines 100. Geburtstags 2023 in der arte-Doku “Ich bin Krabat“ auseinandergesetzt. News4teachers mit Material der dpa
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