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Wie ein Schulleiter, der Kante gegen Rechtsextremismus zeigt, eingeschüchtert werden soll

RIBNITZ-DAMGARTEN. Der Fall von Social-Media-Posts einer Schülerin in Ribnitz-Damgarten, deretwegen der Schulleiter die Polizei holte, hat für mächtig Wirbel gesorgt. Nun klagt die Mutter wegen des Einsatzes und erlässt eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Direktor – offenbar ein neuer Höhepunkt in einer Hetzkampagne, vor der die GEW schon vor Wochen gewarnt hat.

Unter Druck. Illustration: Shutterstock

Nach dem Polizeieinsatz an einer Schule in Ribnitz-Damgarten (Kreis Landkreis Vorpommern-Rügen) hat die Mutter der betroffenen Schülerin Klage beim Verwaltungsgericht Greifswald eingereicht. Die Klage habe das Ziel, das Verhalten von Polizei und Schulleitung als unrechtmäßig festzustellen, sagte ein Gerichtssprecher am Dienstag zum Eingang der Klage am selben Tag.

Der Streit um den Polizeieinsatz hatte bundesweit und darüber hinaus für Aufmerksamkeit gesorgt. Beamte waren Ende Februar wegen des Verdachts in das Gymnasium gekommen, eine 16-Jährige habe möglicherweise staatsschutzrelevante Inhalte über Social-Media-Kanäle verbreitet. Der Verdacht bestätigte sich insofern nicht, dass es sich dabei um strafbares Material gehandelt hätte.

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Harmlos war es aber auch nicht. Die Mutter behauptete zwar gegenüber einer rechten Zeitung, dass es dabei lediglich um ein auf sozialen Medien geteiltes Schlumpf-Video mit Bezug zu «Deutschland» gehandelt habe – was, wie offenbar beabsichtigt, zu einer Empörungswelle sorgte und die AfD sowie die CDU im Schweriner Landtag auf den Plan rief. Später stellten die Behörden aber klar, dass Anlass vielmehr mehrere Screenshots von einem Social-Media-Account der Schülerin bei TikTok gewesen seien. Dabei war etwa von Schriftzügen die Rede, «die dem rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen sind, sowie Runenzeichen und altdeutsche Schrift mit Lorbeerkranz».

Laut Klage, die der dpa vorliegt, sei die Gefährderansprache rechtswidrig gewesen, ebenso die erfolgte Alarmierung der Polizei durch die Schulleitung und die zuvor unterlasse Benachrichtigung der Erziehungsberechtigen.

Landesbildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) und Landesinnenminister Christian Pegel (SPD) hatten im Bildungsausschuss des Landtags das Vorgehen des Schulleiters und der Beamten verteidigt, die das Mädchen aus dem Unterricht holen ließen und mit ihm im Schulleiterzimmer ein Gespräch führten. Sie hätten richtig und angemessen gehandelt, hatten beide Minister erklärt. Das Bildungsministerium erklärte, Schulleitungen in MV seien gehalten, die Polizei einzuschalten, wenn bei Besitz, Erstellung und/oder Verbreitung von Textnachrichten, Fotos oder Videos ein strafrechtlicher Hintergrund nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden könne.

Heute dann kam es im Landtag zu einer kontroversen Debatte um den Fall. Die AfD erneuerte ihre Kritik am Agieren der Behörden. «Opfer ist eindeutig das Mädchen, das vorgeführt wurde von Schulleiter und Polizei», sagte der AfD-Abgeordnete Enrico Schult.

Pegel verteidigte das Vorgehen der Polizisten erneut und warf seinerseits der AfD vor, mit bewusst falschen Darstellungen den Vorgang skandalisiert und für eigene Zwecke genutzt zu haben. «Es ist inakzeptabel, dass sie ein minderjähriges Mädchen verheizen für ihren Kommunalwahlkampf», sagte der Innenminister. Der Kritik schlossen sich Redner der anderen Fraktionen an.

«Es ging nicht um Schlümpfe», betonte Pegel. Es sei um Chiffrierungen gegangen, die im rechtsextremen Spektrum genutzt werden. Die herbeigerufenen Beamten hätten dies geprüft und festgestellt, dass es sich nicht um einen strafrechtlichen Sachverhalt handelte. «Die Kollegen, erfahren und selbst Eltern, hatten den Eindruck, dass es angezeigt ist, mit dem Mädchen zu reden», berichtete Pegel. Es sei in einem ruhigen Gespräch darum gegangen, vor Augen zu führen, welche Reaktionen im Netz solche Posts auslösen können.

Die GEW hatte bereits vor vier Wochen von einer «öffentlichen Hetzkampagne gegen die Schule und den Schulleiter» gesprochen. Die Landesvorsitzenden Annett Lindner und Nico Leschinski gaben eine Erklärung heraus, in der es heißt: «Wir stellen fest: Der Schulleiter hat richtig gehandelt. Wir begrüßen, dass in dieser Schule genau auf extremistische Bestrebungen geschaut wird. Das Ziel dieser von rechts orchestrierten Kampagne ist ganz eindeutig. Gerade im Vorfeld der Kommunal- und Europawahlen sollen Lehrkräfte eingeschüchtert werden, die sich im Unterricht kritisch mit rechtsextremen und menschenfeindlichen Tendenzen, wie zum Beispiel in der AfD, auseinandersetzen.»

Es bestehe nun die Gefahr, «dass sich in solchen Fällen jetzt niemand mehr traut, Hinweise zu geben oder sich zu rechtsextremen Tendenzen zu positionieren. Wir sollten diesen Vorfall zum Anlass nehmen zu prüfen, ob alle Verfahrensabläufe im Umgang mit Extremismus adäquat funktionieren. Insbesondere ist sicher zu stellen, dass die Sicherheit an Leib und Leben der Schüler:innen und Lehrkräfte gewahrt wird.»

Die Schule war zunächst nicht für eine Stellungnahme zur Klage zu erreichen. Laut Gerichtssprecher sei auch eine Aufteilung in zwei Verfahren denkbar, da es zum einen um das Handeln der Schule und zum anderen um das der Polizei gehe. Termine gebe es bislang nicht. Nach Angaben des Rechtsanwaltes der Mutter habe man auch eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Schulleiter sowie eine Anzeige wegen Beleidigung und Verleumdung eingereicht, die sich gegen den unbekannten Verfasser einer E-Mail richtet, die die Schule auf das Agieren des Mädchens im Internet hingewiesen hatte.

Auf Antrag von SPD und Linke wurde die heutige Debatte im Landtag auch dazu genutzt, um grundsätzlich über den Schutz der Demokratie zu diskutieren. Der Umgang der AfD mit dem Fall in Ribnitz-Damgarten sei ein Beispiel dafür, wie versucht werde, mit «regelrechten Kampagnen und Desinformation» die Demokratie zu unterhöhlen, sagte SPD-Fraktionschef Julian Barlen. Rechtsextremistischen Tendenzen gelte es in allen Bereichen entgegenzutreten, auch und gerade an Schulen. «Wer sich neutral verhält, wenn rechtsextreme Codes und Parolen verbreitet werden, der ist eben nicht neutral, sondern macht sich zum Steigbügelhalter der Feinde unserer Verfassung», betonte der SPD-Politiker und machte damit deutlich, dass er die Reaktion des Schuldirektors für gerechtfertigt hält. News4teachers / mit Material der dpa

Nach rechtsextremen Übergriffen: Neuer Schulleiter kämpft für die Demokratie – und gegen Ausländerfeindlichkeit

 

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