Nach rechtsextremen Übergriffen: Neuer Schulleiter kämpft für die Demokratie – und gegen Ausländerfeindlichkeit

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BURG. Ein Jahr, nachdem an einer Schule im Spreewald rechtsextreme Übergriffe bekannt wurden, kämpft der neu eingesetzte Schulleiter für ein besseres Demokratieverständnis und gegen rechtsextreme Ideologien. Die Arbeit ist schwierig – was zwei kurdische Schüler noch unlängst zu spüren bekamen.

„Alles übertrieben dargestellt“: Osterfeuer in Burg. Foto: Shutterstock /Vladimir Wrangel

«Einige hatten gehofft, dass jetzt die große Wende kommt», sagt Markus Mandel.  Es gehe ihnen zu langsam. Der Lehrer kam vor fast acht Monaten als neuer Schulleiter an die Grund- und Oberschule in Burg im Spreewald. Hier im Osten Brandenburgs hatten rechtsextreme Übergriffe für Aufsehen gesorgt – die Schule galt als atmosphärisch verseucht.

Der Fall machte im vergangenen Jahr nach einem zunächst anonymen Brandbrief zweier Lehrkräfte über Monate bundesweit Schlagzeilen (News4teachers berichtete). Die Lehrerin und der Lehrer schilderten im April 2023, sie seien an der Schule täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert. Laura Nickel und Max Teske berichteten über Hakenkreuze auf Möbeln, rechtsextreme Musik im Unterricht, demokratiefeindliche Parolen in Schulfluren. Dazu herrschte nach Angaben der Lehrkräfte eine «Mauer des Schweigens». Sie hatten auch von Untätigkeit der Schulleitung gesprochen. Danach wurden die Lehrkräfte angefeindet und verließen schließlich die Schule zum Sommer. Auch die Schulleiterin, die das Geschehen verharmlost hatte, ging.

Was Mandel vorfand, war ein tief gespaltenes Lehrerkollegium. Zum Schulstart im September schaute er zunächst, so der Leiter, mit welchen Lehrkräften er arbeiten konnte. Nickel und Teske standen nicht mehr zur Verfügung. Nach ihrem Brandbrief wurden sie öffentlich angefeindet. Drohungen kursierten im Netz und auf Aufklebern, die dutzendfach um die Schule herum platziert wurden. Zudem galten die beiden innerhalb des Kollegiums als Nestbeschmutzer. Mit dem Weggang zogen sie ihre Konsequenzen. Der Touristenort, der auch viele internationale Gäste anzieht, war plötzlich gebrandmarkt.

Wunsch nach Ruhe

An diesem Morgen hat ein erstes Café geöffnet, ein regionaler Gemüsestand wartet auf Kunden, am Hafen liegen die berühmten Spreewaldkähne zur Abfahrt bereit. Vor der Schule steigen Schüler aus dem Bus. Eltern bringen ihre Kinder mit dem Auto, Jugendliche schlendern in kleineren Gruppen Richtung Schule. Eine Mutter, die ihren Namen nicht nennen möchte, sagt, man wolle Ruhe haben, überhaupt sei alles von den Medien übertrieben dargestellt worden.

Eine Analyse zeigt etwas anderes: Für eine Studie «Jugend in Brandenburg» der Universität Potsdam wurden für das Schuljahr 2022/2023 auch Schülerinnen und Schüler aus der Burger Schule befragt. Die Auswertung, die im September 2023 bekannt wurde, zeigte demnach, dass Kinder und Jugendliche mit rechtsextremen Einstellungen dort häufiger vertreten gewesen sind als im (ohnehin schon rechtslastigen) Durchschnitt Brandenburgs. Für die Studie waren insgesamt rund 3.000 Schülerinnen und Schüler befragt worden.

Schulleiter sieht verankerten Rassismus

In Burg kennen fast alle Schulleiter Mandel. «Viele Eltern, die ihre Kinder jetzt in der Schule haben, habe ich unterrichtet», sagt der 63-Jährige. In den 1980er Jahren war er Lehrer und stellvertretender Direktor. Nun ist er auf Anordnung des Bildungsministeriums zurückgekehrt, auch wegen seiner Kompetenz. Geprägt werde eine rechtsextreme Gesinnung meist in den Elternhäusern, durch Freunde oder über soziale Medien, berichtet er. «Was echt verankert ist, ist eine gewisse Ausländerfeindlichkeit, obwohl manche gar keine Kontakte zu Ausländern haben.».

Wie tief diese feindliche Gesinnung verwurzelt ist, zeigt Mandel an einem Beispiel. Auf der Suche nach einem Fußballverein seien zwei kurdische Jungen aus der Schule von anderen Schülern abgelehnt worden. «Die Härte hat mich erschreckt», sagt der Schulleiter.

Etwa 160 Kilometer entfernt ist der ehemalige Burger Lehrer Max Teske inzwischen froh, Abstand zu den für ihn kräftezehrenden Vorkommnissen im Spreewaldort zu haben. Bei seinem neuen Arbeitgeber in Brandenburg an der Havel fühlt er sich gehört. Die Schulleitung gehe auf die Bedürfnisse der Lehrkräfte ein. Das Kollegium setze sich trotz auch unterschiedlicher Ansichten zu Problemen an einen Tisch, erzählt Teske. In Burg habe es hingegen eine Lagerbildung gegeben. «Wenn Lehrkräfte einen Hitlergruß als dummen Jungenstreich abtun, haben die an einer Schule nichts zu suchen», sagt er klar.

Forscherin:  Es braucht eine veränderte Debatte

Die Rechtsextremismus-Forscherin Heike Radvan sieht die Aufgabe aller Lehrkräfte wie auch der Leitung darin, sich gegen jede diskriminierende Aussage, gegen Geschichtsrelativierung und politisch rechte Positionen deutlich zu positionieren und das auch zum Lerngegenstand zu machen. Die Schulleitung sei bemüht, einen Prozess auf den Weg zu bringen. Das werde der Schulleiter aber nicht allein schaffen, mahnt die Professorin an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU). Es brauche eine veränderte Debatte an der Schule und in der Region, Unterstützung vom Schulamt, Bildungsministerium, Gemeinwesen, der Zivilgesellschaft.

Mandel versucht, das zerstrittene Lehrerkollegium zu befrieden, den Kontakt zu den Eltern zu halten, mit den Schülern im Gespräch zu bleiben: «Reden ist immer was sehr Positives. Ich lasse Leute nicht von vornherein links liegen, die nicht meiner Meinung sind.» Inzwischen werde sich zumindest im Lehrerzimmer wieder gegrüßt. Und sonst? Gibt es eine Aufarbeitung der Vorfälle und wie wird Demokratieverständnis vermittelt?

Eltern häufig Hindernis bei Aufklärungsarbeit

Was der Schulleiter beschreibt, ist auch für ihn teilweise schwer zu ertragen. Schülerfahrten ins Konzentrationslager Auschwitz hätten Eltern schon mal als Besuche von Kulissen aus Filmen bezeichnet, erzählt Mandel. «Fragt man bestimmte Eltern, ob die Fahrt dorthin ein Problem für sie sei, bekommt man als Antwort: Nein, kein Problem. Das ist doch alles fake, das sind noch Kulissen aus Schindlers Liste.» Veranstaltungen mit Aussteigern aus der rechtsextremen Szene hätten nachdenkliche Schüler zurückgelassen, aber auch solche, die die Aussteiger als «Schauspieler» abgetan hätten.

Zumindest hat es laut Mandel im neuen Schuljahr bislang keine neuen rechtsextremen Vorfälle gegeben. Der Schulleiter berichtet zudem von fünf neuen Lehrkräften, die seit diesem Schuljahr als Seiteneinsteiger das Kollegium verstärken. Ein aus Syrien geflüchteter Lehrer unterrichte Mathematik in der zehnten Klasse. Vom Lehrerkollegium werde er akzeptiert und unterstützt, Vorfälle habe es bisher nicht gegeben.

Schulleiter:  Jugendarbeit wird Rechten überlassen

Mandels Ziel ist es, Schülern, die sich gerade von zu Hause abnabeln und Anschluss suchen, die Augen zu öffnen, wie er sagt. «Es ist der Versuch, dass man vielleicht die Schwankenden rettet.» Sein Appell an die Politik: «Wir brauchen mehr Sozialarbeit an Schulen und wir brauchen Jugendarbeit am Nachmittag.» Vor der Schule hat Mandel ein auffälliges Engagement von rechten Kräften beobachtet: Erst kürzlich hätten Vertreter der rechtsextremistischen Kleinstpartei Der Dritte Weg wieder Flugblätter verteilt. News4teachers / mit Material der dpa

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Sarmantha
12 Tage zuvor

Wenn der neue Schulleiter „ein tief gespaltenes Lehrerkollegium“ vorfand, könnte das auch ein bedeuten, dass viele Lehrer den Vorwurf ihrer beiden Kollegen, dass die Schule verseucht sei mit Rechtsradikalismus, übertrieben fanden.
Mir geht, ehrlich gesagt, auch vieles, was heutzutage als rechtsradikal bezeichnet wird, zu weit und ich frage mich, ob das in den Augen der Bevölkerung nicht auf Dauer zu einer Verharmlosung echter Rechtsradikalität führt. Wenn zu oft „Alarm“ gerufen wird, nehmen die Leute das immer weniger ernst.

Ich habs so satt
12 Tage zuvor
Antwortet  Redaktion

Selbst wenn Alarm!Alarm!! gerufen wurde – von den 2 Lehrkräften, mussten diese 2 für sich selbst die Notbremse ziehen und erst als alles ? ok, viel publik wurde, wurde die SL wohl gegangen.
Alarm bedeutet dabei also auch, früh genug demokratisch durchzugreifen. Alarmiert sollten wir schon längst sein.

Walter Hasenbrot
12 Tage zuvor
Antwortet  Ich habs so satt

An dieser Schule wurde der Hitlergruß gezeigt. Ist Ihnen das nicht rechtsextrem genug?

Ich habs so satt
12 Tage zuvor
Antwortet  Walter Hasenbrot

Wie ich schrieb: bedeutet, früh genug durchzugreifen; in Burg war das nicht mehr möglich, deshalb gingen die Kollegen.
Vlt. einfach lesen, bevor Sie loslegen?

Mary-Ellen
12 Tage zuvor
Antwortet  Walter Hasenbrot

Sollte dieser Kommentar nicht eher an @Sarmantha gehen?

Walter Hasenbrot
11 Tage zuvor
Antwortet  Mary-Ellen

Ja, Sie haben recht.

Meine Entschuldigung geht an „Ich habs so satt“.

Kompetenzfan
9 Tage zuvor
Antwortet  Walter Hasenbrot

Wenn Schüler „H.H.“ rufen, dann sollten Lehrer gewiss reagieren, aber nicht, indem sie die Polizei rufen und Strafverfahren einleiten.
Ich würde denen folgendes sagen: Seit der Zeit Karls des Großen gab es so was wie Vorläufer von Deutschland als Land. Und in diesen 1200 Jahren gab es auch vieles, was schlecht war, es gab Kriege und Zerstörungen. Aber in all den Jahren ist keine Regierung so krachend gescheitert wie die Hitler-Regierung: Am Ende lag halb Deutschland in Schutt und Asche. Noch heute sieht man gelegentlich Spuren dieser Zerstörung. Wollt ihr das jetzt wieder haben ?? Wisst ihr eigentlich, dass Hitler gegen Ende des Krieges drogenabhängig war? Wisst ihr, wie viele Menschenleben er auf dem Gewissen hat? Was wisst ihr eigentlich sonst darüber? Und was in aller Welt wollt ihr mit eurem „H.H.“ jetzt erreichen?

Rainer Zufall
12 Tage zuvor
Antwortet  Sarmantha

Bei den genannten Beispielen im Artikel ging es um Holocaustleugnung, Hitlergrüße und Verschwörungsdenken.
Meiner Meinung ernst genug

Enjoy your chicken Ted
12 Tage zuvor
Antwortet  Sarmantha

Soll jetzt bitte was heißen bezogen auf die Schule in Burg?? Der Hitlergruß ist doch nur ein dummer Jungenstreich???

Ihr Kommentar zeigt, dass Rechtsextremismus zu sehr verharmlost wird.

Mary-Ellen
12 Tage zuvor
Antwortet  Sarmantha

Liest sich so, als wären Sie der Teil des Lehrerkollegiums der Schule in Burg, der Laura Nickel und Max Teske seinerzeit NICHT zur Seite stand.

Ich habs so satt
11 Tage zuvor
Antwortet  Mary-Ellen

Volltreffer, dankeschön !

Sarmantha
11 Tage zuvor
Antwortet  Mary-Ellen

Nein, das stimmt absolut nicht und ich finde auch nicht gut, wenn mit Unterstellungen argumentiert wird.
Wie ich bereits schrieb, habe ich Bedenken gegen zu viel und ständigen Alarm vor Rechtsradikalismus. Er stumpft einfach ab und geht allmählich zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Das Motto „Viel hilft viel“ ist eben oft nicht richtig.

Mary-Ellen
11 Tage zuvor
Antwortet  Sarmantha

Ich schrieb: „Es liest sich so…“, nicht: “ Sie sind …“ .
Also unterstelle ich Ihnen in meinem Kommentar – nichts!

Lisa
11 Tage zuvor
Antwortet  Sarmantha

Sie meinen wie in der Fabel vom Hirten und den Wölfen? An dieser Schule ist es aber wohl zu ernsteren Vorfällen gekommen.

Lisa
11 Tage zuvor

Hier im Osten Brandenburgs hatten rechtsextreme Übergriffe für Aufsehen gesorgt – die Schule galt als atmosphärisch verseucht.“
Was bedeutet bitte “ atmosphärisch verseucht „? Ich finde diese Sprache gewöhnungsbedürftig. Ich kannte die bisher nur von Rechten “ linksgrün versifft „

Lisa
11 Tage zuvor
Antwortet  Redaktion

Danke, das ist wirklich schlimm.

mama51
11 Tage zuvor

Nun, was auch immer hier aus verschiedenen Richtungen „gemeint“ wird…

Herr Mandel hat ein ( vielleicht zu?) schweres Erbe angetreten. Seine Aufgabe und sein Engagement verdient unser aller größten Respekt! Hut ab und Chapeau!
Ich hoffe für ihn und die Schule, dass er durchhält und auch bald Erfolge sehen kann.
Und zwar trotz der besonderen Situation, dass„Eltern häufig Hindernis bei Aufklärungsarbeit“... sind!
Wobei,… Eltern sind in vielen anderen (für uns LuL leider oft alltäglichen) Situationen auch noch zusätzliche Bremsklötze, die pädagogische Arbeit behindern! DAS kommt mit Sicherheit bei der Schüler- und Elternschaftt in Burg noch on Top!
Und das braucht eigentlich eh kein Mensch 🙁
Ich drücke Herrn Mandel fest die Daumen, dass sein Nervenkostüm das alles aushält 🙂