ÖREBRO. Wissenschaftler beleuchten den Zusammenhang von Beliebtheit, Schlafdauer und Schlaflosigkeit bei Jugendlichen. Den Schlaf am Wochenende nachholen zu wollen, ist möglicherweise kontraproduktiv.
Laut medizinischen Studien setzt bei Teenagern die Produktion des schlaffördernden Hormons Melatonin durchschnittlich erst zwei Stunden später ein als bei kleineren Kindern. Verbunden mit einer allgemein erhöhten Aufmerksamkeit am Abend fällt es Teenagern daher naturgemäß oft schwer, jede Nacht die empfohlenen acht bis zehn Stunden Schlaf zu erreichen.
Zugleich beginnen im Teenageralter steigende schulische Anforderungen, private Aktivitäten, mehr Unabhängigkeit von den Eltern und Beziehungen zu Gleichaltrigen mit dem Schlaf zu konkurrieren. Serena Bauducco von der Universität von Örebro und Katja Boersma von der Flinders University im australischen Adelaide und der ebenfalls in Adelaide beheimatete Schlafforscher Michael Gradisar weisen nun auf einen weiteren sozialen Faktor hin, der sich auf die Schlafgewohnheiten von Teenagern im Alter von 14 bis 18 Jahren auswirkt. Gemeinsam untersuchten sie, ob die Popularität von Jugendlichen in ihrem schulischen Umfeld mit einer kürzeren Schlafdauer einhergeht.
„Hier zeigen wir, dass beliebte Teenager von einer kürzeren Schlafdauer berichten. Insbesondere beliebte Mädchen – anders als Jungen – berichteten über mehr Schlaflosigkeitssymptome“, fasst Serena Bauducco die Ergebnisse zusammen. „Interessanterweise scheint sich die Popularität sowohl vor als auch nach der Einführung von Smartphones negativ auf den Schlaf auszuwirken“, so die Psychologin.
Beliebt und schlaflos
Die Untersuchung des Zusammenhangs der Beliebtheit von Teenagern und ihrer Schlafdauer stützt sich auf eine Stichprobe von etwas über 1.300 schwedischen Teenagern, knapp die Hälfte von ihnen weiblich. Die Forscherinnen und Forscher baten die Teenager, bis zu drei Freunde zu nominieren. Anhand der Nominierungen bestimmten sie dann die überdurchschnittlich beliebten Teenager. Diese Teenager schliefen weniger als ihre Altersgenossen, die beliebtesten bis zu 27 Minuten täglich.
Als das Team Jungen und Mädchen getrennt betrachtete, fand sich auch ein Zusammenhang zwischen Beliebtheit und Schlaflosigkeitssymptomen: Bei als beliebt eingestuften Mädchen traten häufiger Schlaflosigkeitssymptome auf, beispielsweise Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen oder zu frühes Aufwachen. Bei beliebten Jungen traten diese Symptome nicht im gleichen Ausmaß auf.
Eine mögliche Ursache für die Geschlechtsunterschiede bei Jungen und Mädchen sehen die Bauducco, Boersma und Gradisar darin, dass männliche und weibliche Jugendliche sich in Freundschaftsverhältnissen unterschiedlich verhielten. „Mädchen zeigen mehr Mitgefühl und Fürsorge gegenüber ihren Freunden und auch mehr Hilfsverhalten als Jungen. Das könnte bedeuten, dass sie diese Sorgen mit sich herumtragen, wenn es Zeit zum Einschlafen ist“, erklärte Bauducco.
Telefone erklären nicht den Zusammenhang zwischen Beliebtheit und Schlaf
Anhand der vorliegenden Daten sei laut Serena Bauducco deutlich erkennbar, dass die Popularität sowohl vor als auch nach der Entwicklung der mobilen Kommunikationstechnologie mit schlechterem Schlaf verbunden war. Dies deute darauf hin, dass es möglicherweise nicht Smartphones sind, die dazu führen, dass beliebte Teenager weniger schlafen.
Die Forscher spekulieren, dass mehr Freunde bedeuten könnten, dass ihnen mehr Zeit gewidmet wird, was wiederum dazu führen könnte, dass weniger Zeit zum Schlafen bleibt. Auch eine stärkere emotionale Belastung könnte zu Schlafstörungen führen. Beide Erklärungen würden für Zeiten vor und nach der Verbreitung von Smartphones gelten. Dies müsse jedoch noch im Detail untersucht werden.
Schlafschulden anhäufen
„Jugendliche sind im Laufe ihres Lebens wohl die Bevölkerungsgruppe mit dem größten Schlafmangel“, sagte Bauducco. Zugleich hätten frühere Studien gezeigt, dass 30 Minuten zusätzlicher Schlaf zu einer verbesserten psychischen Gesundheit und besseren schulischen Leistungen führen können.
Da die Schule früh beginnt, versuchen viele Teenager, am Wochenende Schlaf nachzuholen – eine Strategie, die nach hinten losgehen könne. „Angenommen, ein Teenager schläft am Sonntag bis 13 Uhr aus. In dieser Nacht einzuschlafen, um am nächsten Tag für die Schule bereit zu sein, wird schwierig, weil sie sich dann nicht müde fühlen“, erläutert Bauducco. „Eine zu starke Verzögerung der Aufwachzeiten kann dazu beitragen, das Problem der unter der Woche angehäuften Schlafschulden fortzuschreiben.“
Nach Ansicht von Serena Bauducco, Katja Boersma und Michael Gradisar könnten ihre Ergebnisse insbesondere dazu beitragen, die bestehenden Schlafinterventionen für Jugendliche zu verbessern, wenn die Diskussion über soziale Schlafnormen und die Erwartungen von Gleichaltrigen rund um die Schlafenszeit in die Konzeption entsprechender Maßnahmen einbezogen würden. Darüber hinaus seien weitere Untersuchungen erforderlich, um den wechselseitigen Zusammenhang zwischen sozialer Verbundenheit und Schlaf zu untersuchen und die entdeckten Geschlechtsunterschiede zu beleuchten. (zab, pm)
- Die Originalstudie ist im Fachmagazin „Frontiers in Sleep“ erschienen:
Serena Bauducco, Katja Boersma und Michael Gradisar: “Sleepy and popular? The association between popularity, sleep duration, and insomnia in adolescents”
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