AUSTIN. In einem Interview hetzt Elon Musk gegen Geschlechtsangleichungen. Seine Tochter, die selbst trans ist, hält dagegen – und berichtet von Diskriminierungserfahrungen im Elternhaus. In den USA löst der Streit eine Grundsatzdebatte aus. Ein Experte aus Basel ordnet die Aussagen von Musk ein.
Elon Musk hat in einem Interview mit dem kanadischen Psychologen und Trump-Unterstützer Jordan Peterson für Aufsehen gesorgt. In dem Gespräch, das auf der Plattform Daily Wire und auch auf YouTube verfügbar ist, äußert sich Musk über das Verhältnis zu seiner 20-jährigen Tochter Vivian Jenna Wilson.
Die Tochter des Tesla-CEOs und Inhabers der Plattform X hatte 2022 eine Geschlechtsangleichung und brach den Kontakt zu ihrem Vater ab. Musk sagt in dem Interview nun: „Mein Sohn Xavier ist tot.“ Xavier war der Name, unter dem Wilson 2004 geboren wurde. Musk macht das „Woke-Virus“ für die Entfremdung verantwortlich und erklärt, die Transition sei gegen seinen Willen erfolgt. Er habe die entsprechenden Dokumente unter Druck unterzeichnet, ohne das Ausmaß der Entscheidung zu verstehen.
Musk bezeichnet die Geschlechtsangleichung als „Kindesverstümmelung und Sterilisation“ und sprircht von „Sterilisationsdrogen“, die ihm als Pubertätsblocker verkauft worden seien. „Ich habe meinen Sohn verloren. Sie nennen es aus gutem Grund Deadnaming“, sagt Musk. Der Begriff „Deadname“ bezieht sich auf den Namen, den eine trans Person vor ihrer Geschlechtsangleichung trug. Musk verwendet diesen Namen durchgängig während des Gesprächs mit Peterson.
Er habe sich geschworen, diesen „Woke-Virus zu zerstören“, fährt der Milliardär und Vater von zwölf Kindern fort. Er stellt die Theorie auf, „dass Erwachsene Kinder, die eine echte Identitätskrise haben, manipulieren und ihnen vorgaukeln, sie hätten das falsche Geschlecht“.
Vivian Jenna Wilson kritisiert ihren Vater hart für dessen Aussagen. Mit diesen Äußerungen habe Musk eine Grenze überschritten, sagte die 20-Jährige, die nach eigenen Aussagen bereits seit 2020 als Transfrau lebt, dem Sender NBC in einem Telefoninterview. Sie werde solche „Lügen“ nicht unwidersprochen lassen. Wilson widerspricht Musks Darstellung. Sie habe unter schwerer Geschlechtsdysphorie gelitten, sich also nicht mit dem ihr bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren können. Deshalb habe sie sich mit 16 für eine medizinische Behandlung mit Pubertätsblockern und später mit Hormontherapie entschieden.
Dafür habe Wilson die Zustimmung beider Elternteile benötigt. Musk habe sie zunächst nicht unterstützt, nach einiger Überzeugungsarbeit die Dokumente aber „mindestens zweimal“ gelesen und unterschrieben. „Er wurde keinesfalls hereingelegt“, sagte sie.
Musk sei als Vater wenig in ihrem Leben präsent gewesen, sagt Wilson weiter. „Er war kalt“, er werde schnell wütend, „er ist gefühllos und narzisstisch“. Musk habe sie in ihrer Kindheit wegen ihrer weiblichen Züge schikaniert und unter Druck gesetzt, männlicher zu wirken. Auf eine NBC-Anfrage nach einer Stellungnahme habe Musk nicht reagiert, hieß es.
Der Multimilliardär gehört zu den reichsten Menschen der Welt. Politisch steht der gebürtige Südafrikaner aufseiten der amerikanischen Rechten. Er hatte bereits zuvor gegen die ärztliche Betreuung von Jugendlichen gewettert, die sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren.
Musk behaupte „Dinge, die fachlich absolut falsch sind“, sagt der Deutsch-Schweizer Psychologe Udo Rauchfleisch gegenüber BuzzFeed News Deutschland. Rauchfleisch beschäftigt sich in der Forschung und in der psychotherapeutischen Praxis seit über 50 Jahren mit trans Menschen (Transgendern), hat dazu ein Buch geschrieben. „Soziale Einflüsse können keine Transidentität schaffen“, sagt Rauchfleisch. Vor diesem Hintergrund seien Elon Musks Aussagen zum „Woke-Virus“, der angeblich zur transidenten Entwicklung seines Kindes geführt habe, „unhaltbar“.
„Absolut falsch“ sei auch die Aussage, die seiner Tochter gegebenen Pubertätsblocker seien Sterilisationsmittel. „Pubertätsblocker werden eingesetzt, damit den trans Jugendlichen das Durchlaufen der Pubertät erspart bleibt“, sagt der Experte. Stimmbruch, Bartwuchs, Brustwachstum oder die Menstruation würden unterbrochen. „Mit der Gabe von Pubertätsblockern ist in keiner Weise eine Entscheidung über die weitere Entwicklung getroffen. Es ist keine Sterilisation. Nach Absetzen der Mittel kann die Pubertät ganz normal durchlaufen werden.“
Die Berichte erwachsener trans Personen zeigen dem Psychologen zufolge übereinstimmend, dass sie „in ihrer Jugend die Wahrnehmung der körperlichen Veränderungen in der Pubertät als extreme Belastungen und Leiden“ erleben. „Oft hat allein die Hoffnung, dass es später vielleicht eine körperliche Angleichung an das empfundene Geschlecht geben könne, sie vom Suizid abgehalten“, sagt Rauchfleisch. Dass Musk die Suizidalität der eigenen Tochter mit einer Depression abtue, sei für ihn mit seinem fachlichen Hintergrund kaum zu verstehen. News4teachers / mit Material der dpa, Titelfoto: Shutterstock, Frederic Legrand – COMEO
Transidentität bei Jugendlichen: Zahl der Betroffenen steigt – Studienlage unzureichend

