HAMBURG. Jugendliche in Deutschland blicken optimistisch in die Zukunft und sind sich überwiegend sicher, nicht nur ihren angestrebten Bildungsabschluss zu erreichen, sondern auch sich ihre beruflichen Wünsche erfüllen zu können. Das geht aus der aktuellen Shell-Jugendstudie hervor, die heute erschienen ist. Besondere Aktualität hat die Erhebung mit Blick auf die politischen Einstellungen der jungen Menschen. Ein „Rechtsruck“ lässt sich demnach nicht erkennen.
Immer weniger Menschen im Alter von zwölf bis 25 Jahren haben Angst vor Arbeitslosigkeit oder davor, keinen Ausbildungsplatz zu finden. Nur noch etwa ein Drittel nennt diese Sorgen. „Das ist in unserer Zeitreihe ein historischer Tiefstand“, sagt Professor Mathias Albert, Leiter der Shell-Jugendstudie. Ähnlich optimistisch blicken die Jugendlichen, die noch zur Schule gehen, auf das Ende ihrer Schulzeit: Unter ihnen sind mehr als neun von zehn (sehr) sicher, ihren Wunschabschluss zu erreichen (92 Prozent). Ebenso viele Auszubildende sind sich (sehr) sicher, nach der Ausbildung übernommen zu werden. Unter Studierenden ist die Zuversicht (sehr) hoch, innerhalb eines Jahres eine dem Studienabschluss angemessene Arbeit zu finden (95 Prozent).
Allerdings zeigt die Shell-Jugendstudie erneut: In Deutschland beeinflusst die soziale Herkunft den Bildungserfolg noch immer deutlich. Nur etwas mehr als ein Viertel der Jugendlichen, deren Eltern (höchstens) einen einfachen Schulabschluss haben, erreichen oder streben das Abitur an (27 Prozent). Hat mindestens ein Elternteil Abitur, sind es 80 Prozent. Und: Brüche in der Bildungslaufbahn wie etwa Sitzenbleiben erleben vor allem junge Menschen aus der unteren Schicht. Fast jeder zweite kann von einem solchen berichten. In der oberen Schicht ist es nur jeder zehnte.
Mehr Bildungsaufstiege als -abstiege
Trotzdem lässt sich in diesem Bereich eine positive Entwicklung aus den Ergebnissen der Jugendstudie ziehen. Mehr als ein Viertel der Jugendlichen kann 2024 von einem erwarteten oder verwirklichten Bildungsaufstieg berichten (28 Prozent). Einen Bildungsabstieg verzeichnen dagegen nicht einmal halb so viele (13 Prozent). Unter der Mehrheit der Jugendlichen, die keine Bildungsmobilität aufweisen, befinden sich viele, die wie ihre Eltern das Abitur anstreben oder bereits gemacht haben (59 Prozent).
Größeres Bedürfnis nach Homeoffice
Mit Blick auf die Berufstätigkeit dominiert bei der überwiegenden Mehrheit, trotz hoher Zuversicht, einen Arbeitsplatz zu finden, das Bedürfnis nach Sicherheit (91 Prozent). Im Vergleich zu 2019 haben zudem vor allem ein hohes Einkommen (83 Prozent zu 76 Prozent) und gute Aufstiegsmöglichkeiten (80 Prozent zu 74 Prozent) an Bedeutung gewonnen; der Wunsch nach genügend Freizeit ist dagegen leicht zurückgegangen (85 Prozent zu 82 Prozent), während der nach Arbeit im Homeoffice deutlich im Kurs gestiegen ist (69 Prozent zu 61 Prozent). Unter jungen Männern gewinnt zudem der Wunsch, in Teilzeit arbeiten zu können, wenn sie Kinder haben, zunehmend an Bedeutung. „Eine 30-Stunden-Woche des Vaters finden viele inzwischen attraktiver als eine Erwerbstätigkeit in Vollzeit – darin sind sich junge Männer und Frauen einig“, wie die Studienautor:innen schreiben.
An der 19. Shell-Jugendstudie beteiligten sich 2.509 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von zwölf bis 25 Jahren. Im Rahmen persönlicher Interviews, die im Zeitraum von Januar bis Ende März 2024 stattfanden, beantworteten sie standardisierte Fragen zu ihrer Lebenssituation und ihren Einstellungen und Orientierungen.
Besondere Aktualität bekommt die Studie vor dem Hintergrund der jüngsten Wahlergebnisse in Brandenburg, Thüringen und Sachsen, da sie auch die politischen Einstellungen der jungen Menschen erhebt. „Wir sehen einen beachtlichen Anteil an verdrossenen Jugendlichen, insgesamt rund zwölf Prozent der jungen Leute. Daneben gibt es einen erheblichen Anteil kritischer und unzufriedener Jugendlicher“, fasst Studienleiter Mathias Albert einige Ergebnisse zusammen. Diese jungen Menschen seien leicht durch Populismus erreichbar, kritisch gegenüber Staat und Gesellschaft eingestellt und sähen sich als benachteiligte Modernisierungsverlierer, heißt es. Zu dieser Gruppen gehören laut Erhebung Jugendliche mit eher niedriger Bildung, aber auch aus den neuen Bundesländern und auffallend viele junge Männer. „Nichtsdestotrotz: Die verdrossenen und unzufriedenen Jugendlichen prägen keinesfalls die ganze Generation“, so Albert.
Vor allem männliche Jugendliche bezeichnen sich als (eher) rechts
Die Hälfte der jungen Menschen bezeichnet sich laut Shell-Jugendstudie nämlich als politisch interessiert. Noch 2002 sagten dies nur 34 Prozent. Im Durchschnitt stufen sie sich als leicht links ein. Auf einer Skala von 1 bis 11, wobei 1 für politisch links und 11 für politisch rechts steht, erreichen sie einen Mittelwert von 5.3. Damit ist die Selbstpositionierung im Vergleich zu 2019 insgesamt stabil (5.1). „Auch in 2024 haben wir keine Veränderungen feststellen können, die auf einen ‚Rechtsruck‘ hindeuten“, schreiben die Autor:innen der Studie. Auffällig ist jedoch, dass seit 2019 vor allem der Anteil männlicher Jugendlicher angestiegen ist, die sich als eher rechts bezeichnen: Jeder vierte ordnet sich als eher rechts oder rechts ein (25 Prozent), 2019 waren es weniger als jeder fünfte. Bei den weiblichen Jugendlichen ist kein Anstieg zu verzeichnen; von ihnen bezeichnen sich selbst nur elf Prozent als eher rechts oder rechts.
Insgesamt zeigen die jungen Befragten grundsätzlich ein hohes Staatsvertrauen. Vor allem das Vertrauen in die zentralen Institutionen der Bundesrepublik wie das Bundesverfassungsgericht ist in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich gewachsen. Dagegen ist das Vertrauen in die Bundesregierung zurückgegangen; nach wie vor ist es aber im Durchschnitt positiv. Eher weniger Vertrauen haben die Jugendlichen dagegen in die politischen Parteien. Die Demokratie steht dagegen hoch im Kurs: Die Mehrheit der Befragten ist mit ihr eher oder sogar sehr zufrieden (75 Prozent). Dabei zeigt sich jedoch ein West-Ost-Gefälle. Während das Demokratievertrauen bei Jugendlichen im Westen mit 77 Prozent stabil ist, geht sie bei den Jugendlichen im Osten derzeit etwas zurück (aktuell 60 Prozent). News4teachers