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Neustart für die Brandbrief-Schule: Wie Schulleiter Engin Catik darum kämpft, sein Kollegium wieder zu motivieren

BERLIN. Die Friedrich-Bergius-Schule in Berlin-Friedenau steht vor einem Neuanfang. Nach einem alarmierenden Brandbrief des Lehrerkollegiums, in dem von Gewalt, Mobbing, Schulverweigerung und ausgebrannten Lehrkräften die Rede war, soll nun ein neuer Schulleiter die Wende bringen. Engin Catik, der zuvor bereits die krisengebeutelte Johanna-Eck-Schule in Tempelhof erfolgreich reformiert hat, tritt mit einem klaren Konzept an: Konsequenz, Vertrauen und “zugewandte Autorität”. Sein Ziel ist es, die Schule wieder auf Erfolgskurs zu bringen und den Lehrkräften ihre Freude am Beruf zurückzugeben.

Es brennt im deutschen Bildungswesen. Foto: Shutterstock

Catik betont jedoch, dass er sich selbst nicht als “Schulretter” sieht. “Diese Zuschreibung kommt von außen. Die Johanna-Eck-Schule habe ich nicht allein gerettet, es war ein Gesamtwerk der Lehrerinnen und Lehrer, der Schülerinnen und Schüler, der Eltern und vieler Kooperationspartner”, stellt er im ntv-Podcast “Wieder was gelernt” klar. Dennoch wurde er von seinen Vorgesetzten gezielt für die neue Aufgabe ausgewählt. “Das ist eine hohe Anerkennung meiner Arbeit”, erklärt er. Der Wechsel fiel ihm dennoch schwer, da er viel Herzblut in seine vorherige Schule gesteckt hatte.

Herausforderungen und erste Eindrücke

Der Empfang an der neuen Schule sei freundlich gewesen, besonders die Schülerinnen und Schüler hätten reges Interesse gezeigt. Die oft skizzierten Gewaltprobleme seien nicht zu verallgemeinern: “Die meisten Schülerinnen und Schüler sind nicht angsteinflößend. Im Gegenteil.” Dennoch gibt es eine Gruppe, die sich nicht an die Regeln hält. Er schätzt, dass rund zehn Prozent der Jugendlichen ein problematisches Verhalten zeigen, aber betont zugleich, dass “90 Prozent anständig sind, ein klares Ziel vor Augen haben und ihren Abschluss machen wollen”.

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Ein Vorfall Ende Januar, bei dem ein 15-Jähriger einem Mitschüler Reizgas ins Gesicht sprühte, machte Schlagzeilen. Catik handelte sofort: “Ich habe die Polizei gerufen, weil es eine Straftat war.” Gleichzeitig sei es wichtig, solche Situationen pädagogisch aufzuarbeiten. “Wir müssen ihm sein Fehlverhalten ganz klar aufzeigen und sanktionieren”, erklärt er.

Entlastung der Lehrkräfte und neue Strukturen

Ein zentrales Anliegen ist es, die Lehrerinnen und Lehrer zu entlasten. Der Brandbrief hatte beschrieben, dass Erziehungsarbeit mittlerweile einen Großteil des Schulalltags einnimmt. “Die Überforderung der Lehrer ist nachvollziehbar”, gesteht Catik ein. Die Schülerschaft sei extrem heterogen: “Von Menschen, die zugewandert sind und der Unterrichtssprache noch nicht folgen können, bis zu Menschen, die jedes Bildungsangebot annehmen und das Abitur anstreben.” Um diesen Herausforderungen zu begegnen, will er klare Strukturen schaffen: “Wir müssen Handlungsleitfäden installieren. Meine Kolleginnen und Kollegen sollen wissen, was sie zu tun haben.”

Wachschutz und Zusammenarbeit mit den Eltern

Ein kontroverses Thema ist der von der Berliner Schulsenatorin angebotene Wachschutz. Während sein Vorgänger einen Pförtnerdienst bevorzugte, hat Catik den Wachschutz bereits beantragt. “Ich nehme das Angebot der Senatorin an. Der Wachschutz soll für Ruhe und Sicherheit sorgen und verhindern, dass schulfremde Personen das Gelände betreten.” Gleichzeitig betont er: “Ich stehe selbst jeden Morgen und jeden Nachmittag am Portal und begrüße die Schülerinnen und Schüler freundlich.”

Auch die Zusammenarbeit mit den Eltern sieht er als Schlüssel zum Erfolg. “Viele Eltern haben großes Interesse daran, dass ihre Kinder Erfolg haben”, sagt er. Allerdings sei es für einige schwer, das deutsche Bildungssystem zu verstehen. “Ich komme selbst aus einer migrantischen Familie, die ‘bildungssystemfern’ war. Dieses System muss ich den Eltern erklären.” Bei manchen problematischen Jugendlichen jedoch fehle das Interesse seitens der Eltern komplett. “Das muss unsere Gesellschaft dann aushalten. Wir Pädagogen sind verpflichtet, diese Erziehungsarbeit zu übernehmen.”

Zukunftspläne und langfristige Ziele

Trotz der Herausforderungen ist Catik zuversichtlich: “Wir bekommen die Schule wieder in die Erfolgsspur, da habe ich keine Bedenken.” Er setzt dabei auf eine enge Zusammenarbeit mit dem Kollegium und verschiedenen Gremien. “Es gibt eine Steuergruppe, aber es braucht auch eine erweiterte Schulleitung, die sich aus Lehrkräften, der Schulsozialarbeit sowie Schüler- und Elternvertretung zusammensetzt.”

Einige Neuerungen sollen bereits zum kommenden Schuljahr umgesetzt werden, darunter ein digitaler Stundenplan sowie Projekte mit der Nachbarschaft. “Jugendliche sollen Seniorinnen und Senioren beibringen, wie man sein Tablet einrichtet oder mit Apps umgeht.” Diese Verknüpfung von Schule und Sozialraum sieht er als wichtigen Bestandteil der Schulentwicklung.

Catik möchte langfristig dafür sorgen, dass sich die Stimmung an der Schule verbessert. “Ich würde gerne dafür sorgen, dass meine Kolleginnen und Kollegen diesen Job wieder mit Spaß machen.” Sein Credo bleibt: Konsequenz, Vertrauen und “zugewandte Autorität”. Mit dieser Mischung will er nicht nur für Ruhe und Struktur sorgen, sondern den Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern eine Perspektive geben. News4teachers

Hier geht es zu dem Podcast.

Ein Kollegium ruft per Brandbrief um Hilfe: Gewalt und Chaos regieren an der Schule – Lehrkräfte werden bedroht

 

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