BERLIN. Die Lehrerin Emily Horbach hat neben dem Unterricht angefangen, Videos mit konkreten Unterrichtsstrategien für Lehrkräfte zu drehen – und sie als „emitheteacher“ auf verschiedenen Social Media Plattformen hochzuladen. Inzwischen hat sie sich eine richtige Community aufgebaut und sucht neben ihrem Job als Lehrerin immer nach neuen, spannenden Themen. Im Interview erzählt sie, welche Fehler sie zu Beginn gemacht hat und warum eine Social Media Karriere auch harte Arbeit ist.
News4teachers: Du bist Lehrerin, hast aber auch angefangen, verschiedene Social Media Kanäle zu bespielen und dir dort einen Namen als „emitheteacher“ zu machen. Was war deine ursprüngliche Intention und wie hat es sich dann entwickelt?
Emily Horbach: Kurz nachdem ich das Referendariat abgeschlossen habe, habe ich das „Instalehrerzimmer“ entdeckt. Ich habe damals eine volle Stelle gehabt, also 26 Unterrichtsstunden, immer um die 30 Schüler in der Klasse, eine Klassenleitung und alles, was dazugehört. Ich war damals echt schockiert über den Workload und über die Masse an Aufgaben, die man parallel managen muss. Dazu noch die wenige Hilfestellung… Da hat mir das Instalehrerzimmer geholfen und hat mein Interesse an Social Media geweckt.
News4teachers: Und dann hast dir noch eine Aufgabe an Land gezogen (lacht).
Emi: Nicht direkt. Erstmal habe ich angefangen, Lösungen für meine Probleme zu suchen, weil ich gedacht habe: „Das kann es doch nicht sein.“ Ich hab hier einen Kurs mit 30 Schülern und ich weiß nicht, was ich mit denen machen soll, die in der letzten Reihe sitzen und sich einfach nicht beteiligen. Wie schaffe ich es, dass alle Schüler in meinem Unterricht was lernen? Zu dem Zeitpunkt hatte ich den Eindruck, mein Unterricht sei schon irgendwie okay, aber ich könnte noch ganz viel optimieren und besser machen, damit wirklich alle Schülerinnen und Schüler etwas für sich daraus mitnehmen. Es ist ein Trugschluss zu denken, dass man nach dem Referendariat fertig ist. Wenn man eine gute Lehrkraft werden will, geht es danach erst richtig los. Der Ausgangspunkt war also, dass ich Antworten auf meine Fragen gesucht habe.
News4teachers: Zur Einordnung, das Instalehrerzimmer ist eine Community auf Instagram, in der sich Lehrkräfte austauschen.
Emi: Genau. Und gleichzeitig ist mir ein Buch aus der amerikanischen Didaktik in die Hände gefallen, von Doug Lemov. Es gibt deutliche Unterschiede zwischen der deutschen und der amerikanischen Didaktik und ich habe mir ganz viele konkrete Strategien dort abgeschaut, die ich sofort in meinen Unterricht einbinden konnte, die mir meine Arbeit erleichtern und dafür sorgen, dass alle meine Schüler in meinen Unterricht etwas lernen. Diese Kombi hat dann dazu geführt, dass ich dachte: „Diese Ideen aus der amerikanischen Didaktik sind so gut, die will ich dem Instalehrerzimmer und der Community zurückgeben, weil ich dort auch so viel Hilfreiches gefunden habe.“ So habe ich angefangen, einfach mal mein erstes Video zu drehen und zu teilen. Danach hat das Ganze so ein bisschen seinen Lauf genommen und es hat mir auch einfach super viel Spaß gemacht, meine Ideen zu teilen. Ich hab mich immer tiefer eingelesen, neue Autoren gefunden, neue Ideen entworfen und so weiter. Das war im Grunde wie ein Schneeballsystem.
News4teachers: Und du hast immer mehr ausprobiert?
Emi: Genau. Ich habe mich in dieser Welt sozusagen ausgetobt und habe ziemlich schnell auch viel positives Feedback bekommen, gerade von jüngeren Lehrkräften und Referendaren. Die haben mir geschrieben: „So konkrete Hinweise, die kriegen wir an der Uni nicht. Die kriegen wir im Referendariat nicht. Das hat mir total geholfen.“ Das hat mich darin bestätigt, dass es richtig ist, diese Dinge auch mit anderen zu teilen.
News4teachers: Aber ein Publikum, eine Community, hat man ja am Anfang erstmal nicht. Wenn man einen YouTube-Channel aufmacht, dann hat man zu Beginn vielleicht ein, zwei Leute, die sich mal dorthin verirren, die aber im Zweifel gar nicht zur Zielgruppe gehören, die man erreichen möchte. Wie geht das, eine Community aufzubauen?
Emi: Das war schon viel harte Arbeit, das muss man wirklich so sagen. Es sieht ja bei Social Media immer alles ganz leicht und locker flockig aus. Aber hinter so einem Video steckt natürlich viel Arbeit. Man muss sich zu jedem Video Gedanken machen, ein Script schreiben, einen sinnvollen Aufbau überlegen und so weiter. Und man muss konsistent sein, immer dranbleiben. Die Erfahrung habe ich gemacht. Die ersten zwei Monate habe ich fast jeden Tag ein Video gepostet und hatte in dieser Zeit aber nur so 600 Follower. Irgendwann – bei mir war es so nach zwei Monaten glaube ich – belohnt dich dann der Algorithmus für die Regelmäßigkeit und spielt vereinzelt Videos auch ein bisschen größer aus. Dann erreicht man direkt mehr Leute und ich habe viel Zuspruch für meinen Content bekommen. Für Lehrkräfte gibt es wenig, was so motivierend ist, wie Ideen zu bekommen, die man direkt umsetzen kann. Kleine Schritte, kleine Strategien, die sich für alle Schulformen eignen. Das hat dann dazu geführt, dass mir immer mehr Leute gefolgt sind.
News4teachers: Welche Themen sind es konkret, die du auf deinen Kanälen bespielst?
Emi: Ich habe angefangen mit ganz konkreten Methoden, Unterrichtsstrategien, die man schnell umsetzen kann. Aber man entwickelt sich als Influencer natürlich auch weiter mit der Zeit. Jetzt gerade befinde ich mich auf der Suche nach Antworten auf die Fragen, was gute Lehrkräfte eigentlich anders machen und was eine gute Schule ausmacht. Ich würde schon gerne zeigen, wie wir deutsche Schulen besser machen und dafür sorgen können, dass Schülerinnen und Schüler noch besser lernen.
News4teachers: Die Königsfrage…
Emi: (lacht) Die Königsfrage, genau. Die finde ich super spannend, auch die Thematik des evidenzbasierten Lernens. Es gibt viele wissenschaftliche Untersuchungen dazu, wie der Mensch eigentlich am besten lernt. In diesem großen Themenspektrum bewege ich mich gerade. Einen Fahrplan, wie der Content der kommenden Monate aussehen soll, habe ich gar nicht. Ich lese viel, informiere mich viel und höre mich um, was beispielsweise andere Länder machen. Daraus versuche ich dann, Impulse aufzugreifen und überlege, was mich selbst inspiriert hat. Das ist eben auch das Schöne an Social Media, dass ich selbst entscheiden kann, was ich mache und was ich teile.
“Man muss bei Social Media schon genau überlegen, wie man etwas sagt und wie man etwas teilt beziehungsweise welchen Kontext man dazugibt, damit man nicht falsch verstanden wird”
News4teachers: Gibt es denn auch mal Kritik? Ich weiß aus Erfahrung, dass sich nicht alle Lehrerinnen und Lehrer gerne belehren lassen (lacht).
Emi: Ja. Einer der Knackpunkte an Social Media ist ja diese Schnelllebigkeit. Man muss Dinge super schnell auf den Punkt bringen, am besten gar nicht viel drum herum erklären. Aber bei vielen Dinge müsste man eigentlich ein bisschen mehr drum herum erklären, um es zu erfassen. Das geht dann bei YouTube zum Beispiel besser, dort kann man auch mal ein größeres Fass aufmachen.
Ich kann mich noch sehr gut an eine Kritik erinnern zu einem meiner ersten Videos. Darin ging es damals um das Thema Cold Calls. Das ist eine Strategie aus dem Amerikanischen, die aber jede Lehrkraft kennt: Man ruft Schülerinnen und Schüler auf, obwohl sie sich nicht melden. Es gibt ganz viele, auch evidenzbasierte Untersuchungen dazu, warum es eine gute Strategie ist, aber auch, wie man einen Cold Call richtig einsetzen sollte. Denn auch da, gibt es verschiedene Strategien und es sollte nicht darum gehen, Schülerinnen und Schülern Angst zu machen oder sie unter Druck zu setzen.
Das Video, das ich dazu gemacht habe, hat Kritik bekommen, weil ich da so ein bisschen unbedarft rangegangen bin, glaube ich. Weil ich auch noch nicht so richtig wusste, wie Social Media funktioniert. Da gab es zum Teil ziemlich harte Rückmeldungen – wahrscheinlich zu Recht, würde ich rückblickend sagen. Es hat einfach Kontext gefehlt. Das ist etwas, was mir in Erinnerung geblieben ist und was mich auch geprägt hat in der weiteren Arbeit. Denn zum Glück lernt man ja aus seinen Fehlern. Man muss bei Social Media schon genau überlegen, wie man etwas sagt und wie man etwas teilt beziehungsweise welchen Kontext man dazugibt, damit man nicht falsch verstanden wird – obwohl man teilweise nur 90 Sekunden Zeit hat. Das ist manchmal ganz schön herausfordernd (lacht).
“Ich habe schon das Gefühl, dass das zwei getrennte Welten sind, meine Social Media Tätigkeit und meine Tätigkeit in der Schule”
News4teachers: Wenn ich Schüler bei dir wäre, wäre es dann eine schlaue Taktik, mir deine Videos anzugucken, um zu schauen, was mich so in den nächsten Tagen wohl erwartet?
Emi: Mir folgen auf jeden Fall ganz viele meiner Schüler, das weiß ich. So wahnsinnig viel erfahren sie da allerdings nicht. Ich habe schon das Gefühl, dass das zwei getrennte Welten sind, meine Social Media Tätigkeit und meine Tätigkeit in der Schule. Es klingt paradox, weil ich natürlich über Dinge spreche, die ich in der Schule auch mache. Aber ich bin auf Social Media eine andere Person, also eine andere Person als die Lehrerin, die vor einer Klasse steht. Außerdem sage ich in meinen Videos ja nicht: „Übermorgen schreibe ich einen Test und das und das kommt darin vor.“ Beziehungsweise sind das ja auch Informationen, die meine Schüler eh haben. Selbst wenn ich darüber sprechen würde, würden sie daraus also nicht wahnsinnig viel neues mitnehmen.
News4teachers: Wenn man sich ganz grundsätzlich die Situation von Lehrkräften anschaut, wird ja zu Recht viel geklagt, über die Arbeitsbelastung, den Lehrkräftemangel und so weiter. Und meine Beobachtung ist, dass Ratschläge, wie man vielleicht effizienter werden und besser mit Belastungen umgehen kann, häufig nicht gut angenommen werden. Denn es ist ja eine willkommene Ausrede für Kultusminister zu sagen, Lehrkräfte müssten einfach effizienter werden. Wurde dir in diese Richtung schonmal Vorwürfe gemacht?
Emi: Kommt eher selten vor. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich das Ventil bin, wo man seinen Stress mal kurz rauslassen kann, das schon. Aber ich hoffe natürlich, dass die Leute, die mir folgen, es auch gut finden, Tipps zu bekommen, wie man sich selbst besser organisieren oder seine Woche planen kann. Und Leute, die es saublöd finden, die folgen mir vielleicht gar nicht. Wenn Kritik in diese Richtung kommt, versuche ich Verständnis zu haben. Ich weiß ja, wie viel Stress man als Lehrkraft manchmal hat. Wie gesagt, die Menge an Aufgaben, die man als Lehrkraft hat, ist der Wahnsinn. Gekoppelt mit dem fehlenden Management ist das schon echt hart.
Wenn ich zum Beispiel meinen Mann anschaue, der in vielen verschiedenen Unternehmen gearbeitet hat, der hatte in der Regel montags ein Meeting, in dem die Themen der Woche besprochen wurden und jeder seine Projekte, seine Prioritäten genannt und meist auch Feedback bekommen. Es gibt also eine Struktur. So was haben wir Lehrkräfte nicht oder in den seltensten Fällen. Jeder ist für seinen Unterricht selbst verantwortlich. Es hat natürlich auch Vorteile, dass ich mir meine Arbeit selbst einteilen, viel selbst bestimmen und den Unterricht recht frei gestalten kann. Freiheit ist schön, aber Freiheit führt auch dazu, dass man anfängt zu schwimmen.
News4teachers: Ist das vielleicht ein Stück weit das Geheimnis Deines Erfolgs, dass du in gewissen Bereichen ein Team ersetzt und mit deinem Content eine Art Supervision bietest?
Emi: Ich hoffe es. Ich meine, ich kenne das von mir selbst ja auch, wenn ich mir YouTube-Videos von anderen Leuten anschaue. Das kann schon wahnsinnig inspirierend und motivierend sein. Man kann über Social Media ganz viel Schlechtes sagen, aber es ist am Ende auch ein Tool, durch das man viel Neues für sich erschließen kann, wenn man es richtig benutzt. Und das wäre natürlich schön, wenn ich für andere Lehrkräfte so eine Art Teampartnerin wäre, in der sie sich vielleicht wiedererkennen.
News4teachers: Oder als Maßstab, um zu schauen, wie man etwas auch ganz anders und vielleicht besser machen kann.
Emi: Ja. Das ist auch was, was in Schulen total fehlt, meiner Meinung nach. Als ich angefangen habe, als Lehrerin zu arbeiten, war ich nach den ersten Konferenzen irgendwie ganz irritiert, weil ich dachte: „Wir reden hier irgendwie über alles, aber gar nicht über das, was eigentlich unsere Arbeit ist, nämlich unterrichten.” Also, ich habe irgendwie immer gedacht, man müsste sich doch auch methodisch austauschen. Aber das passiert nicht, jeder ist Einzelkämpfer. Ich finde das ist ganz, ganz viel verschenktes Potenzial, auch wenn es um das Teamgefühl an einer Schule geht. In England gibt es zum Beispiel ein Instructional Coaching. Das finde ich richtig spannend. Dadurch bekommt man als Lehrkraft zum einen Hilfestellungen und Tipps, was man im Unterricht machen kann, damit die Schüler besser lernen und man selbst entspannter durch den Unterricht kommt. Und es sorgt außerdem für einen ganz anderen Teamgeist.
News4teachers: Du hast zuletzt ein aktuelles Video über Großbritannien und über die PISA-Erfolge der Briten online gestellt. Rutscht du jetzt thematisch schleichend in die Bildungspolitik rein?
Emi: Das hat mich eigentlich nie so wahnsinnig interessiert. Ich habe immer gedacht, kleine Schritte sind das, auf das ich mich konzentrieren möchte. Auch, weil ich dazu natürlich die Erfahrung habe. Ich merke aber, dass mich diese großen Fragen mit der Zeit nun immer mehr interessieren. Das Thema England ist überhaupt nur aufgekommen, weil ich Kontakt mit einem britischen Lehrer hatte, der mir dazu ein bisschen etwas erzählt hat, was ich wahnsinnig spannend fand und womit ich mich dann noch intensiver beschäftigt habe. Also mal schauen, wohin es geht.
Die Frage, was gute Schulen anders machen oder wie ein gutes Schulbildungssystem aussieht, damit Kinder gut lernen können, ist natürlich bildungspolitisch. Damit verfolge ich aber keine politische Agenda oder so. Ich versuche einfach, die Fragen, die sich mir so auf dem Weg stellen, zu beantworten. Oder zumindest Ideen und Inspirationen zu bekommen, was eine mögliche Antwort sein könnte, um die dann zu teilen. Und ja, ich bin noch lange nicht am Ende angekommen, sondern ich habe das Gefühl, ich habe mich gerade erst auf den Weg gemacht, um an Antworten zu kommen. Und diesen Weg teile ich mit den Leuten, die mir folgen wollen oder die sich meine Videos anschauen möchten. News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek führte das Interview.
Emily Horbach ist Lehrerin an einem Gymnasium in Berlin für die Fächer Englisch und Geografie. Nach ihrem Referendariat 2018 hat sie zunächst Vollzeit gearbeitet, sich dann aber nebenbei eine Social Media Karriere aufgebaut. Inzwischen arbeitet sie Teilzeit, um ihre Tätigkeit als Lehrerin mit ihrer Tätigkeit als Influencerin zu kombinieren.
Zu finden ist sie unter dem Namen „emitheteacher“ unter anderem auf Instagram (www.instagram.com/emitheteacher), YouTube (www.youtube.com/channel/UCk-mxALfvuGCowSWLJdOqqQ) und Tiktok (www.tiktok.com/@emitheteacher).
Weitere Informationen gibt es außerdem auf ihrer Webseite: https://emitheteacher.de/

