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Wegen AfD-Auftritts: Weisband weist Ehrung als didacta-Bildungsbotschafterin zurück

STUTTGART. Paukenschlag auf Europas größter Bildungsmesse: Die Psychologin und Leiterin des schulischen Demokratieprojekts aula, Marina Weisband, sollte vom Veranstalter, dem Didacta Verband, als „Bildungsbotschafterin“ geehrt werden – sie wies die Auszeichnung während der Feierstunde vor Publikum ab. Der Anlass: der Auftritt der AfD als Aussteller auf der didacta. In einer emotionalen Rede, nach deren Ende die Gäste stehend applaudierten, begründete Weisband ihren Entschluss. Der Didacta Verband reagiert. 

Marina Weisband leitet das Projekt aula, das Demokratiebildung in Schulen vermittelt. Foto: privat

„Kaum eine Nachricht hat mich so sehr gefreut, wie hier als Bildungsbotschafterin ausgezeichnet zu werden“, so erklärte Weisband von der Bühne aus. „Ich arbeite seit über einem Jahrzehnt mit großer Leidenschaft für Demokratiebildung und werde dem auch den Rest meines Lebens widmen. Umso mehr enttäuscht mich, dass diese Auszeichnung überschattet wird davon, dass sie sich nun wie ein Deckmantel der Normalität anfühlt für einen ungeheuerlichen Vorgang.“

Hintergrund: Die Messe hat der AfD eingeräumt, sich als Aussteller auf der didacta zu präsentieren – wohl als erste Partei auf einer didacta überhaupt. Offenbar wurden andere Parteien erst eingeladen, nachdem die Anmeldung der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachteten Partei akzeptiert worden war. Die Messe Stuttgart und der Didacta Verband erklärten, rechtlich keine andere Möglichkeit gehabt zu haben, als die AfD als Aussteller zu akzeptieren.

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„Weil ich mich seit Jahren mit Demokratiebildung beschäftige, kann ich hier eine Erkenntnis teilen: Demokratie stirbt nicht plötzlich“

Weisband dazu: „Die didacta hat sich unfreiwillig zum Brennglas für die Frage gemacht, ob demokratiefeindliche Akteure einen Platz haben auf einer Fachmesse mit dem Motto Demokratiebildung. Und ich kann nicht anders, als hier fest auf einer Seite zu stehen: Nein, haben sie nicht.“

Sie, Weisband, kämpfe für eine Schulkultur der Selbstwirksamkeit. „Für Inklusion, Vielfalt, Neugier, den Glauben an jedes einzelne Kind, an jeden einzelnen Menschen. Die AfD kämpft gegen Gesamtschulen, gegen Inklusion, gegen Lehrkräfte, die nicht auf Linie sind. Sie spricht Menschen je nach Geburt verschiedenen Anspruch auf Würde zu. Sie stellt Menschen vor existenzielle Fragen. Gehen oder bleiben? Sind wir hier noch willkommen? Schüler mit Migrationshintergrund. Mich! Und das müssen wir NICHT aushalten. Diese Partei will nämlich keine demokratische Debatte über diese Fragen. Sie will den Debattierclub anzünden“, sagte sie.

Und sie betonte: „Weil ich mich seit Jahren mit Demokratiebildung beschäftige, kann ich hier eine Erkenntnis teilen: Demokratie stirbt nicht plötzlich. Vielmehr werden ihre Feinde Schritt für Schritt normalisiert, bis ihr Ende wie der nächste kleine Schritt in einer logischen Kette erscheint. Heute kann ich hier nicht stehen und bei dieser Normalisierung mitspielen.“

Weisband weiter: „Es ist meine demokratische, meine verfassungsmäßige Pflicht, dagegen aufzubegehren. Darum lehne ich diesen Preis ab. Mit großem Bedauern. Das mir wichtig als Signal an alle, die planen, diese Partei als normale Partei zu behandeln. Denn überall, wo sie ist, bindet die AfD die Debatte auf die Schattenseiten unserer Gesellschaft, nimmt den Scheinwerfer weg von Menschen, die so hart für Demokratie arbeiten. Doch wir werden uns die Arbeit nicht verbauen lassen. Mit der gleichen Energie, wie wir Rechtsradikalismus ablehnen, arbeiten wir weiter an innovativen Bildungsformen, tauschen uns aus und lernen voneinander.“

Der Didacta Verband hat angekündigt, im nächsten Jahr keine Parteien als Aussteller auf der Bildungsmesse zuzulassen

Der Preis wäre mit 3.000 Euro dotiert gewesen. „Damit ermöglichen wir einer ganzen Schule den Start mit aula, um echte Mitbestimmung in den Schulalltag zu bringen. Geld, dass wir als gemeinnützige Organisation eigentlich gut gebrauchen können. Deshalb, und auch im Namen des aula-Teams, kann ich an dieser Stelle nur dafür aufrufen, für uns zu spenden, wenn Sie an unsere Arbeit glauben. Ich kann mir keine größere Anerkennung meiner Arbeit vorstellen als selbstbewusste, mündige Kinder ohne Angst vor der Zukunft. Egal, wo sie herkommen. Für sie gehe ich diesen Schritt. Mit aller Dankbarkeit für die Auszeichnung. Ich hoffe, sie kann nächstes Jahr ohne einen solchen Schatten verliehen werden.“

Der Didacta Verband hat heute angekündigt, im nächsten Jahr keine Parteien als Aussteller auf der Bildungsmesse zuzulassen. Das wirft allerdings die Frage auf: Warum nicht gleich so? News4teachers

Nachtrag: Der Didacta Verband hat die 3.000 Euro, mit denen die Auszeichnung dotiert gewesen wäre, nun an aula gespendet. Darauf hat Marina Weisband nun hingewiesen.

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