BERLIN. Es ist ein Schritt zu mehr Chancengerechtigkeit. So sieht es zumindest das Portal für Informationsfreiheit „Frag den Staat“. Seit Jahren prangert die Plattform das Vorgehen vieler Bundesländer an, alte Prüfungsaufgaben gegen eine Lizenzgebühr an Buchverlage zu verkaufen – anstatt sie den Schülerinnen und Schülern kostenlos zur Verfügung zu stellen. Nun stellt „Frag den Staat“ die Prüfungen selbst online.
In wenigen Tagen beginnen in Nordrhein-Westfalen die schriftlichen Abiturprüfungen. Rund 78.000 Schülerinnen und Schüler treten ab dem 29. April 2025 zu den Klausuren an. Für viele von ihnen ist die Vorbereitung in diesem Jahr etwas einfacher geworden: Über 600 alte Abiturprüfungen aus zehn Bundesländern stehen nun erstmals kostenlos online zur Verfügung. Die Plattform „Frag den Staat“ hat diese Aufgaben gemeinsam mit Prüfungsaufgaben für Haupt- und Realschulabschlüsse unter dem Namen „Verschlusssache Prüfung“ veröffentlicht.
Bisher waren alte Prüfungsaufgaben – wenn überhaupt – meist nur über kostenpflichtige Übungshefte erhältlich, die von Verlagen vertrieben wurden. Diese Praxis wurde zunehmend kritisiert, da sie Schülerinnen und Schüler aus einkommensschwächeren Familien benachteiligt. Max Kronmüller von „Frag den Staat“ betont gegenüber „Spiegel Online“: „Ein fairer und gleicher Zugang zu Bildung ist ein Grundrecht, das nicht für private Profite ausgehöhlt werden darf.“
Konflikt besteht seit Jahren
Laut eigenen Angaben haben Initiatoren der Plattform mit Unterstützung von Freiwilligen mehr als 2.140 Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetzt (IFG) bei den Prüfungsbehörden gestellt. Viele gaben daraufhin die Prüfungen raus. Jedoch längst noch nicht alle: Aus den Ländern Berlin, Brandenburg, Saarland und Sachsen fehlen weiterhin öffentlich zugängliche Prüfungen. Auf der Kampagnenseite von „Frag den Staat“ heißt es zur bisherigen Situation in den Bundesländern: „Nur in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein können Schüler*innen alte Prüfungen kostenlos herunterladen. Bayern macht nur wenige Prüfungen kostenlos zugänglich. In Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern können Schüler*innen über Schulportale auf alte Prüfungen zugreifen. In allen übrigen Bundesländern müssen Schüler*innen auf teure Angebote von privaten Verlagen zurückgreifen.“
Schon im vergangenen Jahr hatte „Frag den Staat“ gemeinsam mit Wikimedia Deutschland eine Petition gestartet, um Prüfungsaufgaben in allen Bundesländern frei zugänglich zu machen. Die Argumentation: Die mit öffentlichen Geldern entwickelten Aufgaben sollten im Nachgang auch öffentlich und kostenfrei allen zur Verfügung gestellt werden.
Umdenken in Baden-Württemberg
Laut SWR soll es in Baden-Württemberg ab diesem Herbst für die Schülerinnen und Schüler möglich, online auf alte Prüfungsaufgaben zuzugreifen, über die Website des Instituts für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW). Zuvor hatte sich das Kultusministerium jahrelang auf urheberrechtliche Hürden berufen. Nun sollen urheberrechtlich schwierige Passagen, beispielsweise Literaturtexte, geschwärzt und mit entsprechenden Quellenverweisen ergänzt werden, so das Ministerium gegenüber dem SWR.
Baden-Württemberg stand in Bezug auf den Umgang mit alten Prüfungen besonders in der Kritik. Denn während andere Bundesländer ihre Aufgaben für einen eher symbolischen Preis von durchschnittlich 200 Euro oder gar kostenlos an Verlage weitergegeben haben, war Baden-Württemberg laut SWR bislang direkt an den Verkäufen beteiligt. Zehn Prozent soll das Land pro verkauftem Buch bekommen haben. Allerdings sei die Petition von „Frag den Staat“ und Wikimedia Deutschland nicht der Grund für Umdenken in Sachen Prüfungsaufgaben, so das Ministerium. Die Arbeit an der Online-Veröffentlichung sei schon länger in Arbeit gewesen. News4teachers
“Maximal zwei Klausuren pro Woche”: Schüler fordern Anpassung der Abiturtermine