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Philologen schlagen Alarm: Abi-Wahnsinn belastet Kollegien – die Kultusministerin bleibt stumm

HANNOVER. Die Belastung für Lehrkräfte während der Abiturphase hat in Niedersachsen einen kritischen Punkt erreicht. Der Philologenverband Niedersachsen (PHVN) warnt angesichts mangelnder Erholungszeiten und zu enger Prüfungszeiträume vor gesundheitlichen Folgen und sinkender Qualität. In Braunschweig kam es sogar zu Gefährdungsanzeigen – ein drastisches Signal, das die angespannte Lage an vielen Gymnasien verdeutlicht. Doch Kultusministerin Julia Willie Hamburg sieht offenbar keinen Handlungsbedarf.

Am kritischen Punkt. Symbolfoto: Shutterstock

„Es geht jetzt Schlag auf Schlag“, sagt Dr. Christoph Rabbow, Vorsitzender des Philologenverbandes Niedersachsen (PHVN). Damit bezieht er sich auf die aktuelle Abiturphase in seinem Bundesland. Die Lehrerinnen und Lehrer seien derzeit mit den Korrekturen der Abiturprüfungen beschäftigt, gleichzeitig müssten sie Vorschläge für mündliche Prüfungen erstellen – und nebenbei den regulären Unterricht aufrechterhalten. Besonders die späten Osterferien hätten den Zeitplan zusätzlich verdichtet. „Es ist Normalität, dass bis Juni kein Wochenende ohne Korrekturen verbleibt“, warnt Rabbow. Ruhephasen fehlten zunehmend, was nicht nur die Arbeitsqualität gefährde, sondern auch die Gesundheit der Lehrkräfte. Das sei mehr als grenzwertig.

Gefährdungsanzeigen als Hilferuf

Lehrkräfte aus Braunschweig hatten bereits Anfang Mai eine Gefährdungsanzeige gestellt (News4teachers berichtete) – ein Schritt, der selten ist und die prekäre Lage unterstreicht. Die Lehrerinnen und Lehrer weisen in ihrer Anzeige darauf hin, dass sie gesundheitliche Folgen durch den Stress fürchten, der durch die knappe Korrekturphase entstehe. Eine weitere Sorge: Insgesamt könnte die Qualität der Korrekturen massiv leiden.

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Rabbow sieht darin einen „Hilferuf“, der nicht ignoriert werden dürfe. Besonders scharf kritisiert er die Reaktion von Kultusministerin Julia Hamburg (Grüne), die den Eindruck vermittele, dass sie die Not der Lehrkräfte nicht wirklich interessiere. „Allein aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen müsste die Ministerin eingreifen. Wenn sie aber einen solchen Hilferuf nicht einmal zum Anlass nimmt, ihrer Fürsorgepflicht nachzukommen, dann muss man sich ernsthaft fragen, ob sie ihrem Amt gewissenhaft nachgeht“, so Rabbow.

Eine zentrale Forderung des PHVN: Das „leidige Zählen von Minusstunden nach dem Abitur“ abzuschaffen. Diese Minusstunden entstehen, da nach dem Abitur im Prüfungsjahrgang kein Unterricht mehr erteilt wird. Doch bislang gibt es keinen Hinweis darauf, dass an dieser Praxis etwas geändert werden soll. Rabbow: „Nach der intensiven Arbeit in der Prüfungsphase können die Korrigierenden dies nur als Hohn begreifen.“

Schülerinnen und Schüler beklagen zu dichte Prüfungsplanung

Und nicht nur Lehrkräfte sind von dem hohen Stresspegel betroffen – auch die Prüflinge geraten zunehmend unter Druck. Der PHVN macht dies an einem Beispiel deutlich: In diesem Jahr fanden die schriftlichen Prüfungen in den Naturwissenschaften (Biologie, Chemie, Physik) an drei aufeinanderfolgenden Tagen statt. Viele Schülerinnen und Schüler wählen laut Philologenverband Kombinationen wie Chemie/Biologie oder Physik/Chemie – und hätten in diesem Jahr daher keine Pausen zwischen den Prüfungen. „Da blieb den Prüflingen keine Zeit zum Durchatmen“, kritisiert Rabbow. Eine sinnvolle Terminlegung gebe es lediglich für die Nachschreibtermine, nicht aber für den Haupttermin.

Auch der Landesschülerrat (LSR) hat sich zu Wort gemeldet und kritisiert die enge Taktung. Ein weiteres Problem sei in diesem Jahr laut PHVN außerdem die Länge der Aufgabenstellung gewesen. „In diesem Jahr wurde die Aufgabenkultur in den naturwissenschaftlichen Fächern umgestellt. Dadurch gab es deutlich mehr Teilaufgaben als in den Jahren zuvor. In letzter Konsequenz kamen die Schüler in Zeitnot und Rückmeldungen aus den Schulen zeigen uns, dass die Aufgaben nicht vollumfänglich bearbeitet werden konnten“ so Rabbow. Durch eine bessere Planung und einen angemessenen Rahmen ließe sich hier unnötiger Stress bei Schülerinnen und Schülern sowie bei Lehrkräften vermeiden.

Fazit: „Weniger ist mehr“

Bereits im vergangenen Jahr gab es heftige Kritik an überladenen Prüfungen, unter anderem im Fach Mathematik. Und auch 2024 warnte der Philologenverband vor zu kurzen Korrekturfristen – ohne Erfolg. „Wir fordern, wie im letzten Jahr, eine grundsätzliche Überprüfung des Umfangs von Materialien“, heißt es unter anderem in der aktuellen Meldung des PHVN. „Auch hier sollte gelten: Weniger ist mehr.“ Ob die Landesregierung den Hilferuf in diesem Jahr erhört, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. News4teachers

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