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„Bildung und Erziehung fangen in der Familie an“ (das werde zu oft vergessen): Prien nimmt Eltern in die Pflicht

BERLIN. Eltern müssen wieder mehr Verantwortung für die Bildung und Erziehung ihrer Kinder übernehmen – das fordert Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) und kritisiert eine Entwicklung, die in vielen Familien längst zum Alltag gehört: fehlende Zuwendung, zu wenig Vorlesen, zu viel Blick aufs Handy. In einem Interview spricht sie aber auch über das, was der Staat zu leisten hat: über notwendige Kurskorrekturen in der frühkindlichen Bildung, mehr Jugendschutz in sozialen Medien und ihren Plan, Kita und Schule durch verbindliche Maßnahmen enger zu verzahnen.

«Ein Staat, der alles leisten will in diesem Bereich, wird immer überfordert sein»: Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU). Foto: Shutterstock / Juergen Nowak

Bundesbildungs- und -familienministerin Karin Prien will Eltern bei der Bildung ihrer Kinder wieder stärker in die Pflicht nehmen. «Bildung und Erziehung fangen in der Familie an, das ist zuletzt vielleicht ein bisschen in Vergessenheit geraten. Zunächst einmal sind die Eltern verantwortlich», sagte die CDU-Politikerin der «Welt am Sonntag». «Ein Staat, der alles leisten will in diesem Bereich, wird immer überfordert sein», betonte sie.

Andererseits gebe es auch immer mehr Kinder mit besonderen Förderbedarfen, mit sprachlichen oder motorischen Defiziten. Die Migration sei eine, aber lange nicht die einzige Ursache. «Kinder mit schlechteren Startchancen sind heute eher die Regel als die Ausnahme. Deshalb wird es immer häufiger notwendig, bildungskompensatorisch tätig zu werden. Das wird nur funktionieren, wenn Eltern, Kita und Schule besser zusammenarbeiten.»

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Zu viele Blicke aufs Smartphone, zu wenig Augenkontakt mit den eigenen Kindern

Prien beklagte, dass 40 Prozent der Kinder nicht mehr vorgelesen werde. «Viele Kinder bekommen schon sehr früh keine hinreichende Aufmerksamkeit ihrer Eltern mehr, weil die mit ihrem Smartphone beschäftigt sind. Das hat dramatische Auswirkungen auf Kinder. Sie können sich nicht gesund entwickeln, wenn sie von den Eltern keinen Augenkontakt und keine mimischen Antworten mehr bekommen.» Vielen Eltern sei das vielleicht gar nicht bewusst. Deshalb müsse man darüber reden.

Apropos Digitalisierung: Prien plädierte für eine differenzierte Debatte. «Ich habe als erste Landesministerin schon 2023 ein Verbot für die private Handynutzung an Grundschulen eingeführt. Damals bin ich von anderen Kollegen noch als rückständig und technikfeindlich beschimpft worden. Inzwischen hat die Debatte eine große Dynamik entwickelt, weil wir sehen, wie sehr Konzentrationsfähigkeit und Kommunikationsfähigkeiten unter zu hohen Bildschirmzeiten leiden. Das heißt aber nicht, dass wir in der Schule auf eine vernünftige Heranführung an digitale Tools verzichten müssen. Gerade zur Förderung bei individuellen Defiziten oder Begabungen oder zur Unterrichtsvorbereitung sind zum Beispiel Programme, die mit künstlicher Intelligenz arbeiten, sehr hilfreich.»

«Die Notwendigkeit, dass wir beim Übergang zwischen Kita und Schule mehr tun müssen, sehen inzwischen alle Bildungsminister»

Prien forderte andererseits mehr Jugendschutz in den sozialen Medien. «Im Moment ist es so, dass Kinder und Jugendliche im Internet ohne jeden Schutz gewaltverherrlichenden, pornografischen und extremistischen Inhalten ausgesetzt sind. Dieser Schutz muss verbessert werden, und wer ernsthaft behauptet, dass man das ohne eine Regulierung hinbekommt, der führt die Menschen in die Irre. Wir lassen unsere Kinder doch auch nicht ins Bordell oder in den Schnapsladen! Wir brauchen hier dringend eine wirksame Altersverifikation als wirksame Regulierung.»

Hintergrund: Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki hatte Prien vorgeworfen, die Bürgerinnen und Bürger gängeln zu wollen. Prien dazu: «Das ist ein gutes Beispiel für die Reflexhaftigkeit, mit der manche Politiker, aber auch die Medien heutzutage auf bestimmte Stichworte reagieren.» Es gehe ihr um Kinder- und Jugendschutz, nicht um die Einschränkung der Meinungsfreiheit in den sozialen Medien.

Prien sprach sich darüber hinaus für bundesweit verpflichtende Untersuchung aller Vierjährigen und bei Bedarf einer verpflichtenden Sprachförderung aus. Auch eine Kita-Pflicht hätte aus ihrer Sicht Vorteile. Eine Alternative wäre eine vorgezogene Schulpflicht für Kinder mit besonderem Förderbedarf, wie einige Länder sie bereits hätten oder gerade einführen. Prien: «Die Notwendigkeit, dass wir beim Übergang zwischen Kita und Schule mehr tun müssen, sehen inzwischen alle Bildungsminister. Dieses Eisen muss jetzt geschmiedet werden.» News4teachers / mit Material der dpa

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